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Außensicht mit Innenwirkung

Was ist von Studien wie jener der Unternehmensberatung Mercer und jener des Magazins „Economist“ zu halten? ORF.at hat mit Thomas Madreiter gesprochen, dem Planungsdirektor der Stadt Wien - was keine politische Funktion, sondern eine auf Verwaltungsebene ist. Wie zu erwarten findet er, dass Wien auf einem guten Weg ist.

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ORF.at: Bei solchen Studien gibt es immer zwei Lesarten: 1) Das spiegelt nur die Sicht von Managern wieder, in Wahrheit ist alles ganz schrecklich. 2) Die Wiener sind grantige Suderanten und beschweren sich dauernd, obwohl sie in der allertollsten Stadt leben. Was stimmt?

Madreiter: Solche Studien stellen eine von Wien unbeeinflusste Außensicht dar. Das gilt auch für Mercer. Das machen nicht wir, das macht jemand anderer. Es repräsentiert immer auch einen internationalen Vergleich, wo Wien gut aussteigt. Und wir dürfen nicht vergessen, dass Wien im globalen Wettbewerb um die besten Köpfe solche Bewertungen benötigt.

Ich würde auch nicht sagen, dass die Wiener über die Lebensqualität in Wien sudern. Ein hohes Maß an Kritik kann man auch als Wertschätzung interpretieren. Dem Wiener liegt einfach am Herzen, wie es in Wien ausschaut und wie in Wien die Dinge funktionieren. Kritik ist notwendig, das halte ich für etwas Positives.

ORF.at: Würden Sie sagen, dass so eine Studie die Lebensqualität für die Wiener bewertet, die hier leben?

Madreiter: Selbstverständlich. Aber eben aus einer Außenperspektive, die aus einem internationalen Vergleich heraus operiert. Natürlich sind das nie zu 100 Prozent gültige Wahrheiten, nur darf man nicht vergessen: Gerade in der Urlaubszeit machen viele die Erfahrung, dass man sich im Ausland bewegt und oft feststellt: Na, so schlecht funktioniert das gar nicht bei uns. Das eine oder andere ist in Wien besser geregelt. In Wahrheit machen solche Studien nichts anderes.

ORF.at: Es wird in verschiedenen Kriterien gemessen. Ich möchte Sie dazu mit jeweils einem stereotypen Satz konfrontieren. Ich fange mit Bildung an: Es kann keiner mehr Deutsch in den Schulen, die Lehrer sind völlig am Verzweifeln.

Madreiter: Das ist natürlich eine völlige Zuspitzung. Wien ist herausgefordert als Stadt, die derzeit eine hohe Leistung an Integration für Migranten und Flüchtlinge zu bewältigen hat. Die Zuspitzung ist emotional formuliert und hält keinem internationalen Vergleich stand. Wir haben eine Herausforderung und werden sie bewältigen.

ORF.at: Verkehr. Den Autofahrern werden nur Prügel in den Weg geworfen, es wird alles immer teurer und schlimmer.

Madreiter: Es gibt keine Großstadt, in der so kostengünstig und umweltschonend die persönliche Mobilität organisiert werden kann wie in Wien. Selbst als Autofahrer empfehle ich: Fahren Sie einmal quer durch Deutschland, dann werden Sie den Unterschied schon sehen.

ORF.at: Sicherheit: Man kann sich nicht mehr auf die Straße trauen, weil man ständig damit rechnen muss, von „Asylanten“ vergewaltigt oder erschlagen zu werden.

Madreiter: Dann, würde ich sagen, schauen Sie möglicherweise zu viele Krimiserien. Lesen Sie die Kriminalstatistik des Innenministeriums, gerade aktuell wieder herausgekommen. Sie werden feststellen, dass die allermeisten Delikte im Abnehmen begriffen sind.

ORF.at: Terror: Die Islamisierung schreitet voran, die Werte der Aufklärung sind nichts mehr wert, und die Terrorgefahr vonseiten radikaler Islamisten ist enorm.

Madreiter: Es gibt zweifelsfrei eine Terrorgefahr von radikalen Islamisten, das ist keine Unterstellung. Da hat Wien aber angemessen reagiert und macht damit weiter. Sie werden bemerken, dass etwa im Bereich des Rathauses oder des Bundeskanzleramtes, und es werden weitere Bereiche folgen, bauliche Vorkehrungen getroffen wurden. Da rede ich noch überhaupt nicht von den Maßnahmen, die im sozialen und im Bildungsbereich gesetzt wurden. Es gibt ein Risiko, Wien setzt sich damit auseinander, dramatisch ist das Risiko nicht.

ORF.at: Gesundheit: Die Zweiklassenmedizin schreitet voran, Menschen vegetieren auf Gangbetten vor sich hin.

Madreiter: Tatsächlich ist es so, dass der Wiener medizinische Standard ein extrem hoher ist. Es ist vielmehr so, dass sogar international Menschen nach Wien kommen, um sich behandeln zu lassen, auch aus ganz Österreich, wenn es wirklich wichtig ist. Da hat natürlich auch mit dem hohen Standard des AKH zu tun.

Selbstverständlich kommt es in der Feinjustierung zu kleineren, manchmal auch größeren Problemen, die sich in Gangbetten manifestieren. Ich glaube, es ist mehrfach dargelegt worden, dass hier gegengesteuert wird. Ich ersuche aber auch um Verständnis. Das KH Nord wird nächstes Jahr in Betrieb gehen. Natürlich macht es einen Unterschied, ob ich eine solches Krankenhaus schon in Betrieb habe.

ORF.at: Soziale Sicherheit: Die Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auseinander. Vor allem für echte Österreicher bleibt überhaupt kein Geld mehr.

Madreiter: Dem ist entgegenzuhalten, dass dem internationalen Trend gegengesteuert wird. Gerade im internationalen Vergleich darf ich auf den Bereich des sozialen Wohnbaus verweisen. Wir finden hier ein extrem hohes Maß an Leistbarkeit vor. Klarerweise ist die Wirtschaftskrise mit Phänomenen wie Bodenspekulationen nicht spurlos an Wien vorübergezogen. Da verweise ich aber auf eine Pressekonferenz der Wiener Stadtpolitik, dass hier mit einer neuen Widmungskategorie gegengesteuert wird. Da ist Wien auf einem guten Weg, gerade im internationalen Vergleich.

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