„Intuitives Leben ist auch gut fürs Klima“
Annabel Gschwandtner, 21, studiert in Wien Landschaftsarchitektur. Sie und ihre Freunde gehen gerne auch barfuß durch die Stadt - ohne ein Dogma daraus abzuleiten. Im Gespräch mit ORF.at erklärt die Wienerin, wie ihr das Barfußgehen hilft, in der Stadt den Kopf frei zu bekommen.
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ORF.at: Frau Gschwandtner, wann sind Sie das letzte Mal barfuß durch die Stadt gegangen?
Annabel Gschwandtner: Vor einer Stunde. Ich wollte mit meinem Hund raus und hatte kein Bedürfnis, mir Schuhe anzuziehen. Das war angenehm, weil ich vorher gearbeitet habe und den Kopf frei bekommen wollte. Das Barfußgehen – wenn ich einfach alles unter den Füßen spüre - hilft mir zu einer stärkeren Körperwahrnehmung.
ORF.at: Haben Sie sich dabei auch in richtig urbanen Zonen bewegt?
Gschwandtner: Ja, ich bin in der Brigittenau über den Wallensteinplatz gegangen – Richtung Augarten. Es reizt mich schon mehr, in der Stadt barfuß zu gehen, wenn ich weiß, dass ich mich auf eine Grünfläche zubewege.
ORF.at: Das Gehen auf Pflaster und Asphalt macht keinen Spaß?
Gschwandtner: Doch. Auch das macht mir mehr Spaß als mit Schuhen – außer an diesen 36-Grad-Tagen (lacht). Aber, wenn ich einen Alltagsweg einfach nur durch die Stadt gehen würde, dann würde es mich abschrecken. Zum Beispiel mit den ‚Öffis‘ zu fahren. Das habe ich noch nie gemacht.
ORF.at: Wie reagieren die Leute?
Gschwandtner: Mir sind keine großartigen Reaktionen aufgefallen. Außer einmal, das war ganz süß – da ist ein Vater mit einem dreijährigen Mädchen vorbeigegangen. Das hat gefragt: Wieso hat die Frau keine Schuhe an? Da hat der Papa geantwortet: Weil sie es so angenehmer findet, wahrscheinlich. Da habe ich mir gedacht: Genau so ist es.
ORF.at: Machen das viele Leute in Ihrem Freundeskreis?
Gschwandtner: Ja. Gestern hat mich eine Freundin auf einem Spaziergang begleitet. Ohne Schuhe. Wir sind von der Stadt kommend in den Prater gegangen, hatten erst Asphalt, dann Sand-, dann Erdwege.
ORF.at: Fühlt man sich auch schutzlos, wenn man ohne Schuhe in der Stadt unterwegs ist?
Gschwandtner: Nein. Das würde ich nicht sagen. Im Sinne von Verletzlichkeit? Nein. Ich sehe ja, was auf dem Boden liegt und wo ich hintrete.
ORF.at: Gibt es für Sie beim Barfußgehen auch eine politische oder gesellschaftliche Komponente?
Gschwandtner: Na ja, vielleicht ist es ein unterschwelliger Akt der Rebellion. Dass ich mich traue, mich so zu bewegen, wie ich es gerade lieber mache. Dass mir wichtiger ist, was ich empfinde, als das, was die Leute über mich denken.
ORF.at: Sie studieren Landschaftsplanung. Wie prägt das Barfußgehen ihre Stadtwahrnehmung in dieser Hinsicht?
Gschwandtner: Durch mein Studium ist Stadtwahrnehmung ein großes Thema für mich: Man merkt durch das Barfußgehen schon stark die Materialien, die verbaut sind. Natürliche Materialien sind wesentlich angenehmer zum Gehen. Naturstein zum Beispiel. Wenn man von Naturstein auf Asphalt wechselt, spürt man den Kontrast. Aber mir ist schon klar, dass ich als Landschaftsarchitektin vor allem für schuhtragende Menschen planen werde (lacht).
ORF.at: Wenn mehr Menschen barfuß gehen würden in der Stadt, wie müsste man die Stadt umgestalten?
Gschwandtner: Die Menschen würden den Boden nicht mehr so verunreinigen, man würde bewusst auf die Umgebung achten. Es würde mehr glatte Untergründe geben: Ich merke, dass dieser poröse Asphalt bei längerem Gehen an den Füßen wehtut. Pflasterbelag wäre da eine schöne Lösung. Wenn der Boden große Unebenheiten hat, dann wird es wieder angenehmer zum Gehen. Also zum Beispiel die Ritzen zwischen Steinplatten fühlen sich gut an. Wahrscheinlich würde es auch wieder mehr Kopfsteinpflaster geben.
ORF.at: Das trifft sich ja mit der Forderung von Stadtarchitekten in Zeiten des Klimawandels: Mehr Ritzen und Fugen schaffen, um den Boden wieder atmen zu lassen, oder?
Gschwandtner: Auf jeden Fall. Da scheitert es wahrscheinlich an der Effizienz. Aber für die Gesundheit wäre es in jeder Hinsicht besser, wenn es mehr nicht versiegelte Böden gäbe. Derzeit liegt halt leider der Fokus bei den meisten Menschen darauf, schnell von A nach B zu kommen. Aber der Wallensteinplatz in Wien ist ein gutes Beispiel: Der funktioniert einfach sehr gut. Wegen des Brunnens ziehen sich Kinder und Erwachsene im Sommer hier die Schuhe aus und kühlen sich ab. – Wenn man grundsätzlich in der Stadt intuitiver leben würde, dann hätte man weniger stadtklimatische Probleme. Wenn man darauf achten würde, welche Materialien und Umgebungen für den eigenen Körper am wohltuendsten sind.
ORF.at: Wie geht Ihr Freundeskreis damit um, dass Sie oft barfuß unterwegs sind?
Gschwandtner: Das ist kein Thema – wenn man Lust drauf hat, dann macht man das. Manche tun’s mir auch gleich.
ORF.at: Was ändert das Barfußgehen an der Laufhaltung?
Gschwandtner: Ich habe durchs Barfußgehen die Gangart umgestellt. Ich trete nicht zuerst mit der Ferse auf, sondern mit dem Ballen. Seitdem ich so auch Laufen gehe, habe ich so gut wie keine Knieprobleme mehr.
ORF.at: Ist Ihnen schon mal etwas Unangenehmes passiert, als Sie barfuß unterwegs waren?
Gschwandtner: Ja. Ich bin mal auf eine Nacktschnecke gestiegen. Da stellt sich natürlich die Frage, für wen von uns beiden dieses Erlebnis unangenehmer war.
Das Gespräch führte Maya McKechneay, für ORF.at