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Gegen Jahresende „wird es knapp“

Der Ölpreis ist besonders vielen Einflussfaktoren ausgesetzt und schwer prognostizierbar - ist selbst aber zugleich einer der wichtigsten Einzelfaktoren für die Wirtschaftsentwicklung. Konjunkturprognosen werden nicht ohne Grund meist mit dem expliziten Hinweis auf die Volatilität des Rohölpreises versehen.

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Der Chefanalyst der Raiffeisen Bank International (RBI), Valentin Hofstätter, geht aber davon aus, dass es in absehbarer Zeit „keine radikalen Preissprünge auf ein völlig neues Niveau“ geben wird. Der Preis werde sich zwischen 70 und 80 US-Dollar pro Fass bewegen, meist am oberen Ende. Er rechnet aber sehr wohl mit ziemlich starker Volatilität des Ölpreises bis zum Jahresende. Stärkere Preisanstiege seien kurzfristig möglich, „sollten aber nicht nachhaltig sein“.

Ganz ähnlich fällt die Einschätzung des IHS-Experten Sebastian Koch aus: Sein Forschungsinstitut gehe „nicht von einem großen Sprung“ beim Ölpreis und in der Folge bei den Preisen an der Zapfsäule aus. Sehr wohl könne der Preis aber öfter „rauf- und runtergehen“, dauerhaft sollte er aber nicht oben bleiben.

Nach Dreijahreshoch leichte Entspannung

Zuletzt waren die Spritpreise im Frühjahr auf ein Dreijahreshoch gestiegen - nicht zuletzt wegen des von US-Präsident Donald Trump wieder angeheizten Iran-Konflikts. Im Sommer gingen die Preise aber wieder leicht zurück, wie ÖAMTC-Verkehrswirtschaftsexpertin Nikola Junick betont. Und sie sagt: Abseits der aktuellen Preisentwicklung gebe es beim Tanken, je nachdem, welche Tankstelle man aussucht, einen Preisunterschied von bis zu 40 Cent pro Liter.

Lineargrafik über die Ölpreisentwicklung

Grafik: ORF.at; Quelle: EIA

Niemand darf mehr ausfallen

Vorausschauend erwartet IHS-Inflationsexperte Koch, dass die Preise bis zu den US-Midterm-Wahlen „eher stabil“ bleiben und danach wohl etwas nach oben gehen. Mit einem starken Preisanstieg rechnet er aber nicht. Und Koch verweist auf den Wechselkurs als zweiten wichtigen Preisfaktor: „Was ankommt, ist immer der Ölpreis mit dem Wechselkurs“ - sollte der Dollar im Verhältnis zum Euro, etwa wegen des Handelsstreits mit China, schwächer werden, verbillige das den Sprit in Europa. Das gilt natürlich auch umgekehrt.

Konkreter wird Hofstätter: Er erwartet nicht, dass der Spritpreis nachhaltig auf 1,40 Euro oder mehr steigt. Vorübergehend sei das möglich, aber nicht über Wochen. Denn das würde bedeuten, dass der Rohölpreis auf 100 US-Dollar steigt. Gegen Jahresende könne die Nachfrage nur mit Mühe durch das Angebot auf dem Ölmarkt ausbalanciert werden, erwartet Hofstätter. Er betont, „dass es knapp wird. Wenn ein weiterer Ölproduzent ausfällt, dann sind wir bei 90 bis 100 Dollar.“

Säbelrasseln erst nach Midterms

Ihre Einschätzungen begründen Hofstätter und Koch sehr ähnlich. Der RBI-Chefvolkswirt erwartet, „dass die USA vor den Midterm-Wahlen nicht das Säbelrasseln gegenüber dem Iran verstärken“, denn das wäre „schlecht für die Wahlchancen der Republikaner“. Das ist laut Koch auch die Erklärung dafür, dass Trump vor wenigen Tagen einen Teil der strategischen Ölreserven für Oktober und November zum Verkauf freigab. Damit solle ein starker Anstieg der Spritpreise in den USA vor den Wahlen verhindert werden.

Nach den Wahlen am 6. November aber wird der Konflikt mit dem Iran laut RBI-Analyst Hoffstätter „sicher ein großes Thema“. Der Preis werde dann wohl auf rund 80 Dollar pro Fass steigen, mit möglichen starken Ausschlägen nach oben.

Saudis als bereitwillige Lückenfüller

Denn mit der Wiedereinführung der US-Sanktionen gegen den Iran Anfang November wird für einen der wichtigsten Ölförderer der Zugang zum Weltmarkt deutlich eingeschränkt. Laut Koch stiegen die iranischen Ölexporte nach Aufhebung der UNO-Sanktionen als Folge der Einigung auf den Atomdeal um etwa eine Million Fass pro Tag. Wenn der Ausfall ab November ähnlich hoch sein sollte, dann könne das von anderen Ölstaaten, allen voran Saudi-Arabien, wohl abgefangen werden.

Umso mehr, betont Hoftstätter, als Saudi-Arabien jedes Interesse habe, dass die USA den Druck auf den Erzfeind Iran aufrechterhalten. Stark steigende Preise an den US-Zapfsäulen könnten Trump innenpolitisch aber unter Druck setzen und eine harte Linie gegenüber dem Iran gefährden.

EU bei Iran in Dilemma

Die EU ist im Iran-Streit nicht nur politisch - Brüssel will das Atomabkommen trotz Trump retten - im Dilemma: Schließt sich die EU nicht den neuen US-Sanktionen, insbesondere dem Ölembargo, an, drohen europäischen Unternehmen Strafen und Nachteile in den USA. Andere Staaten, allen voran China, werden Teheran weiter Öl abkaufen.

„Wenig Spielraum für politische Abenteuer“

Für den Analysten hat das aber auch politische Implikationen: Durch den Teilwegfall des Iran werde das Angebot knapp. Schon jetzt seien die iranischen Exporte rückläufig, obwohl die US-Sanktionen noch nicht in Kraft sind.

Zugleich ist aber die Konjunktur weltweit stark und die Nachfrage damit hoch - Hofstätter vergleicht die Situation sogar mit der Hochkonjunktursituation vor dem Ölpreisschock in den 1970er Jahren. Die Schlussfolgerung: Der „Spielraum für politische Abenteuer“ - also etwa ein Krieg gegen den Iran - werde damit sehr gering, so Hofstätter, der diesbezüglich die sich abzeichnende knappe Versorgungslage auch positiv sieht.

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