„Was zum Teufel ...“
Nachdem die Oscar-Akademie am Mittwoch bekanntgegeben hat, eine Blockbuster-Kategorie einzuführen und die Verleihung zu verkürzen, indem man die vielen „kleineren“, aber in cineastischer Hinsicht wichtigen Preise in die Werbepause verräumt, schäumt die Filmwelt.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Früher waren die Oscars bunt gemischt. Kassenschlager wie „Vom Winde verweht“ (1940) und „Rocky“ (1977) wurden prämiert, aber auch „Hamlet“ (1948) und Woody Allens „Stadtneurotiker“ (1978). In den 80er Jahren reüssierten Blockbuster zu schwierigen Themen, eine Art Zwischenformat, etwa „Gandhi“ (1983), „Platoon“ (1987) und „Rain Man“ (1989).
Dann folgte eine Zeit, in der der Oscar nach und nach seine künstlerische Relevanz verlor und ein Spiegelbild der Kinokassenrangliste wurde. „Der mit dem Wolf tanzt“ (1991) wurde genauso prämiert wie „Braveheart“ (1996), „Titanic“ (1998), „Gladiator“ (2001) und schließlich „Der Herr der Ringe: Die Rückkehr des Königs“ (2004). Was nicht heißt, dass alle diese Filme ohne künstlerischen Wert sind. In erster Linie jedoch waren sie Kassenschlager.

AP/Mark Ralston
Die Verleihung der Oscars 2018: Viel Pomp, Humor und Filmkunst - auf vier Stunden verteilt
Langweilt der TV-Klassiker?
Das Blatt schlug um, und deshalb stöhnen Vertreter der Industrie. Hinter vorgehaltener Hand kritisieren sie, dass nur künstlerische Filme mit Special-Interest-Themen in der wichtigsten Kategorie gewinnen würden, Filme, die dem Massenpublikum völlig egal sind. Prämiert wurde etwa mit „The Artist“ (2012) ein französischer Stummfilm, dann das in vielerlei Hinsicht gewagte, experimentelle „Birdman“ (2013) und zuletzt Guillermo del Toros „Shape of Water – Das Flüstern des Wassers“.
Der Sender ABC, der die Gala ausstrahlt, gehörte hinter den Kulissen zu den Hauptkritikern, wie „Variety“ schreibt. Alleine die letzte Oscar-Show brachte im Vergleich zum Vorjahr um satte 19 Prozent weniger Quote ein. Fast vier Stunden hatte die Show gedauert, zahlreiche Filme mit künstlerischem Anspruch wurden prämiert. Das langweile besonders das junge Publikum, hieß es sinngemäß.
Rückfall in „Braveheart“-Zeiten?
Die alte Frage, die hinter der neu aufgeflammten Debatte steht: Gelten kommerziell erfolgreiche Filme automatisch als „schlecht“ und werden deshalb bei den Oscars benachteiligt? Ist es also nicht nur im Sinne der TV-Publikumsmaximierung wichtig, eine Blockbuster-Kategorie einzuführen, damit auch gut gemachtes Massenkino zu seinem Recht kommt? Oder droht ein Rückfall in „Titanic“- und „Braveheart“-Zeiten? Kann Kommerz Kunst sein und umgekehrt?
Owen Gleiberman, Chefkritiker bei „Variety“, schrieb eine Kampfansage unter dem Titel: „Popular Film Category Violates Everything the Oscars Are Supposed to Be About“. Er spricht wie einige andere Kommentatoren und Filmschaffende von einer eigens für 2019 geschaffenen „Black Panther“-Kategorie. Endlich sollen auch die Superheldenfilme, die die Massen in die Kinos locken, prämiert werden. Dabei hätte gerade „Black Panther“ mit seinem schwarzen Cast ohnehin als Anwärter auf den Preis für den besten Film gegolten.
„Was zum Teufel denkt sich die Akademie?“
Die „Süddeutsche Zeitung“ hat weitere Reaktionen zu den geplanten Neuerungen zusammengetragen. Das „Time Magazine“ habe etwa ausgeführt, es sei ein schwacher Versuch der Akademie, mit dem neuen Oscar die „großen Geldverdiener“ zu ehren, „als wäre Geld in Hollywood nicht eine eigene Auszeichnung“. Der „Rolling Stone“ sezte nach: „Was zum Teufel denkt sich die Akademie?“ Auch zahlreiche Filmemacher und Schauspieler meldeten sich zu Wort, etwa Rob Lowe: „Mit der Ankündigung eines ‚Populärer Film‘-Oscars ist heute das Filmgeschäft gestorben. Es war seit Jahren bei schlechter Gesundheit.“
Es gibt aber auch Verteidiger der neuen Regeln. Scott Feinberg vom „Hollywood Reporter“ kritisierte seinerseits die Kritik an der Entscheidung der Akademie: „Manche werden sich beschweren, dass so eine neue Kategorie den Oscar entwerte, er werde dadurch eher ein Publikumspreis, eine Art ‚MTV Movie & TV Award‘, aber das ist ein Denkmuster der Welt von gestern.“ In jüngster Zeit sei die Kluft zwischen Blockbustern und Oscar-Gewinnern nie größer gewesen. Die Oscar-Akademie versuche also nur, die Realität abzubilden.
Die Reformen im Detail
Im Detail sehen die Reformen wie folgt aus, wie Akademie-Präsident John Bailey und -Generalsekretärin Dawn Hudson in einer E-Mail an die Mitglieder der Academy schrieben: Die Show soll künftig nur noch drei Stunden dauern. Die 90. Oscar-Verleihung vergangenen März hatte drei Stunden und 54 Minuten gedauert - und damit fast die bisherige Rekordlänge erreicht, die 2002 mit vier Stunden und 20 Minuten erzielt wurde.
Die Länge der Gala in Hollywood bedeutet, dass das in den östlichen Landesteilen der USA lebende Fernsehpublikum wegen des Zeitunterschieds die Verleihung der wichtigsten Preise erst sehr spät am Abend zu sehen bekommt. Die Verkürzung will die Akademie erreichen, ohne Preise zu streichen. Manche Auszeichnungen sollen künftig während der Werbepausen verliehen werden. Später während der Übertragung soll ein kurzer Zusammenschnitt dieser Ehrungen gezeigt werden.
Bester Blockbuster kann auch bester Film sein
Auch will die häufig des Snobismus gescholtene Akademie mit der neuen Preiskategorie der „herausragenden Leistung im populären Film“ den Massengeschmack stärker berücksichtigen. Die Kriterien für diese Auszeichnungen wurden aber noch nicht festgelegt. Die Academy stellte aber klar, dass nach der Reform die doppelte Auszeichnung eines Films mit den Preisen sowohl für den besten populären Film als auch für den besten Film des Jahres möglich ist. Mit der neuen Kategorie werden künftig insgesamt 25 Oscars pro Jahr verliehen.
Preisverleihungssaison wird kürzer
Als dritte große Neuerung gaben Bailey und Hudson bekannt, dass der Termin der Gala ab übernächstem Jahr vorverlegt werden soll. Bisher finden die Preisverleihungen Ende Februar oder Anfang März statt, für 2020 wurde der Termin auf den 7. Februar festgesetzt.
Auf diese Weise soll der zeitliche Abstand zu den vorherigen anderen Filmpreisverleihungen in den USA verkürzt werden. Besonders die rund zweimonatige Pause zwischen den Golden Globes und den Oscars wird häufig als unnötige Verlängerung der Preisverleihungssaison kritisiert.
Links: