Nicht mehr aus Koma aufgewacht
Italien hat einen seiner bekanntesten Spitzenmanager verloren: Sergio Marchionne, langjähriger Chef von Fiat Chrysler (FCA) und Ferrari, ist tot. FCA bestätigte am Mittwoch entsprechende Medienberichte. Erst am Wochenende hatte das Unternehmen mitgeteilt, dass der 66-Jährige wegen schwerer gesundheitlicher Probleme die Konzernführung abgeben werde.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
„Leider ist das, was wir befürchtet haben, eingetreten. Sergio Marchionne, ein Mann und Freund, ist fort“, so Fiat-Präsident John Elkann in einer Mitteilung. „Der beste Weg, um ihn zu würdigen, ist jene Werte von Menschlichkeit, Verantwortung und intellektueller Offenheit hoch zu halten, die typisch für Marchionne waren. Ich und meine Familie werden ihm immer für seine Leistungen dankbar sein“, so Elkann.
Schweigeminute im Parlament
Im italienischen Parlament wurde eine Schweigeminute zu Marchionnes Ehren gehalten. Italiens Ex-Premier Paolo Gentiloni kondolierte der Familie. „Danke für die Arbeit, die Anstrengung und die Resultate“, twitterte Gentiloni. Marchionne war zuletzt von der Öffentlichkeit abgeschirmt auf der Intensivstation im Universitätsspital von Zürich gelegen.

Reuters/Remo Casilli
Marchionne war in Italien gefeiert - aber auch umstritten
Laut offiziellen FCA-Angaben hatte sich Marchionnes Gesundheitszustand nach Komplikationen infolge einer am 28. Juni durchgeführten Schulteroperation „signifikant verschlechtert“. Unbestätigten Medienberichten zufolge lag der 66-Jährige im „irreversiblen Koma“. Die Zeitung „La Stampa“ berichtete überdies von „unbestätigten Gerüchten“ über ein schweres Krebsleiden. Offizielle Angaben dazu gab es keine. Die Zürcher Klinik hielt sich in den vergangenen Tagen strikt an die ärztliche Schweigepflicht.
Bewundert und umstritten
Marchionne galt als Visionär, aber auch als harter Verhandlungspartner für Gewerkschaften und in der Formel 1. Mit markigen Sprüchen machte er sich weltweit einen Namen. Sein Tod wird von vielen Menschen in Italien als das Ende einer Ära gesehen. Der Italiener mit kanadischem Pass war 2004 an die Fiat-Spitze gerückt, als das Turiner Unternehmen kurz vor der Pleite stand.
Für seine Führung des Konzerns erntete er in der Folge viel Lob, war aber auch starker Kritik ausgesetzt. Widerstand kam vor allem vom linken Gewerkschaftsverband FIOM, dem in den italienischen Fiat-Produktionswerken eine gewichtige Rolle zukommt. Auch bei den Arbeitnehmern war Marchionne wegen seines Kurses, der die Rolle der Gewerkschaften wenig berücksichtigte, nicht besonders populär.
Die italienische Belegschaft befürchtete vor allem, dass nach der Chrysler-Übernahme fünf italienische Standorte schrittweise abgebaut und ins Ausland verlegt werden könnten. Scharfe Kritik zog sich Marchionne auch mit der Entscheidung zu, den Firmensitz von Turin nach London zu verlegen. 2014 entthronte er den langjährigen Ferrari-Chef Luca Cordero di Montezemolo, der in der Formel 1 keine Erfolge mehr einfuhr, und übernahm selbst das Ruder beim Luxusautokonzern. Ferrari wurde 2015 von FCA ausgliedert und 2016 mit Erfolg an die Mailänder Börse gebracht.
„Schon jetzt Legende“
Fiat ist inzwischen elfmal so viel wert wie zum Amtsantritt Marchionnes. Die einst unflexible Hierarchie in dem Konzern baute er weitgehend ab und ersetzte sie durch ein leistungsorientiertes System. Fiat Chrysler wurde zum siebtgrößten Autohersteller weltweit und ist mittlerweile schuldenfrei.
„Sergio Marchionnes Zeit als Chef von Fiat ist schon jetzt Legende“, sagte Analyst Max Warburton von der Beratungsgesellschaft Bernstein Anfang des Jahres. Obwohl Marchionne betonte, die Zügel bei Fiat nicht länger als bis April 2019 in der Hand halten zu wollen, erschien das einigen unvorstellbar.
Postenkarussell bei FCA
Am Wochenende übernahm der bisherige Vorstandschef der Chrysler-Tochtermarke Jeep, der Brite Mike Manley, das Ruder von FCA. Den Chefposten bei Ferrari soll Louis Carey Camilleri übernehmen, der bisher den Tabakkonzern Philip Morris leitete. Aufsichtsratspräsident bei Ferrari wird Elkann, der Enkel des legendären früheren Fiat-Chefs Gianni Agnelli. Bei FCA hat er diese Position bereits seit 2010 inne.

AP/Carlos Osorio
Manley steigt bei FCA in große Fußstapfen
Laut Ferrari müssen dessen Anteilseigner dem Wechsel an der Spitze aber noch zustimmen. Zur Chefin des Lkw-Herstellers CNH Industrial ernannte der Aufsichtsrat Suzanna Heywood, die bisher für die Holdinggesellschaft der Industriellenfamilie Agnelli arbeitete. Alle drei Unternehmen werden von den Agnellis kontrolliert.
Einer der bisherigen Favoriten im Rennen um die Marchionne-Nachfolge, FCA-Europa-Chef Alfredo Altavilla, hat indes am Montag seinen Rücktritt eingereicht. Die Leitung des Europageschäfts übernimmt laut FCA der neue Konzernchef Manley mit sofortiger Wirkung vorübergehend mit. Manley muss nun möglichst rasch einen geeigneten Kandidaten finden, um das wichtige Europageschäft auf Kurs zu bringen.
Link: