Testphase soll schnellstmöglich starten
Unter dem Druck der rigorosen Migrationspolitik Italiens hat die EU-Kommission Ende Juli konkrete Vorschläge zur Einrichtung zentraler Zentren für gerettete Bootsflüchtlinge vorgelegt. EU-Staaten, die ein solches Zentrum aufbauen, könnten demnach bis zu 315 EU-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter anfordern, unter ihnen Personal für Übersetzungen, Grenzschutz oder Asylexpertise.
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Zudem sollen alle Kosten aus dem EU-Haushalt gezahlt werden, heißt es in dem Papier. In die „kontrollierten Zentren“ in EU-Mittelmeer-Ländern sollen aus Seenot gerettete Flüchtlinge gebracht werden. Hier soll möglichst schnell darüber entschieden werden, ob sie ein Anrecht auf internationalen Schutz haben oder zurück in ihre Heimat müssen.

Reuters/Alkis Konstantinidis
Ein Flüchlingslager auf der griechischen Insel Chios
6.000 Euro pro Person
Jene EU-Staaten, die Flüchtlinge aus den Zentren aufnehmen, sollen dem Kommissionsvorschlag zufolge 6.000 Euro pro Person erhalten. Eine Testphase könne so bald wie möglich gestartet werden. Wo das sein könnte, war zunächst unklar. Die 28 EU-Staats- und Regierungschefs hatten bei ihrem Gipfel Ende Juni beschlossen, dass derartige Zentren auf freiwilliger Basis eingerichtet werden sollen.
Das Hauptziel des neuen Vorschlags sei es, den Prozess der Unterscheidung zwischen Personen, die internationalen Schutz brauchten, und Migranten und Migrantinnen, die kein Recht auf Aufenthalt in der EU hätten, sowie die Rückführungen zu beschleunigen. Innerhalb von vier bis acht Wochen solle der ganze Screening-Prozess in den Kontrollzentren dauern. Davor solle innerhalb von 72 Stunden eine erste schnelle Vorauswahl getroffen werden.
„Italien braucht keine Almosen“
Hintergrund der neuen Pläne der EU-Kommission war auch der Druck der italienischen Regierung. Die Populisten pochen darauf, dass andere EU-Staaten Italien Flüchtlinge abnehmen. Sie verbieten privaten Rettungsschiffen die Einfahrt in italienische Häfen und haben für eine vorgezogene Überarbeitung des EU-Marineeinsatzes vor der libyschen Küste gesorgt.

Reuters/Tony Gentile
Salvini will „Würde mit eigenen Händen zurückholen“
Aus Italien kam allerdings sogleich eine brüske Zurückweisung der Vorschläge. „Wenn sie irgendjemand anderem Geld geben wollen, sollen sie das tun. Italien braucht keine Almosen“, sagte der italienische Innenminister von der rechten Lega, Matteo Salvini. Italien wolle die Ankünfte reduzieren. „Wir wollen kein Geld, sondern Würde, und wir holen sie uns mit eigenen Händen zurück.“
EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos sagte bei der Präsentation: „Mehr denn je brauchen wir jetzt gemeinsame europäische Lösungen in der Migrationsfrage. Wir sind bereit, die Mitgliedsstaaten und Drittstaaten zu unterstützen, um besser bei der Ausschiffung jener, die im Meer gerettet wurden, zu kooperieren.“ Dafür brauche es aber langfristige Einigkeit, betonte er. „Wir müssen an nachhaltigen Lösungen arbeiten.“
Auch Pläne zu Zentren in Nordafrika
In die Zentren in Nordafrika könnten Menschen laut den Plänen gebracht werden, die in internationalen Gewässern oder in Gewässern von Drittstaaten gerettet werden. Das UNHCR könnte Schutzbedürftige dort zur Aufnahme in EU-Ländern auswählen. Die übrigen Menschen müssten zurück in ihr Heimatland - und würden von der Internationalen Organisation für Migration (IOM) unterstützt. Um keine Migranten anzulocken, sollten die Zentren möglichst weit von jenen Orten eingerichtet werden, von denen sich Menschen zu ihrer Reise über das Mittelmeer aufmachen.

Reuters/Hani Amara
Menschen in einem Lager der Behörde gegen illegale Einwanderung in Tripolis
Die EU-Kommission verspricht den Ländern, die sich zur Einrichtung solcher Zentren bereit erklären, enge Zusammenarbeit. Sie sollten in sozialen Fragen sowie im Bereich der Sicherheit und Wirtschaft unterstützt werden, heißt es in dem Kommissionspapier. Beide Konzepte - die Zentren in EU-Staaten sowie in Nordafrika - sollten Hand in Hand miteinander gehen, betonte die EU-Kommission.
Ablehnung aus nordafrikanischen Staaten
Sobald es eine gemeinsame Haltung gebe, werde die EU-Kommission an die nordafrikanischen Staaten herantreten. Bisher kommt aus Ländern, die infrage kommen - etwa Tunesien, Algerien, Libyen oder Ägypten - allerdings deutliche Ablehnung. Gäbe es Zentren in Nordafrika, müssten aus Seenot gerettete Migranten nicht mehr nach Europa gebracht werden. Ziel ist, die Menschen schon vom Versuch abzuhalten und Schleppern die Geschäftsgrundlage zu entziehen.
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