Neubesetzungen im Aufsichtsratsgremium
Der Präsident der Wirtschaftskammer (WKÖ), Harald Mahrer (ÖVP), wird mit 1. September Claus Raidl (ÖVP) als Präsident der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) ablösen. Der Posten des wichtigen OeNB-Governeurs dürfte an die FPÖ gehen, wurde am Mittwoch im Rahmen des Ministerrats indirekt bestätigt.
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Der Ministerrat bestellte neben Mahrer am Mittwoch zudem Barbara Kolm, Präsidentin des Friedrich August von Hayek Instituts, zur Vizepräsidentin. Sie wird Max Kothbauer (SPÖ) nachfolgen. Zu neuen Mitgliedern im OeNB-Generalrat werden außerdem der Finanz- und Immobilienexperte Christoph Traunig und der Banker Stephan Koren bestellt. Er ist Generaldirektor der immigon und Aufsichtsratsvorsitzender bei Wüstenrot. Das teilte das Finanzministerium in einer Aussendung mit.
Die Funktionsperiode von Raidl und Kothbauer läuft per 31. August 2018 aus. Traunig übernimmt das Mandat von Dwora Stein, mittlerweile Bundesgeschäftsführerin der Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier (GPA-djp), das ebenfalls Ende August ausläuft. Koren folgt auf August Astl, dessen Mandat mit 7. September endet. Die Bestellung Mahrers war aus Regierungskreisen als Reaktion auf entsprechende Medienberichte Dienstagabend bereits bestätigt worden.
Löger: Ausgewiesene Persönlichkeiten
Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) zeigte sich über die Besetzung erfreut. Man habe ausgewiesene Persönlichkeiten für diese verantwortungsvollen Positionen gewinnen können, so Löger. Er sei überzeugt, dass Mahrer und der Generalrat ihre Aufgabe „im Sinne einer unabhängigen Oesterreichischen Nationalbank bestens erfüllen werden“, und freue sich „auf die Zusammenarbeit für eine fortschrittliche Geldpolitik“. Auch die neue Vizepräsidentin Kolm habe als Wirtschaftsforscherin hohe Anerkennung erfahren.
Mahrer sei ein „generalistisch orientierten Wirtschaftspolitiker“ und werde die OeNB gut weiterentwickeln, zeigte sich Löger vor dem Ministerrat überzeugt. Er kenne ihn lange als Wirtschaftsexperten, der sich „in Finanzthemen immer klar positioniert hat“, so Löger auf die Frage nach Mahrers Qualifikation für diese Position.
Mahrer: Wirtschaft „ganzheitlich betrachten“
Der 45-jährige Mahrer zeigte sich seinerseits über das Vertrauen in seine Person erfreut. „Gemeinsam mit meinen Kollegen im Generalrat werde ich mich selbstverständlich für eine stabile Währungspolitik und einen stabilen Finanzmarkt einsetzen.“ Beides sei wichtig für den Wirtschaftsstandort, für Österreichs Betriebe und deren Mitarbeiter, sagte er in einer ersten schriftlichen Stellungnahme gegenüber der APA.
„Ich wünsche mir, dass nicht ständig Realwirtschaft und Finanzwirtschaft gegeneinander ausgespielt werden. Wirtschaft ist unteilbar und daher auch ganzheitlich zu betrachten“, so Mahrer über seine zusätzliche Funktion. Zudem wolle er auch „sehr gerne meine wirtschaftspolitische Erfahrung“ in das Aufsichtsratsgremium einbringen.
Zahlreiche Funktionen für Mahrer
Mahrer war von Mai bis Dezember 2017 Wirtschaftsminister und zuvor ab 2014 Staatssekretär im Wirtschaftsministerium. Neben seiner Funktion als Präsident der Wirtschaftskammer ist er auch Präsident des Österreichischen Wirtschaftsbundes und Obmann der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (SVA). Weiters ist er Präsident des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO) und Mitglied im Präsidium der Österreichischen Sporthilfe.
Dem Generalrat obliegt die Überwachung jener Geschäfte, die nicht in den Aufgabenbereich des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB) fallen. Der Generalrat ist somit mit dem Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft vergleichbar. Für dieses wichtige Gremium kommen daher nur erfahrene Personen infrage, die auch leitende Persönlichkeiten des praktischen Wirtschaftslebens sowie Rechts- oder Wirtschaftswissenschaftler sein sollen, so das Finanzministerium in seiner Aussendung.
FPÖ soll OeNB-Gouverneur stellen
Neuer OeNB-Gouverneur dürfte der FPÖ-nahe frühere Weltbank-Direktor Robert Holzmann werden, das bestätigte Infrastrukturminister Norbert Hofer (FPÖ) zumindest indirekt. Auf die Frage, warum die FPÖ diese Funktion besetzen dürfte, erklärte Hofer vor dem Ministerrat: „Weil wir einen Kandidaten haben, der bestens geeignet ist.“ Und dabei gebe es eine „gewisse Wahrscheinlichkeit“, dass es Holzmann wird. Offizielle Bestätigung gibt es dafür noch nicht, das werde zu einem späteren Zeitpunkt von den Regierungsspitzen bekanntgegeben, so Hofer.
Das Mandat des amtierenden SPÖ-nahen Notenbank-Gouverneurs Ewald Nowotny läuft noch bis August 2019, wie auch Löger sagte. Die Entscheidung darüber soll daher erst bis Ende des Jahres bekanntgegeben werden. Ob, wie zuvor kolportiert, weiter die ÖVP den EU-Kommissar stellt, wollte Hofer nicht bestätigen: „Ich würde keinen Zusammenhang herstellen.“ Man habe im Zuge der OeNB-Besetzungen nicht darüber gesprochen.
Doppelfunktion für Kurz kein Problem
Er freue sich auf die Zusammenarbeit mit dem neuen Präsidium des OeNB-Generalrates, so Nowotny am Mittwoch in einer Aussendung. Im Namen des OeNB-Direktoriums gratuliere er zu dieser Berufung, so Nowotny. Bundeskanzler Sebastina Kurz (ÖVP) nannte Mahrer einen „würdigen“ Nachfolger für Raidl. Er traue den Job „einigen Menschen“ in der ÖVP zu, vor allem aber Mahrer. Kurz sieht auch kein Problem darin, dass Mahrer Obmann des ÖVP-Wirtschaftsbundes bleibt, es sei „durchaus möglich“, eine Parteifunktion und öffentliche Funktionen innezuhaben. Was die Nachfolge Nowotnys betreffe, gebe es noch keine Vorentscheidung. Auf Gerüchte, wonach Othmar Karas neuer EU-Kommissar werde, ging Kurz nicht ein. Man müsse die EU-Wahlen abwarten.
SPÖ sieht Interessenkonflikt
Aus der SPÖ gab es hingegen heftige Kritik an der Bestellung Mahrers. Mahrer werde zum Superpräsidenten der ÖVP, so SPÖ-Bundesgeschäftsführer Max Lercher in einer Aussendung. „Verfügt Kurz über keine anderen Personalreserven?“, so Lercher, der auch Erfahrungen in der Finanzwelt bei Mahrer vermisst.
SPÖ-Finanzsprecher Kai Jan Krainer sieht wie Lercher einen eindeutigen Interessenkonflikt zwischen dem Amt des OeNB-Präsidenten und dem Posten des Wirtschaftskammer-Chefs. Dass Mahrer seine Funktion in der WKÖ nicht zurücklege, sei ein völliger Bruch mit allen bisherigen Usancen, so Krainer in einer Aussendung. Als WKÖ-Chef und oberster gesetzlicher Interessenvertreter von Banken und Versicherungen könne Mahrer nicht gleichzeitig an der Spitze der Nationalbank stehen. Krainer übte auch Kritk an den anderen Besetzungen: Arbeitnehmervertreter seien gar nicht mehr vertreten, sondern nur noch Wirtschaftskammer rund Landwirtschaftskammer. Namentlich nannte er auch Kolm als „führende Vertreterin von ‚Voodo-Economics‘“.
Kritik an Postenschacher
Kritik kam auch von der Liste Pilz (LP): Für Klubobmann Bruno Rossmann ist der Deal zur Vergabe von Präsidenten- und Gouverneursposten bei der OeNB „äußerst bedenklich“, heißt es in einer Aussendung. Mahrer besitze "keinerlei geldpolitische Erfahrungen, zudem sieht auch Rossman einen schweren Interessenkonflikt mit der Position als WKÖ-Präsident und all seinen weiteren Ämtern. Für Kurz sei aber offenbar genau diese „Vereinigung des eigentlich Unvereinbaren“ oberstes Kriterium bei der Besetzung.
Rossmann stellte überhaupt das Amt des Präsidenten infrage, die eigentliche Verantwortung liege ohnedies beim Gouverneur. Der einzige Zweck von Präsidenten liege darin, den regierenden Parteien einen Postenschacher zu ermöglichen. Die Bundessprecherin der Grünen Wirtschaft, Sabine Jungwirth, kritisierte in einer Aussendung ebenfalls Postenschacher und Ämterkumulierung. Der einzige Zwecke dahinter könne nur sein, „möglichst wenige Personen in die wichtigsten Ämter des Landes zu bringen“. Das ermögliche Kurz, die Republik noch besser direkt zu steuern.
NEOS: „Unverfrorenheit“
NEOS-Wirtschaftssprecher Sepp Schellhorn gab sich „fassungslos“ und sprach von einer „Unverfrorenheit“, mit der die Regierung „Postenschacher“ betreibe: „Das ist reine Packelei und eine systematische Umfärbung des Landes. Die Regierung macht keine Reformen, sie reformiert nur die Macht.“ Zudem stelle sich Mahrer in der Frage von Asylwerbern in der Lehre klar gegen die Interessen der Wirtschaft.
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