Leichtsinn kann rasch gefährlich werden
In der Sommerhitze steigt die Zahl der Badeunfälle. In den letzten Tagen und Wochen ertranken in Österreich mehrere Menschen, Kinder mussten reanimiert werden, einige Fälle gingen noch glimpflich aus. Nicht immer, aber häufig, ist die Ursache - zumindest bei Erwachsenen - Leichtsinn bzw. Verkennen von Gefahren.
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Wie breit das Spektrum von Unfällen ist, zeigen die jüngsten Fälle: In Oberösterreich fiel ein Zweijähriger in den Gartenpool, ein 59-jähriger Nichtschwimmer ertrank beinahe in einem See. Eine Bademeisterin musste einen Vierjährigen in einem Linzer Schwimmbad reanimieren, ein 19-Jähriger ging plötzlich in einem See unter, ein 78-jähriger Pensionist erlitt beim Schwimmen einen Herzinfarkt und starb später im Spital.
Jedes Jahr über 30 Tote
Pro Jahr ertrinken in Österreich laut Statistik etwa 30 bis 50 Menschen, darunter drei bis fünf Kinder unter 15 Jahren. Die Zahl ging in den letzten Jahren generell zurück. Trotzdem verzeichnet die Österreichische Wasserrettung (ÖWR) Einsatzrekorde. Allein in Niederösterreich wurde sie im letzten Jahr 559-mal alarmiert.
Die Zahl der tödlichen Badeunfälle geben das Kuratorium für Verkehrssicherheit (KFV) und die die ÖWR für 2017 mit 33 an, wobei auch der KFV gegenüber ORF.at betonte, dass die Zahl „eher rückläufig“ sei. Im Jahr 2007 seien es noch 75 gewesen, 2016 seien 40 Menschen in Österreich durch Ertrinken ums Leben gekommen. Die ÖWR spricht außerdem von etwa 3.500 schwere Verletzungen bei Badeunfällen. In Deutschland beläuft sich die Zahl der tödlichen Badeunfälle nach den ersten sieben Monaten 2018 nach Angaben der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft (DLRG) bereits auf 279.
Vor allem „ein männliches Problem“
Laut DLRG ist Ertrinken übrigens vor allem „ein männliches Problem“: Rund 80 Prozent der Todesopfer seien 2017 Männer gewesen, entweder zwischen 16 und 25 Jahren jung oder zwischen 71 und 85 Jahren alt. Die Jungen seien mitunter „übermütig, betrunken“ oder unterschätzen die Gefahr. Ältere leiden oft unter Vorerkrankungen.

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Vor allem das Schwimmen in Fließgewässern werde oft unterschätzt, das Risiko von Überforderung steigt - und damit die Gefahr, zu ertrinken, heißt es von der ÖWR. Dazu komme, dass etwa Kinder häufig nicht richtig schwimmen könnten - mehr dazu in Wasserrettung immer öfter im Einsatz (noe.ORF.at).
In Oberösterreich, wo sich in der letzten Woche mehrere schwere Badeunfälle ereigneten, beobachtet die Wasserrettung Ähnliches. Oft sei auch Leichtsinn im Spiel, heißt es. Die Zeit für Hilfe ist knapp, oft sei nicht gleich zu erkennen, dass jemand in akuter Gefahr sei. Anzunehmen, dass die- oder derjenige dann laut um Hilfe riefe, sei falsch. Ertrinken geschehe in Wirklichkeit „vollkommen lautlos“ - mehr dazu in Mit der Hitze häufen sich Badeunfälle (ooe.ORF.at).
Die eigenen Grenzen
Jüngstes Beispiel: Im Bezirk Linz-Land ging ein 19-Jähriger beim Baden in einem Steinbruchsee unter, Freunde, die mit ihm geschwommen waren, bemerkten das nicht einmal - mehr dazu in 19-Jähriger im Mühlviertel ertrunken (ooe.ORF.at). Der 59-Jährige, der beinahe im Badesee St. Konrad in Oberösterreich ertrank, hatte nur durch Winken auf sich aufmerksam gemacht. Eine 51-jährige Frau sah ihn und zog den Mann in seichteres Wasser zurück.
Im Mondsee holten Bademeister und Wasserrettung drei Jugendliche aus dem Wasser, die sich zu viel zugemutet hatten. Einer konnte sich nicht mehr über Wasser halten - ein Beispiel für falsches Einschätzen der eigenen Kräfte - mehr dazu in Drei Jugendliche vor Ertrinken gerettet (ooe.ORF.at).
Im Notfall rasches Handeln wichtig
Wasserretter raten auf jeden Fall dazu, sich vor dem Sprung ins Wasser abzukühlen. Außerdem sollte man nicht alleine zu weit in offene Gewässer hinausschwimmen, sondern eher parallel zum Ufer. Droht eine Person zu Ertrinken, muss rasch gehandelt werden. Die Feuerwehr rät dringend, zeitgleich mit eigenen Rettungsmaßnahmen den Notruf 122 zu wählen. Wenn eine Person bereits unter Wasser ist und nicht mehr lokalisiert werden kann, könnten nur noch Taucher helfen. Es dürfe aber keine Zeit verloren gehen.
Nachdem Mitte Juli im burgenländischen Andau ein 26-Jähriger von einem Sprungturm in den Badesee Andau gesprungen und nicht mehr aufgetaucht war, fand ihn ein Feuerwehrtaucher nach etwa 30 Minuten unter Wasser. Er konnte trotzdem noch reanimiert werden, starb allerdings später im Krankenhaus.
Kleinkinder nie alleine lassen
Besondere Vorsicht ist geboten, wenn sich Kinder am Wasser aufhalten. Sie müssen ständig beaufsichtigt werden, kleine Kinder immer in unmittelbarer Reichweite, größere in Sichtweite. Der Vierjährige, den eine Bademeisterin letzte Woche in Linz vor dem Ertrinken rettete, war offenbar ohne Aufsicht am Becken gewesen, wie es hieß.
Ein Weg, die Gefahr beim Schwimmen zu minimieren, ist, möglichst früh Schwimmen zu lernen, sagte Elisabeth Kellner, Koordinatorin für Schulschwimmen in Wien und Schwimmreferentin beim Jugend-Rotkreuz. Doch fast die Hälfte der Drittklässler in Wien kann nicht schwimmen, heißt es vom Wiener Stadtschulrat. Mit ein Grund dafür sei ein zu großes Freizeitangebot, meinte Kellner, es sei nicht mehr cool, ins Wasser zu gehen.
Viele Kinder würden überhaupt weniger mehr rausgehen, ihnen fehlten die motorischen Fähigkeiten. Sie sieht trotz verpflichtender Schwimmkurse wie in der dritten Klasse Volksschule in Wien auch die Eltern gefordert, sich um die Schwimmfähigkeit ihrer Kinder zu kümmern - Audio dazu in oe1.ORF.at.
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