Offizielles Verfahren eingeleitet
Die Affäre rund um einen inzwischen entlassenen Sicherheitsmitarbeiter von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron beschert dem Staatschef nach Einschätzung französischer Medien eine der größten Krisen seiner bisherigen Amtszeit. Der 26-jährige Alexandre Benalla ging bei einer Kundgebung am 1. Mai gewaltsam gegen eine Demonstrantin und einen Demonstranten vor.
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Sonntagabend gab die Staatsanwaltschaft bekannt, dass gegen Benalla und Vincent Crase, einen Angestellten der Regierungspartei La Republique en Marche (LREM), ein offizielles Ermittlungsverfahren eingeleitet worden sei. Dabei gehe es insbesondere um den Vorwurf der „Gewalt bei einer Versammlung“. Crase soll laut einem veröffentlichten Video ebenfalls Demonstranten geschlagen haben.

Reuters/Philippe Wojazer
Crase (li.) und Benalla bei der Kundgebung am 1. Mai. Gegen beide wird nun offiziell ermittelt.
Französischen Medienberichten zufolge sollen Teile der Regierung, darunter Innenminister Gerard Collomb, von dem Vorfall bereits seit Längerem gewusst haben. Die Staatsanwaltschaft wurde aber nicht unterrichtet. Collomb kündigte nun eine Untersuchung durch die Polizeiaufsicht an. Wegen des Vorfalls muss er am Montag Abgeordneten der Nationalversammlung Rede und Antwort stehen, am Dienstag ist eine Anhörung im Senat angesetzt.
Macron plant einem Insider zufolge den Umbau seines Mitarbeiterstabs. Der Präsident sei der Auffassung, dass seit dem Vorfall vom 1. Mai im Präsidialamt eine Reihe von Fehlern gemacht worden seien. Daher habe er den Chef des Präsidialamtes beauftragt, den Mitarbeiterstab und Abläufe neu zu organisieren. Damit solle verhindert werden, dass sich ein solcher Vorfall wiederhole.
Krisentreffen im Elysee-Palast
Laut der Zeitung „Le Parisien“ gab es bereits am Samstag ein Krisentreffen im Elysee-Palast. Macron holte demnach Collomb und Justizministerin Nicole Belloubet zu sich, um die Auswirkungen der Affäre zu diskutieren. Öffentlich nahm Macron, der bei seinem Amtsantritt versprochen hatte, Moral und Transparenz in die Politik zurückzubringen, bisher noch immer nicht Stellung. Allerdings gab es Sonntagabend aus seinem Umfeld eine Reaktion Macrons. Die Benalla zur Last gelegten Taten seien „inakzeptabel“: „Es hat keine Straflosigkeit gegeben und wird sie nicht geben.“
Video brachte Affäre ins Rollen
Der Vorfall ist auf mehreren Videos zu sehen. Das erste Video dazu veröffentlichte die Zeitung „Le Monde“ vergangenen Mittwoch und identifizierte dabei den mutmaßlichen Täter Benalla als engen Mitarbeiter Macrons. Damit brachte die Zeitung die Affäre ins Rollen. Der 26-jährige trug bei der Aktion wie auf dem Video zu sehen ist einen Polizeihelm, obwohl er kein Polizist ist. Polizisten sollen dem Vorfall zugesehen haben, ohne einzugreifen. Benalla sollte eigentlich nur als Beobachter teilnehmen. Nach Angaben des Präsidialamtes wurde Benalla wenige Tage nach dem Vorfall für zwei Wochen ohne Bezahlung suspendiert und in die Verwaltung versetzt.

APA/AFP/Taha Bouhafs
Benalla beim gewaltsamen Einsatz auf der Demo am 1. Mai in Paris
Danach soll er aber auch wieder im Sicherheitsdienst im Einsatz gewesen sein. „Le Monde“ zufolge bekam er eine Wohnung sowie einen Fahrer gestellt. Der Nachrichtensender BFM TV berichtete, dass Benalla auch vergangene Woche als Sicherheitsmitarbeiter eingesetzt worden sei - etwa während der Siegesparade auf dem Champs-Elysees zur Feier der französischen Nationalelf nach deren Sieg bei der Fußballweltmeisterschaft in Russland. Erst nachdem die Prügelattacke an die Öffentlichkeit gelangte, wurde Benalla am Freitag entlassen und in Polizeigewahrsam genommen.
Ermittlungen gegen fünf Personen
Am Samstag, dem Tag an dem er eigentlich hätte heiraten sollen, wie der „Guardian“ berichtete, wurde Benallas Wohnung durchsucht und einvernommen. Am Sonntag übernahm ein Ermittlungsrichter die Untersuchung. Benalla muss sich wegen Gewaltanwendung als öffentlicher Amtsträger verantworten und weil er sich fälschlicherweise als Polizist ausgegeben hatte.
Letzteres kann mit bis zu einem Jahr Gefängnis und einem Bußgeld von 15.000 Euro bestraft werden. Neben Benalla und Crase wurden auch drei höherrangige Polizisten suspendiert und in Polizeigewahrsam genommen. Auch gegen sie wurde nun ein offizielles Verfahren eingeleitet wegen des Verstoßes gegen das Berufsgeheimnis und die Weitergabe von Überwachungsbildern. Die Beamten sollen Benalla belastendes Videomaterial ausgehändigt haben, als „Le Monde“ die Bilder bereits veröffentlichte.
Opposition vergleicht Skandal mit Watergate-Affäre
Die Opposition wirft der Regierung und Macron „Vertuschung“ vor. Der Chef der Linkspartei La France Insoumise (LFI/Das unbeugsame Frankreich), Jean-Luc Melenchon, verglich den Skandal bereits mit der Watergate-Affäre, die 1974 US-Präsident Richard Nixon zu Fall brachte. Melenchon sieht Innenminister Collomb „bereits disqualifiziert“, der „natürlich“ zurücktreten werde. Die sozialistische Partei hatte gefordert, dass sich auch Macron vor der Nationalversammlung äußern solle.
„Der Skandal hat eine solche Dimension angenommen, dass nur Emmanuel Macron den Verdacht, den Zweifel eindämmen kann“, sagte Bruno Retailleau von den konservativen Republikanern beim Sender France Inter. Kritik übte auch die Rechtspopulistin Marine Le Pen, die von „Lügen seitens der Regierung“ und „eine Art Lüge durch Unterlassung des Präsidenten“ sprach.
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