„Werden auch keine Deals mit EU machen“
Der libysche Regierungschef Fajis al-Sarradsch hat sich entschieden gegen Aufnahmezentren der EU für Flüchtlinge in seinem Land ausgesprochen. „Nein, das wird es bei uns nicht geben“, sagte Sarradsch der deutschen „Bild“-Zeitung (Freitag-Ausgabe). „Wir sind absolut dagegen, dass Europa ganz offiziell bei uns illegale Migranten unterbringen will, die man in der EU nicht haben möchte“, fügte er hinzu.
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Auch Geldzahlungen lehne er ab: „Wir werden auch keine Deals mit Geld mit der EU machen, um illegale Migranten aufzunehmen“, sagte der Chef der international unterstützten Regierung der nationalen Einheit in Libyen weiter.

APA/AFP
Sarradsch mit der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini
Die EU solle vielmehr „mit den Ländern reden, aus denen die Menschen kommen und dort auch Druck ausüben“. Sarradsch sagte, er wundere sich „schon sehr darüber, dass in Europa mittlerweile niemand mehr Migranten aufnehmen will, aber uns bittet, hier weitere Hunderttausende aufzunehmen“.
EU-Politiker sollen Lage an Ort und Stelle sehen
Der libysche Regierungschef wünscht sich überdies mehr Besuche von EU-Politikern in seinem Land: Um Menschenschmuggler stärker bekämpfen zu können, seien globale Anstrengungen notwendig, weil das Schmugglernetzwerk international sei. Wichtig dafür sei auch, „dass europäische Politiker ein besseres Verständnis dafür bekommen, wie es in Libyen aussieht“.
In diesem Zusammenhang hoffe er auch auf einen baldigen Besuch der deutschen Kanzlerin Angela Merkel. Die EU hatte sich bei ihrem Gipfel Ende Juni auf eine Verschärfung ihrer Einwanderungspolitik verständigt. Sie will unter anderem Flüchtlinge in Aufnahmezentren außerhalb der EU unterbringen.
Libysche Küstenwache verteidigt
Sarradsch verteidigte zudem die Küstenwache seines Landes gegen Kritik. Zu Vorwürfen, die Küstenwache habe Menschen zurückgelassen, sagte er: „Das sind ungeheure Vorwürfe, die nicht stimmen und von unserer Küstenwache bereits klargestellt wurden. Wir retten jeden Tag Hunderte Menschen vor der Küste Libyens.“
Doch brauche das Land mehr technische und finanzielle Unterstützung, sagte der Premier. Eine spanische Organisation hatte der libyschen Küstenwache vorgeworfen, bei einem Einsatz zwei Frauen und ein Kind auf hoher See zurückgelassen zu haben.
Die EU baut auf Sarradsch, auch die UNO unterstützt die Einheitsregierung. Diese hatte vor etwa zweieinhalb Jahren in Tripolis ihre Arbeit aufgenommen, konnte ihre Macht aber kaum über die Grenzen der Hauptstadt ausweiten. Selbst in Tripolis macht Sarradsch eine Gegenregierung zu schaffen. Und eine weitere konkurrierende Führung im Osten des Landes denkt gar nicht daran, Sarradsch das Feld zu überlassen.
Globaler Plan gefordert
Der libysche Premier forderte einen globalen Plan, um die Flüchtlingskrise zu lösen. Libyen sei nur das Transitland, das die Menschen für ihre Flucht nutzten. „Wir haben Flüchtlingsunterkünfte für mehrere zehntausend Menschen geschaffen, aber in unserem Land halten sich mehrere hunderttausend illegale Migranten auf, was die Sicherheitslage massiv verschlechtert. Darunter sind Terroristen, Kriminelle und Menschenschmuggler.“
Unterdessen will Italien auch geretteten Flüchtlingen an Bord von Schiffen der EU-Marinemission Sophia künftig die Aufnahme verweigern. Das habe der italienische Außenminister Enzo Moavero Milanesi der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini vor drei Tagen mitgeteilt, berichtete die „Welt“ (Freitag-Ausgabe) unter Berufung auf ein Schreiben, das der Zeitung vorliege.
Juncker will Änderung von Sophia-Mission prüfen
Die EU-Kommission will unterdessen Italiens Forderung nach einer Änderung der EU-Marinemission prüfen. Diese Mission spiele eine wesentliche Bedeutung im Rahmen der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik, so EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in einem Schreiben an Italiens Premier Giuseppe Conte.
Die Revision des Mandats für die Operation Sophia soll bald geprüft werden, so Juncker in dem Schreiben, das am Freitag in Rom veröffentlicht wurde. Es sei im gesamteuropäischen Interesse, mit „höchster Aufmerksamkeit“ mögliche Änderungen zur Sophia-Mission zu prüfen, schrieb Juncker. Dabei sollen Contes Forderungen genau unter die Lupe genommen werden.
Andere Lösungen gefordert
Conte fordert alternative Lösungen zur Verteilung der geretteten Menschen. Italien solle nicht mehr als einziger Ankunftshafen betrachtet werden. Italien sei „unter den derzeitigen Umständen nicht mehr in der Position“, dem „Operationsplan“ des Sophia-Einsatzes „zuzustimmen und sich entsprechend zu verhalten“, hieß es im Schreiben Contes, das der EU-Kommission vorgelegt wurde. Conte hatte sich am Donnerstag für eine EU-Kriseneinheit zur Verteilung von aus Seenot geretteten Flüchtlingen ausgesprochen.
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