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Schwere Bedenken des Ökoinstituts

Robert Lechner, Geschäftsführer des Österreichischen Ökologieinsitutes, findet zum Ende der Begutachtungsfrist für das neue Standortentwicklungsgesetz klare Worte gegenüber ORF.at.

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ORF.at: Gibt es Umweltverträglichkeitsprüfungen bei komplexen Projekten, wo Sie sagen würden: Das lässt sich seriöserweise in zwölf Monaten nicht entscheiden?

Robert Lechner: Die zwölf Monate sind als generelle Regelung ganz offensichtlich nicht einzuhalten bei sehr komplexen Verfahren. Denken Sie an Kraftwerks- oder Straßenbauprojekte oder auch die dritte Piste des Flughafens Wien-Schwechat. Gleichzeitig muss man festhalten, dass eine UVP gegenwärtig durchschnittlich knapp 13 Monate dauert. Da sind viele ganz kleine Verfahren dabei, aber auch sehr große, komplexe. Diese 13 Monate, diese hohe Zahl erklärt sich aus den einzelnen komplexen Verfahren, die durchaus zwei Jahre dauern können.

ORF.at: Was geht verloren durch die Beschränkung auf zwölf Monate?

Lechner: In zwölf Monaten geht sicher die Detailschärfe verloren. Gewisse schwierige Sachverhalte sind vor Ort in der Zeit nicht zu erheben. Und man muss natürlich auch sämtlichen Betroffenen einräumen, Stellungnahmen abzugeben und ihre Meinung einzubringen. Das ist eine Frage der Seriosität, ob man dann einfach sagt: Wenn die zu langsam sind oder wenn die in der Zeit nicht in der Lage sind zu formulieren, worum es ihnen geht, ist uns das egal, Hauptsache, wir sind durch. Und ob die verantwortlichen Behörden überhaupt in der Lage sind, bei wechselnden Sachverhalten, Gutachten und so weiter mit den bestehenden Personalressourcen die Verfahren ordentlich abzuwickeln, wage ich zu bezweifeln.

Nehmen wir Gerichtsverfahren. Niemand würde bei jahrelangen Verfahren mitsamt Beweissicherung und eigentlicher Verhandlung, wie wir ja in der Republik einige kennen, hergehen und sagen: Aber nach zwölf Monaten ist man unschuldig oder schuldig, das kann man sich dann aussuchen. Das ist gegen jede Form von Rechtsstaatlichkeit, und ich finde das demokratiepolitisch äußerst bedenklich.

ORF.at: Abgesehen von der Demokratie - was könnte das für die Umwelt bedeuten?

Lechner: Das ist ganz einfach: Wenn nach zwölf Monaten jede Straße genehmigungsfähig ist, egal, wie sehr sie dann tatsächlich die Umwelt beeinträchtigt oder nicht, oder jedes Großbauvorhaben, dann wird die Umwelt sukzessive zerstört. Das ist vollkommen klar.

ORF.at: Sind Ihnen größere Projekte in Erinnerung, wo die UVP länger gedauert hat als zwölf Monate, und die dann nicht genehmigt worden sind?

Lechner: Es gibt vom Umweltbundesamt eine UVP-Datenbank. Da sind gegenwärtig 380 Projekte verzeichnet, und nur lediglich 13 Fälle, das sind drei Prozent, sind als nicht bewilligt geführt. Was aber nicht heißt, dass diese Verfahren nicht in der einen oder anderen Weise wieder begonnen wurden und dann genehmigungsfähig waren.

Ein längeres Verfahren betraf etwa die S1, die Wiener Außenringschnellstraße. Da gab es etwa eine Trassenverordnung, die durch den Verfassungsgerichtshof letztlich aufgegeben wurde. Das Verfahren hat dadurch sicherlich länger gedauert. In aller Munde ist auch die Erweiterung des A1-Ringes in Spielberg, wo es länger gedauert hat, weil ein Genehmigungsbescheid vorgelegen ist, der durch den Umweltsenat in der Steiermark aufgehoben wurde.

Bei richtig großen Verfahren wie zum Beispiel jenes zum Wiener Lobautunnel sieht man eindeutig, was eigentlich momentan die Rechtsmeinung ist, auch vom Bundesverwaltungsgerichtshof. Das hat zwar lange gedauert, aber mit den eingegangenen Auflagen und allen Bescheiden und Stellungnahmen kann man davon ausgehen, dass dieses große und lange Verfahren letztendlich positiv im Sinne der Antragsteller beschieden wird.

ORF.at: Das heißt, es geht bei der UVP nicht nur darum, den Daumen zu heben oder zu senken, sondern ein Projekt kann aufgrund der UVP durch Umweltauflagen verbessert werden und dann durchgeführt werden?

Lechner: Natürlich! Das ist genau der Sinn der Umweltverträglichkeitsprüfung, dass man sehr gewissenhaft prüft: Was geht an diesem Standort, was geht in dieser Region, und welche Auflagen sind letztendlich aus gesetzlicher Sicht und aus rechtlicher Sicht des generellen Schutzes der Natur und der Umwelt möglich - und auch zumutbar für den Antragsteller. Dann werden Änderungen am Projekt implementiert. Danach ist das Projekt in der Regel genehmigungsfähig.

Es wird geschaut: Was sind bedrohliche Aspekte von einem Vorhaben, und was könnten Maßnahmen sein, die diese Beeinträchtigungen für die Umwelt minimieren oder sogar neutralisieren? Mit dem UVP-Verfahren sind Verbesserungen möglich, wodurch ein an sich nicht genehmigungsfähiges Projekt durch die Einhaltung diverser Auflagen genehmigungsfähig wird. Und die wenigen, die dann nicht genehmigt wurden oder werden, dürften erhebliche Mängel gehabt haben.

ORF.at: Die UVP bringt der Umwelt also nicht nur in den drei Prozent der nicht genehmigten Projekte etwas, sondern es werden auch im Fall der Vielzahl der genehmigten Projekte positive Maßnahmen ergriffen?

Lechner: Natürlich.

ORF.at: Vertreter von Industrie und Wirtschaft haben nach dem negativen Bescheid für die dritte Piste des Flughafens Wien-Schwechat gefordert, dass in standortrelevanten Fragen, wie sie das nennen, Wirtschaft vor Umwelt gehen soll. Jetzt arbeiten sie im Ökologieinstitut und haben einen breiten Überblick über die Thematik. Wirtschaft vor Umwelt - was halten Sie von so einem Dogma?

Lechner: Dieses Dogma wirft uns zurück in die Steinzeit der Diskussionen über die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft. Wir haben die Finanzkrise weitgehend bewältigt, die Konjunktur zieht an, die Arbeitslosigkeit geht zurück. Es ist für mich nicht verständlich, dass gerade in dieser Phase gesagt wird: So, jetzt müssen wir zum Schutz der Arbeit und des Wirtschaftswachstums auch Verluste in der Umwelt in Kauf nehmen. Das ist nicht tragbar. Denn bei den meisten Bau- und Investitionsprojekten sind Umweltschutz und Nachhaltigkeit eigentlich sehr gut vereinbar.

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