Badeort komplett zerstört
Beim schlimmsten Flammeninferno in Griechenland seit mehr als einem Jahrzehnt sind nach Behördenangaben mindestens 74 Menschen ums Leben gekommen, mehr als 160 seien verletzt. Besonders schlimm traf es dabei den Badeort Mati, dort wurden die Leichen von 26 Menschen gefunden, darunter auch Kinder. Sie starben, als außer Kontrolle geratene Waldbrände am späten Montagnachmittag durch den Ort östlich der Hauptstadt Athen fegten.
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In Mati hatte sich das Feuer bei Windgeschwindigkeiten von etwa hundert Kilometern pro Stunde rasend schnell ausgebreitet, wie Feuerwehrsprecherin Stavroula Maliri erklärte. Das Fernsehen zeigte Bilder von ganzen Straßenzügen mit völlig niedergebrannten Häusern. Mehr als tausend Gebäude sowie 300 Autos seien beschädigt worden. In der auch bei ausländischen Touristen und Touristinnen beliebten Region wurde der Notstand ausgerufen.

Reuters/Alkis Konstantinidis
Der beliebte Badeort Mati wurde durch das Feuer komplett zerstört
Dramatische Szenen müssen sich in dem Badeort abgespielt haben. Reporterinnen und Reporter berichten etwa von einer Frau, die mit ihrem Kind in einem Haus in der Ortschaft Mati entdeckt wurde. Die Mutter habe ihr Kind schützend mit ihrem Körper abgeschirmt, bevor beide verbrannt sein sollen. Viele Menschen dürften in den Flammen alles verloren haben. Tausende übernachteten im Freien, in Autos und Sporthallen.
Kein offizieller Evakuierungsplan?
Wegen der schnellen Ausbreitung der Flammen waren zahlreiche Anwohnerinnen und Anwohner von Matis an die Küste geflohen, um sich vom Wasser aus retten zu lassen. Viele warteten stundenlang eingehüllt von Aschewolken am Strand. 715 Menschen wurden schließlich mit Booten in den Nachbarort Rafina gebracht, wie die Regierung mitteilte. Dessen Bürgermeister Evangelos Bournous zeigte sich schockiert: „Mati existiert nicht mehr“, sagte er. Der Bürgermeister äußerte im griechischen TV auch die Befürchtung, dass die Opferzahl sogar auf „über 100“ steigen könnte. Er sagte außerdem, man habe nie eine Evakuierurungsanordnung für die vom Brand betroffene Zone bekommen.
Rettungskräfte und Freiwillige zogen stundenlang Menschen aus dem Wasser. Im Hafen von Rafina zeigten Dutzende Menschen Fotos ihrer Verwandten und fragten Passanten, ob sie sie gesehen hätten. Auch die Rettungskräfte im Meer gaben teils erschreckende Darstellungen. Einer der Retter habe gesehen, wie sich 26 Menschen in einem Feld etwa 30 Meter vom Strand entfernt aneinanderklammerten, sagte der Leiter des Roten Kreuzes in Griechenland, Nikos Economopoulos, dem Sender Skai TV am Dienstag. „Sie hatten versucht, eine Fluchtgasse zu finden, aber leider haben es diese Menschen und ihre Kinder nicht mehr rechtzeitig geschafft.“
Himmel über Athen verdunkelt
Der Brand in Mati war am Dienstag zwar eingedämmt, allerdings wütete 50 Kilometer westlich von Athen im Küstenort Kineta immer noch ein Feuer, das ebenfalls zahlreiche Häuser und Autos zerstörte. Opfer wurden aus Kineta zunächst nicht gemeldet. In der Nähe der Stadt Marathon wurden zudem rund 600 Kinder aus einem Feriencamp in Sicherheit gebracht. In der Region herrscht seit zwei Wochen extreme Trockenheit. Seit dem Wochenende kam noch eine Hitzewelle mit Temperaturen an die 40 Grad hinzu. Angefacht durch starke Winde gerieten die Feuer schnell außer Kontrolle. Das Ausmaß der Brände war so groß, dass Rauchwolken über Athen hingen und die Sonne verdunkelten.
Deshalb wurde auch die Autobahn zwischen Athen und Korinth kurzfristig gesperrt, mittlerweile ist sie aber wieder befahrbar. Doch in Hinblick auf die noch lodernden Brandherde gaben sich die Löschkräfte langsam zuversichtlich. „Wir hoffen, heute die Brände zu löschen“, sagte ein Feuerwehrmann im griechischen Fernsehen am Dienstag. Mit dem ersten Tageslicht wurden viele Löschflugzeuge und Hubschrauber eingesetzt. Die Feuerwehr warnte jedoch, dass die Flammen immer noch nicht ganz unter Kontrolle seien.

Reuters/Costas Baltas
Rettungskräfte suchen die Gegend nach Überlebenden ab
Der griechische Regierungschef Alexis Tsipras brach einen Besuch in Bosnien-Herzegowina vorzeitig ab und kam nach Athen zurück. „Meine Gedanken sind bei den Menschen und den Einsatzkräften“, sagte er dem griechischen Fernsehsender ERT. Die Regierung ordnete an, dass Feuerwehren anderer Regionen sowie das Militär nach Athen zur Hilfe kommen. Zudem habe Griechenland bereits am Montagabend andere Länder der EU um Hilfe gebeten, sagte eine Feuerwehrsprecherin. Tsipras äußerte den Verdacht, dass Brandstifter hinter den Feuern stecken könnten. Selbiges hatte zuvor bereits der Minister für Bürgerschutz, Nikos Toskas, in den Raum gestellt.
Am Dienstagabend kamen erste Einsatzkräfte aus dem EU-Katastrophenschutz in Griechenland an. Dabei handelte es sich um 64 Helfer aus Zypern, wie ein Sprecher der EU-Kommission sagte. Weitere Länder sicherten Hilfe zu, darunter Spanien, Bulgarien, Italien, Kroatien und Portugal. Sie werden - falls nötig - Löschflugzeuge, Einsatzkräfte, Ärzte oder Fahrzeuge senden.
EU drückt Mitgefühl aus
EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker drückte zuvor Angehörigen der Opfer sein Mitgefühl aus. „Mit schwerem Herzen habe ich davon erfahren, dass viele Menschen auf tragische Weise in den verheerenden Feuern in Athen ihr Leben verloren haben“, schrieb Juncker in einem Brief an Tsipras. Das Schreiben veröffentlichte Kommissionssprecher Margaritis Schinas, der selbst Grieche ist, auf Twitter.
In diesen schweren Zeiten stehe man Seite an Seite mit den griechischen Behörden und Menschen, schrieb Juncker. Er habe den zuständigen EU-Kommissar Christos Stylianides gebeten, Kontakt zu den griechischen Behörden aufzunehmen. Stylianides selbst werde noch am Dienstag nach Athen reisen. Auch EU-Ratspräsident Donald Tusk zeigte sich in einem Tweet erschüttert. „Europa wird in diesen schwierigen Zeiten an der Seite unserer griechischen Freunde stehen. Hilfe aus mehreren EU-Ländern ist auf dem Weg.“ Papst Franziskus sicherte unterdessen den Opfern und Hilfskräften seinen geistlichen Beistand zu. Er bete auch für alle Verstorbenen, hieß es in einem Statement aus dem Vatikan.
Außenministerium rät zu „besonderer Vorsicht“
Erschüttert zeigte sich auch FPÖ-Außenministerin Karin Kneissl. Auf Twitter sprach sie den Angehörigen der Opfer ihr Beileid aus und wünschte den Verletzten eine schnelle Genesung. Ob auch Österreicherinnen und Österreicher von den Bränden betroffen waren, gab das Ministerium bisher nicht bekannt. Auf der Website des Außenministeriums wird Reisenden in den betroffenen Gebieten geraten, „sich aktiv über die Lage informiert zu halten und besondere Vorsicht walten zu lassen“. Den Anweisungen der lokalen Einsatzkräfte sei Folge zu leisten.
In immer mehr Teilen Europas wüten wegen der Dürre und Sommerhitze große Waldbrände. Nach den verheerenden Feuern in Schweden gerieten neben Griechenland auch Brände in Lettland außer Kontrolle. Eine Entspannung der Lage ist nicht in Sicht, in der kommenden Woche soll es sogar noch heißer werden. In Schweden wüteten am Montag noch 25 Brände - einige sind so groß, dass die Rettungskräfte keine Hoffnung haben, sie noch zu löschen. Der Rauch sei sogar aus dem Weltall zu sehen, berichtete die Europäische Weltraumbehörde (ESA). „Die Feuer in Schweden zeigen, dass der Klimawandel real ist“, erklärte die EU-Kommission in Brüssel.
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