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Proteste gegen Reform in Jiangxi

In Jiangxi, einer Provinz im Osten Chinas mit einer Bevölkerung von rund 46 Millionen, gibt es immer wieder Bemühungen, der Platzprobleme Herr zu werden. Die Kampagne, die die Behörden aber nun initiierten, lässt die Wogen hochgehen. Um Platz auf Friedhöfen zu sparen, sollen Tote ab 1. September nur noch kremiert werden. Erdbestattungen sollen dann nicht mehr durchgeführt werden können. Die Proteste sind groß, auch finanzielle Anreize halfen wenig.

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Für die Begräbnisreform von Jiangxi sollten Bewohnerinnen und Bewohner dazu ermutigt werden, verstorbene Angehörige nicht mehr in Särgen zu bestatten, sondern kremieren zu lassen. Sie könnten nicht nur dabei helfen, Platz zu sparen, sondern müssten auch keine teuren Särge mehr bezahlen, so die Argumentation. Die Pläne wurden vor einigen Monaten erstmals vorgestellt, nun geht es in die Umsetzung.

Mit Baggern gegen Holzsärge

Laut „South China Morning Post“ kamen viele Menschen der behördlichen Aufforderung nach, bereits gekaufte Särge teils gegen Entschädigung wieder abzugeben. Viele weigerten sich aber auch. Oftmals kaufen die Menschen in China Särge schon lange im Voraus und lagern sie ein. Viele sparen jahrelang, um sich auf Begräbnisse im Familienkreis vorzubereiten. Die Reform soll nun den traditionellen Ideen von Bestattung ein Ende setzen.

Die kommunalen Beamten gingen bei der Umsetzung der neuen Regeln nicht zimperlich vor: Videos, die in Sozialen Netzwerken veröffentlicht wurden, zeigten, wie die Polizei Privathäuser stürmt, um Särge abzuholen, und wie Arbeiter liebevoll gestaltete Grabmäler auseinandernehmen. Berühmt wurden auch Bilder, auf denen Bagger zu sehen sind, die Tausende Holzsärge zerstören.

Bericht über Exhumierung

Wie die „New York Times“ berichtete, wurde eigens sogar eine Exhumierung vorgenommen. Ein 81-jährig verstorbener Dorfbewohner sei mitsamt seinem Sarg ausgegraben worden. Anschließend seien Gebeine und Sarg kremiert worden.

Der Aufschrei in der Bevölkerung Jiangxis war groß. Während der Beschlagnahmungen von Särgen versuchten Betroffene, die Beamten aufzuhalten. Um ihre Särge zu retten, legten sich einige Menschen hinein. In einem offenen Brief fragten Interessengruppen und Journalistinnen und Journalisten nach der Rechtmäßigkeit der behördlichen Räumungen. Zudem gaben sie zu Bedenken, dass es nicht überall in der großteils ländlichen Provinz Krematorien gebe. „Gibt es bei dieser Art von ‚Vollstreckung‘ ein Mindestmaß an Respekt vor den Menschen, ein Mindestmaß an Empathie für Angehörige?“, fragten sie.

„Herzen der Menschen verletzt“

Sogar in staatlichen Medien wurde Kritik an der Vorgehensweise in Jiangxi laut. So schrieb nun „Renmin Ribao“, Parteiorgan der chinesischen KP, die Provinzregierung solle ihre Politik überdenken. „Gibt es irgendeinen Grund für eine solch harte und sogar barbarische Handlung?“, hieß es. „Auch wenn die Bestattungsreform auf effektive Weise durchgesetzt wird, die Herzen der Menschen wurden verletzt, die Glaubwürdigkeit der Verwaltung ging verloren.“

An der Reform selbst wird aber nicht gerüttelt, auch in der KP nicht. Von diesem Bruch mit tausendjährigen Sitten profitierten Nation, Menschen und künftige Generationen, ließ etwa der Parteisekretär Liu Qi wissen. Die Beamten sollten die Anweisungen gewissenhaft durchführen und das Ziel, „zivilisierter und grüner“ Bestattungen im Auge behalten, so Liu.

Diese Woche gelobte die Provinzregierung Besserung. „Übereifrige“ Beamte hätten bei den Räumungen und Sargverschrottungen übertrieben, hieß es in einem Statement. „Obwohl sie in der Minderheit waren, haben sie Schäden verursacht und die Gefühle einiger verletzt.“ Künftig sollten die Beamten „die Toten respektieren, die Lebenden trösten und den Massen dienen“, zitiert die „New York Times“.

„Freunde der Senkrechtbestattung“

Die Bestattungsreform von Jiangxi war nicht der erste Anlauf in China, die Bevölkerung von den vermeintlichen Vorzügen einer Kremierung zu überzeugen. In den meisten Fällen standen dabei Regierungspläne traditionellen Gepflogenheiten gegenüber. Im Jahr 2014 machten ähnliche Reformversuche in der Provinz Anhui Schlagzeilen. Als auch dort Särge beschlagnahmt werden sollten, begingen mehrere ältere Menschen sogar Selbstmord.

Auch aus Österreich kennt man Versuche, beim Bestatten Toter Platz zu sparen - allerdings nur aus der Geschichte. So ließ Joseph II. im Jahr 1785 den wiederverwendbaren „Josephinischen Sarg“ einführen. Dieser war an der Unterseite mit einer Klappe ausgestattet, durch die die Leiche in das Grab herabgelassen werden konnte. Die Proteste in der Bevölkerung waren aber auch hier groß. Sechs Monate später wurde die Verordnung wieder abgeschafft. Rund 200 Jahre später sorgte Udo Proksch mit dem Verein „Freunde der Senkrechtbestattung“ für Furore. Er wollte Platzprobleme auf Friedhöfen lösen, indem Tote in Plastikröhren eingeschweißt und senkrecht in die Erde gestellt werden sollten.

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