Themenüberblick

Kurse rapide gesunken

Die Krise der türkischen Währung hat sich weiter verschärft. Am Freitag verlor die türkische Lira alleine gegenüber dem Dollar um um bis zu 23 Prozent an Wert. Vorausgegangen war dem Kursverfall ein Tweet von US-Präsident Donald Trump, im dem er erklärte, Strafzölle auf Stahl und Aluminium aus der Türkei würden verdoppelt.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Trump teilte auf Twitter mit: „Ich habe gerade die Verdopplung der Zölle auf Stahl und Aluminium aus der Türkei genehmigt, da ihre Währung, die türkische Lira, rasch gegenüber unserem sehr starken Dollar fällt!“ Und weiter: „Unsere Beziehungen mit der Türkei sind derzeit nicht gut!“

Das Verhältnis der beiden NATO-Partner wird derzeit durch eine ganze Reihe von Streitfragen belastet, darunter die Inhaftierung des US-Pastors Andrew Brunson. Die US-Regierung hatte in der Vorwoche Sanktionen gegen zwei türkische Minister verhängt, nachdem ein Gericht das Verfahren gegen den evangelikalen Geistlichen aufrechterhalten hatte. Ein hochrangiges Treffen am Mittwoch in Washington hatte keine Annäherung zwischen den Ländern gebracht.

Türkei kündigt Vergeltung an

Die Türkei kündigte Freitagabend Vergeltung an. In einer Stellungnahme aus dem Außenministerium hieß es, die USA sollten wissen, dass sie Kooperation nicht mit Sanktionen und Unterdrückung erreichen könnten. Sie schadeten der Beziehung zwischen der Türkei und den USA. Es werde auf alle Schritte gegen die Türkei eine Antwort geben, hieß es in dem Schreiben weiter.

Gleichzeitig ist die Türkei offenbar intensiv um eine Verhandlungslösung bemüht. „Wiederholte Bemühungen, der US-Regierung klarzumachen, dass keines der für die Zollerhöhungen genannten Kriterien auf die Türkei zutrifft, blieben fruchtlos“, sagte Handelsministerin Ruhsar Pekcan am Freitag. „Trotzdem, wir flehen Präsident Trump an, an den Verhandlungstisch zurückzukehren.“ Der Streit könne und solle durch Dialog und Zusammenarbeit beigelegt werden.

Erdogan-Aussagen beschleunigen Kursverfall

Bereits Freitagfrüh hatte die Lira nach Äußerungen des türkischen Staatschefs Recep Tayyip Erdogan stark an Wert verloren. Erdogan hatte am Donnerstagabend bei einer Kundgebung in Rize angedeutet, dass er keinen Bedarf für eine Intervention gegen den Verfall der Währung sehe. Bei einer Rede in Bayburt rief er dann am Freitag zum „nationalen Kampf“ gegen einen „Wirtschaftskrieg“ auf, mit dem die Türkei konfrontiert sei.

Für die Talfahrt der Lira machte er eine „Zinslobby“ verantwortlich. Der Präsident appellierte an die Türken, ihre Devisen in Lira umzutauschen, um deren Kurs zu stützen. „Wenn Ihr Dollar, Euro oder Gold unter dem Kopfkissen habt, geht zur Bank und tauscht es in türkische Lira. Das ist ein nationaler Kampf“, sagte Erdogan bei der Kundgebung in Bayburt.

Nachdem bereits in der Früh erstmals die Marke von sechs Lira zum Dollar erreicht worden war, stürzte die türkische Währung während einer Rede Erdogans weiter ab und erreichte die Marke von 6,23 Lira und wenige Stunden später von 6,62 Lira zum Dollar bis hin zu 6,8 Lira. Auch im Handel mit dem Euro ging es rasant abwärts - erstmals wurden mehr als sieben Lira für einen Euro gezahlt. Am Vormittag kostete ein Euro zeitweise 7,2254 Lira, später dann rund 7,6 Lira. Zum Vergleich: Zu Beginn des Jahres waren es 4,50 Lira. Am Abend kosteten Dollar und Euro noch 6,4092 und 7,3064 Lira.

Finanzminister versucht zu beruhigen

Freitagnachmittag versuchte der türkische Finanzminister und Schwiegersohn Erdogans, Berat Albayrak, die Situation zu beruhigen. Albayrak sicherte der Zentralbank des Landes neuerlich die volle Unabhängigkeit zu. Das sei entscheidend für die Wirtschaft, sagte der Minister. Die Türkei sei dazu übergegangen, sich zur Geldpolitik und zur Zentralbank nur sehr vorsichtig zu äußern. Zudem kündigte Albayrak an, die Regierung werde noch stärker auf Haushaltsdisziplin achten und ein Hauptaugenmerk auf Strukturreformen legen.

EZB sorgt sich um europäische Banken

Einem Medienbericht zufolge sorgt sich inzwischen auch die Europäische Zentralbank (EZB) um Bankhäuser mit starkem Engagement in der Türkei. Vor allem Großbanken wie die spanische BBVA, die französische BNP Paribas und die italienische UniCredit stünden deshalb unterer besonderer Beobachtung, berichtete die „Financial Times“ („FT“). Die EZB verfolge die Situation schon seit einigen Monaten.

Allein die deutschen Banken haben in der Türkei rund 21 Milliarden Euro im Feuer. Die deutsche Bundesbank bezifferte am Freitag die Gesamtforderungen der Kreditinstitute im Juni auf 20,77 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Gegenüber dem Euro-Land Griechenland sind es den Angaben zufolge 19,17 Milliarden Euro. Betroffen ist auch die Bank-Austria-Mutter, die italienische UniCredit. Sie hält über 40 Prozent an der türkischen Bank Yapi Kredi.

Die europäischen Leitbörsen gerieten am Freitag unter Druck, nicht zuletzt wegen des Verfalls der Lira, und dabei vor allem die Banken. Im Euro-Stoxx-50 schlossen die Großbanken BBVA mehr als fünf Prozent tiefer, und BNP Paribas rutschte knapp drei Prozent ab. UniCredit büßte in Mailand 4,7 Prozent an Wert ein. Auch die Aktien der Deutschen Bank rutschten um vier Prozent ab.

Politischer Druck auf Erdogan wächst

Die wirtschaftlichen Probleme der Türkei sind großteils hausgemacht. Der wachsende Einfluss von Erdogan auf die eigentlich unabhängige Zentralbank machte internationale Investoren nervös. Die Inflation in der Türkei ist auf mehr als 15 Prozent gestiegen, das Leistungsbilanzdefizit vergleichsweise hoch. Währungseffekte verhageln etlichen türkischen Unternehmen mittlerweile die Bilanz. Einige bekamen zuletzt auch deutlich schlechtere Bonitätsnoten.

Für Erdogan wird die Lage auch politisch gefährlich: Seinen Aufstieg hatte er dem von ihm mitverantworteten Aufstieg der türkischen Wirtschaft zu verdanken - und genau dieser Effekt kann sich auch wieder umkehren. Schon seine Wahl zum Präsidenten mit seinen erweiterten Kompetenzen und die damit verbundene Furcht vieler Anleger, das Land könnte noch autokratischer werden, hatte sich in dem Währungskurs negativ niedergeschlagen.

Links: