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Angespannte Lage nach Siegeserklärung

Noch vor Bekanntwerden offizieller Ergebnisse hat sich der ehemalige Kricket-Star Imran Khan zum Sieger der Parlamentswahl in Pakistan erklärt. „Gott hat mir die Chance gegeben, meinen Traum wahr werden zu lassen“, sagte der Vorsitzende der Bewegung für Gerechtigkeit (Tehreek-e Insaf/PTI).

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Er habe 22 Jahre dafür gekämpft und danke Allah für die Möglichkeit, der Nation zu dienen. Seine Bewegung sei erfolgreich gewesen und habe ein Mandat bekommen. Die Wahl bezeichnete er als „historisch“. Obwohl noch unklar ist, ob Khan eine regierungsfähige Mehrheit im Parlament zusammenbekommt, stellte er in der halbstündigen Rede bereits eine Vision für die Zukunft Pakistans vor. „Wir werden dieses Land zu einem Wohlfahrtsstaat machen“, sagte Khan.

Imran Khan

APA/AFP/Aamir Qureshi

Khan ist nicht unumstritten - seine Gegner werfen ihm radikalislamische Positionen und Packelei mit dem Militär vor

Regierungspartei will Resultat nicht anerkennen

Khan forderte zugleich die anderen Parteien auf, Beweise für ihre Behauptungen der Wahlfälschung vorzulegen. Mehrere Parteien erhoben noch während der Stimmenauszählung den Vorwurf der Wahlfälschung. Die regierende Pakistanische Muslim-Liga (PML-N) werde das Resultat der Wahl deswegen nicht anerkennen, sagte Spitzenkandidat Shahbaz Sharif.

Shahbaz Sharif mit einem Dokument

APA/AFP/Wakil Kohsar

Shahbaz Sharif will die Ergebnisse nicht anerkennen

Die Kandidaten der PML-N hätten keine authentischen Kopien der Wahlresultate bekommen, so der jüngere Bruder des früheren Premierministers Nawaz Sharif, am Mittwochabend bei einer Pressekonferenz. „Es ist so eine offenkundige Manipulation, dass jeder zu weinen begann“, sagte er. Der Ablauf der Wahlen habe Pakistan „30 Jahre in die Vergangenheit zurückgeworfen“.

„Zu 100 Prozent transparent und fair“

Auch die Pakistanische Volkspartei (PPP) erklärte, ihr werde in der Provinz Sindh, wo die Partei ihre Basis hat, der Sieg verweigert. PPP-Senator Raza Rabbani sagte, die Wahlbeobachter ihrer Kandidaten seien aus den Wahllokalen gedrängt worden und hätten keine offiziellen Resultate bekommen. Auch die PPP will das Ergebnis nicht akzeptieren.

Die Wahlkommission wies die Vorwürfe einer Manipulation zurück. Anhaltende Verzögerungen bei der Stimmenauszählung hätten technische Gründe, teilte die Behörde am Donnerstag mit. „Diese Wahlen waren zu 100 Prozent transparent und fair“, sagte der Chefwahlkommissar, Sardar Mohamed Raza. Laut „Dawn“, der größten englischsprachigen Zeitung des Landes, liegt die PTI bei einem Auszählungsstand von knapp 50 Prozent in 120 der umkämpften 272 Wahlkreise vorn.

Nawaz Sharif in Haft

Bereits während des Wahlkampfs war der Vorwurf, die Armee versuche, die Wahl zu beeinflussen, weit verbreitet. Vor allem die PML-N beklagte eine gezielte Kampagne gegen sie durch das Militär mit angeblicher Unterstützung durch die Justiz. Mehrere hochrangige Parteimitglieder wurden von der Wahl ausgeschlossen oder der Korruption beschuldigt. Parteigründer Nawaz Sharif, der als einer der mächtigsten Politiker des Landes gilt, wurde drei Wochen vor der Wahl wegen Korruption zu zehn Jahren Freiheitsstrafe verurteilt und sitzt nun in Haft.

Wahl in Pakistan geschlagen

Mit dem ehemaligen Kricket-Star Khan und seiner Bewegung für Gerechtigkeit dürfte der nächste Ministerpräsident nicht aus einer der beiden Politdynastien des Landes kommen.

Sharif war bereits vergangenes Jahr aufgrund von Enthüllungen rund um die Panama-Papers vom obersten Gerichtshof des Amtes enthoben worden. Mitglieder seiner Familie wurden mit Steuerhinterziehung und Geldwäsche in Zusammenhang gebracht. Über Briefkastenfirmen soll auch Sharif profitiert haben.

Legendenstatus dank Kricket-Karriere

Der aus einer reichen Familie in Lahore stammende Khan ist in Europa vor allem als Sportler und Playboy bekannt. Er studierte an den besten Universitäten Pakistans und Englands, mit 19 begann er in der pakistanischen Kricket-Nationalmannschaft zu spielen. Die Disziplin gilt als Nationalsport. Er wurde zum besten Spieler in der Geschichte des Landes, noch heute verehren ihn Millionen deshalb.

Nach seinem Rückzug aus dem Sport folgten Jahre als Playboy, bis er 1995 die Tochter des französisch-britischen Finanzmagnaten Jimmy Goldsmith, Jemima Goldsmith, heiratete. Sie konvertierte zum Islam, bekam zwei Kinder, 2004 folgte die Scheidung. Sie gratulierte ihrem Ex-Mann jetzt auf dem Kurznachrichtendienst Twitter: „Nach Demütigungen, Hürden und Opfern ist der Vater meines Sohnes Pakistans nächster Regierungschef.“

Auch politisch werden Khan radikalislamische Positionen vorgeworfen. Er wirbt für einen Dialog mit gewaltbereiten Rebellen und hatte zudem mit Verbindungen seiner Partei zu einem Religionsführer, der als „Vater der Taliban“ bekannt ist, für Aufsehen gesorgt. Vielen gilt Khan aber schlicht als Reformer, der seinen Landsleuten einen „islamischen Wohlfahrtsstaat“ verspricht und gegen Korruption und Vetternwirtschaft eintritt. Vorwürfe seiner Rivalen, mit dem im Land besonders mächtigen Militär zusammenzuarbeiten, weist er zurück.

Terror in Quetta

Überschattet wurde die Wahl auch von einem schweren Terroranschlag im Südwesten des Landes. Bei einem Selbstmordanschlag in der Stadt Quetta kamen mindestens 31 Menschen ums Leben. Unter den Opfern seien auch Kinder und Polizisten, sagte Mohamed Jafar vom Civil Hospital in Quetta. Mindestens 35 weitere Menschen seien verletzt worden. Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) reklamierte den Anschlag über ihren Propagandakanal Amak für sich.

370.000 Soldaten waren zur Sicherung der Wahllokale abgestellt worden. Die Militärs bewachten die Wahllokale erstmals nicht nur vor den Eingängen, sondern wurden auch in den Stimmabgabezentren selbst eingesetzt. Ihre Rolle stand während des Wahltags unter besonderer Beobachtung. „Es gibt einen Verhaltenskodex, und wir als Beobachter sehen uns an, wie sich das Militär verhält“, sagte der Leiter der EU-Wahlbeobachtermission, der deutsche EU-Abgeordnete Michael Gahler, beim Besuch eines Stimmabgabezentrums in Islamabad. Der Bericht der EU-Wahlbeobachtungsmission soll am Freitag veröffentlicht werden.

Große Herausforderungen

Bei der pakistanischen Wahlkommission wurden bis kurz nach der Schließung der Wahllokale 654 Beschwerden registriert. Diese beträfen ausschließlich Verstöße gegen die Wahlordnung, sagte ihr Sprecher Altaf Khan, etwa verspätete Öffnungen der Wahllokale, fehlende Wahlmaterialien und ein zu langsamer Ablauf des Wahlprozesses. Über das Militär habe es keine Beschwerde gegeben.

Es ist zu befürchten, dass der Streit über die Auszählung eine Regierungsbildung verzögert. Dabei wäre die neue Regierung mit großen Herausforderungen konfrontiert: In dem bevölkerungsreichen, mehrheitlich muslimischen Land in Südasien stehen Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik ganz oben auf der Agenda. Als Brennpunkte gelten der heimische Terrorismus, die angespannte Beziehung zur Atommacht Indien und dem krisengeschüttelten Afghanistan wie auch die immer schlechter werdenden Beziehungen zu den USA, einem Partner im Kampf gegen den Terrorismus.

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