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Mögliches Instrument gegen US-Strafzölle

Klimazölle, also Zölle auf Importe, bei deren Herstellung mehr CO2 anfällt als in europäischer Produktion, werden von Fachleuten in Europa seit Langem diskutiert. In Österreich hat das Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) Modelle durchgerechnet. Mit CO2-Zöllen würden gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen.

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Sauber erzeugte Importprodukte würden billiger, während sich „schmutzige“ verteuern würden. Auch würde so das EU-Budget gespeist. CO2-Zölle - als Begleitmaßnahme zum bestehenden EU-Emissionshandel - würden an der EU-Außengrenze bei der Gütereinfuhr auf die Menge an Treibhausgasemissionen eingehoben, die durch die Erzeugung eines bestimmten Produkts verursacht wird.

Je nach Ausgestaltung könnte etwa im Jahr 2027 ein „CO2-Importzoll“ von etwa 100 Euro pro Tonne Kohlendioxid bei angenommener gleichbleibender CO2-Intensität der importierten Produkte zwischen 70 und 180 Mrd. Euro einbringen. Das rechneten die Fachleute des WIFO, Margit Schratzenstaller, Alexander Krenek und Mark Sommer, vor. Diese Summen entsprächen im Jahr 2027 einem Drittel bis 90 Prozent des von der EU im Mai vorgeschlagenen Jahresbudgetrahmens.

Beträchtliche Einnahmen möglich

Drei Modelle einer solchen Klimaabgabe hat das WIFO erhoben. In allen drei Szenarien wurden gleiche linear ansteigende Importzölle von nominell 36 Euro je Tonne (2018) bis nominell 400 Euro je Tonne im Jahr 2050 angesetzt. Variiert wurde nur bei der durchaus komplexen Berechnung, wie viel Treibhausgas im importierten Produkt „steckt“.

Container in Long Beach, Kalifornien

APA/AFP/Frederic J. Brown

Containerterminal in Long Beach, Kalifornien: Die Einführung von Klimazöllen könnte der EU Milliardeneinnahmen bringen

Eines der Modelle („Elec only“), das allerdings nicht besonders umfassend ist, stellt nur auf den direkten und indirekten Einsatz von Strom zur Herstellung der importierten Güter und die damit verbundenen CO2-Emissionen ab. Hier steht der relativ gut bekannte Brennstoffmix bei der Stromerzeugung der jeweiligen Länder im Mittelpunkt der Rechnung. Das wäre die billigste Bemessungsmethode.

In der teuersten Rechenvariante könnten die Einnahmen hochgerechnet auf das Jahr 2050 bei 400 Euro je Tonne Importzoll bei mehr als 900 Milliarden Euro liegen. In der billigsten Variante wäre es etwa halb so viel. In allen drei Szenarien wären die Einnahmen beträchtlich, schreibt das WIFO.

Firmenabwanderung könnte verhindert werden

Für die Umwelt hieße das: Derartige Klimaabgaben könnten verhindern, dass Betriebe in Länder außerhalb der EU abwandern, in denen es weniger hohe Umweltauflagen gibt. Damit würden auch Ungleichgewichte im Wettbewerb ausgeglichen. Effekt für die Staatsfinanzen: Die Einnahmen könnten einen Großteil des EU-Budgets finanzieren - was es den Mitgliedsstaaten wieder ermöglichen würde, ihre Beiträge zum EU-Budget zu reduzieren.

Gemeinsame Anstrengung der EU nötig

Naturgemäß könne das nur eine gemeinsame Aktivität der EU sein und kein nationaler Alleingang, sagte WIFO-Experte Sommer zur APA. Durch frische Einnahmen frei werdende Gelder könnten von den Mitgliedsstaaten dann aber selber verwendet werden, zum Beispiel für Lohnnebenkostensenkungen. Es könnten also die Abgaben auf Arbeit verringert werden.

Auch wären in den Augen der WIFO-Experten Einnahmen aus CO2-Zöllen etwaigen Erhöhungen der nationalen Beiträge zur Finanzierung der „Brexit-Lücke“ oder der von der EU-Kommission geplanten Aufstockung des EU-Budgets vorzuziehen. Das WIFO erinnerte daran, dass in der EU der Importanteil an der Wirtschaftsleistung in der Vergangenheit gestiegen ist. Dieser Trend dürfte sich in den Augen der Fachleute im Großen und Ganzen fortsetzen. Der Anstieg des Importanteils würde durch die Einhebung eines CO2-Importzolls bis 2050 nur „schwach“ gedämpft.

Kritik an „Ökoimperialismus“

Diskussionen über die Einführung von Klimazöllen auf EU-Ebene gab es immer wieder. Vor der Klimakonferenz in Kopenhagen 2009 brachte die französische Regierung Klimazölle ins Spiel. Der Vorstoß zielte auf China und Indien ab - beide Staaten sollten so zu verbindlichen Einschränkungen ihrer CO2-Emissionen gedrängt werden.

Einigung konnte damals keine erzielt werden. Aus der damaligen deutschen Regierung kam harte Kritik am Vorschlag aus Paris: „Ein Klimazoll wäre nichts weniger als eine neue Form von Ökoimperialismus, wir würden unsere Märkte abschotten“, sagte der deutsche Umweltstaatssekretär Matthias Machnig laut „Frankfurter Allgemeiner Zeitung“ damals. Das Misstrauen der Schwellen- und Entwicklungsländer gegenüber der EU und den anderen Industrienationen sei auch so schon groß genug.

„Protektionismus und Klimawandel“

Mit der Einführung von US-Strafzöllen auf europäische Waren und der Rücknahme von Klimaschutzmaßnahmen durch die US-Regierung könnten sich Klimazölle unterdessen als Vergeltungsmaßnahme Brüssels gegen Washington eignen. Dabei ließen sich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, sagte Michael Mehling, Vizedirektor des Center for Energy and Environmental Policy Research (CEPR) am MIT in den USA, dem „Standard“: „Protektionismus und Klimawandel“.

„In den nächsten beiden Jahren wird es hektische Aktivitäten zum Freihandel und Klimawandel geben“, schrieben Mehling und drei weitere Koautorinnen und -autoren unlängst in einem Beitrag im Wissenschaftsmagazin „Nature“. „Nun ist der perfekte Zeitpunkt, die beiden Themen zusammenzuführen.“ In den USA folge die Klimapolitik einer Pendelbewegung, falle derzeit gegenüber Europa aber zurück, führte Mehling gegenüber dem „Standard“ aus. Das könne sich nach der Präsidentschaft von Donald Trump wieder ändern, aber: „Klimazölle würden einen Anreiz schaffen, dass die USA mittelfristig dabeibleiben und nicht ihr derzeitiges ,Wir sind weg, wir sind wieder da‘-Spiel fortsetzen.“

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