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Freizeit - damals und heute

Wenige Bauten spiegeln die Totalität des NS-Regimes so deutlich wieder wie Prora: ein gigantischer Monumentalbau, karg und monoton, an der Küste der deutschen Insel Rügen. Dort hätten in der Nazi-Zeit 20.000 Urlauberinnen und Urlauber ihre Freizeit verbringen sollen, in Gemeinschaft und unter Kontrolle.

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Inzwischen haben auf dem teuren Immobilienpflaster Rügen Privatinvestoren das Sagen. Und der Staat erkannte Prora nun offiziell als Erholungsort an. Der Wirtschaftsminister des deutschen Bundeslands Mecklenburg-Vorpommerns, Harry Glawe (CDU), übergab am Freitag die Ernennungsurkunde als Erholungsort. „Prora überzeugt Urlauber und Anwohner mit einem großen Freizeit- und Erholungswert“, sagte Glawe laut seinem Ministerium. Mit dem Titel Erholungsort kann Prora nun Kurtaxe und eine Fremdenverkehrsabgabe erheben.

Nazi-Bau auf Prora

APA/AFP/Tobias Schwarz

Prora hat eine überaus wechselvolle Vergangenheit. Berühmt ist es vor allem wegen der enormen Freizeitanlage, deren Grundstein am 2. Mai 1936 bei einer Massenveranstaltung gelegt wurde. Es war ein Tag mit Symbolwert: An diesem Datum jährte sich zum dritten Mal die Zerschlagung der Gewerkschaften durch das NS-Regime. Die eigentlichen Bauarbeiten begannen in den Wintermonaten 1936/1937. Es sollte das Seebad der Nazi-Freizeitorganisation „Kraft durch Freude“ werden.

Gleichschaltung in Beton

In Prora sollte die Volksgemeinschaft für eine Tagespauschale von zwei Reichsmark bei einem einwöchigen Ostsee-Urlaub auf Systemtreue getrimmt werden. Die Freizeit sollte in der Gemeinschaft stattfinden, geplant waren Gemeinschaftshäuser mit Gastronomie- und Wirtschaftsräumen, Kegelbahnen, Leseräume und ein Kino. Die Schlafzimmer hingegen sollten karg sein: Auf den rund zehn Quadratmetern war Platz für zwei Betten, eine Sitzecke, einen Schrank und ein Handwaschbecken.

Doch alle Zimmer hatten Meerblick. Die acht vollkommen gleichartigen Häuserblocks waren jeweils 550 Meter lang, insgesamt erstreckte sich der Bau auf fast fünf Kilometer Länge. Der Gesamtentwurf, basierend auf Plänen des Architekten Clemens Klotz, wurde auf der Pariser Weltausstellung von 1937 mit einem Grand Prix ausgezeichnet.

Nazi-Bau auf Prora

APA/AFP/Tobias Schwarz

Bis 1939 wurde am Koloss aus Stahlbeton gebaut, die Kosten überstiegen die Planungen um rund das Sechsfache. Die erwarteten Gesamtkosten betrugen etwa 237,5 Mio. Reichsmark, umgerechnet etwa knapp eine Milliarde Euro. Allein 13.000 Bäume mussten bis 1938 auf dem Areal weichen. Der Bau wurde mit Kriegsbeginn schließlich gestoppt. Drei der acht Blöcke wurden zwischen 1945 und 1949 großteils zerstört.

NVA zieht ein

Nach dem Krieg wurde Prora von der DDR zu einem großen Militärstandort ausgebaut. Die Behörden stellten die südliche Hälfte der Anlage so weit fertig, dass sie bis 1990 von der Nationalen Volksarmee (NVA) genutzt werden konnte. Über vier Jahrzehnte hinweg wurde das Gelände militärisch genutzt, Prora wurde zur Sperrzone. Nach der deutschen Wiedervereinigung wurden die Anlagen, bereits unter Denkmalschutz gestellt, hauptsächlich dem Verfall preisgegeben - bis die Investoren kamen.

Nazi-Bau auf Prora

APA/AFP/Tobias Schwarz

Ab 2004 wurden die Blöcke einzeln verkauft und sukzessive umgestaltet. Hier, wo der Quadratmeter Wohneigentum rund 4.000 Euro kostet, entstanden Luxusapartments und Feriendomizile. Mit der Ernennung zum staatlich anerkannten Erholungsort kann Prora aufschließen zum Rest Rügens als Urlaubsdestination.

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