Absturz an der Börse trotz mehr Umsatzes
In nur drei Monaten hat der Kurznachrichtendienst Twitter rund eine Million Nutzerinnen und Nutzer verloren. Das gab Twitter-Chef Jack Dorsey Ende Juli bekannt, der Aktienkurs des Unternehmens brach daraufhin ein. Einen Tag zuvor war auch Facebook an der Börse abgestürzt. Beide Unternehmen kämpfen mit ähnlichen Problemen.
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335 Millionen Nutzerinnen und Nutzer verwenden den Kurznachrichtendienst aktiv - und damit weniger als noch im Quartal zuvor. Analysten hatten eigentlich mit einem leichten Anstieg der Zahlen gerechnet. Für die laufenden drei Monate signalisierte die Konzernführung einen weiteren Rückgang auf etwa 330 Millionen Nutzer. Auch das ist weniger als zunächst geschätzt. Anlegerinnen und Anleger reagierten entsprechend schockiert - zeitweise sackte der Kurs um mehr als 19 Prozent ab.

Reuters/Mike Segar
Twitter-Chef Jack Dorsey änderte in den vergangenen Monaten den Kurs des Kurznachrichtendienstes
Kampf gegen Spam und Hetze drückt Userzahl
Der Kurznachrichtendienst räumt momentan seine Plattform auf, um gefälschten Profilen, Spam, Hetze und Falschmeldungen entgegenzuwirken. Das wird von Kritikerinnen und Kritiker seit Längerem immer wieder gefordert. „Wir haben neue Mittel eingeführt, um problematischem Verhalten entgegenzuwirken, das die öffentliche Debatte verzerrt“, so der Twitter-Chef im Hinblick auf Propaganda, die über Twitter in der Vergangenheit verteilt wurde.
Das Unternehmen spricht von „Gesundheitsinitiativen“. Diese hätten derzeit Vorrang vor kurzfristigen Produktoptimierungen, die mehr Nutzerinnen und Nutzer ködern sollen. Nach Darstellung von Dorsey wird sich diese Strategie auch bezahlt machen. So habe die Zahl der täglichen User zuletzt elf Prozent über dem Niveau von vor einem Jahr gelegen. Das zeige, dass der Kampf gegen „Problemverhalten“ Früchte trage.
Facebook kämpft um Vertrauen von Nutzern
Damit ergeht es dem Unternehmen genauso wie dem größeren Konkurrenten Facebook, der nach Vorlage seiner Zwischenbilanz Ende Juli aus ähnlichen Gründen fast 19 Prozent an Börsenwert verloren hatte. In absoluten Zahlen waren das über 120 Milliarden Dollar (102,4 Mrd. Euro), fast das Vierfache der Marktkapitalisierung von Twitter. Und das, obwohl beide Konzerne deutliche Umsatzsteigerungen erzielten. Twitter schaffte im vergangenen Quartal ein Plus von 24 Prozent auf 711 Millionen Dollar und übertraf damit klar die Expertenerwartungen.

AP/CQ Roll/Tom Williams
Seit dem Datenskandal um Cambridge Analytica kämpft Facebook-Chef Mark Zuckerberg um das Vertrauen der User
Doch auch Facebook steht in vielen Ländern unter Druck, stärker gegen Hassbotschaften und Falschmeldungen vorzugehen. Zusätzlich verlor der Konzern von Mark Zuckerberg durch den Datenskandal rund um Cambridge Analytica das Vertrauen vieler Nutzerinnen und Nutzer. Das Beratungsunternehmen wertete ohne Erlaubnis zig Millionen Facebook-Profile aus, die Informationen sollen unter anderem im US-Präsidentschaftswahlkampf verwendet worden sein. In den aktuellen Quartalszahlen wirkte sich das mit einem Rückgang des Nutzerwachstums aus.
Auf den Konzern kommen indes rechtliche Querelen zu: Wie Ende Juli bekanntwurde, hat ein Anteilseigner bei einem Bundesgericht in Manhattan wegen mutmaßlicher Verstöße gegen das Kapitalmarktrecht Klage gegen Facebook und Zuckerberg eingebracht. Der Aktionär strebt eine Sammelklage an und fordert Schadenersatz in nicht genannter Höhe.
Neue Datenschutzverordnung als Herausforderung
Sowohl Twitter als auch Facebook sehen auch die neue EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) als Herausforderung für ihr Geschäftsmodell, wenngleich bei der Präsentation der Facebook-Zahlen betont wurde, dass die DSGVO den Umsatz bisher nicht beeinträchtigt habe. Zuckerberg sagte, es sei ermutigend, dass die große Mehrheit der Nutzer in Europa der weiteren Datenauswertung für personalisierte Werbung zugestimmt habe. Die DSGVO habe jedoch zumindest „etwas Einfluss“ auf das Ergebnis von Twitter gehabt, zitierte der „Guardian“ einen Analysten.
„Wendepunkt“ für Soziale Netzwerke?
„Sowohl Facebook als auch Twitter wurden negativ von ‚Fake News‘, gefälschten Konten und Vorwürfen russischer Einmischung (in die US-Präsidentschaftswahl, Anm.) beeinträchtigt“, so Neil Wilson von Markets.com gegenüber der britischen Zeitung. Doch: „Alle haben gewusst, dass Twitter voller gefälschter Konten war. Warum die Aufräumaktion den Börsenkurs so beeinflusst, ist unverständlich.“
Wilson stellt dennoch die Frage in den Raum, ob Soziale Netzwerke einen „Wendepunkt“ erreicht hätten. „Twitter dürfte besser in Form sein, weil die Bemühungen, mit der Plattform Geld zu verdienen, funktionieren“, so der Analyst. Der Kurznachrichtendienst schreibt seit 2017 schwarze Zahlen. Bei Facebooks Werbemodell sieht Wilson hingegen „fundamentale Bedenken“.
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