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Widerspiegelung des Wandels

Kubas Verfassung wird umfassend reformiert. Sie soll die Konstitution von 1976 aus der Sowjet-Ära ersetzen und die politischen und wirtschaftlichen Veränderungen widerspiegeln, um das Einparteiensystem auch in der Zukunft zu festigen.

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Mit der Reform will sich Kuba weiter der Marktwirtschaft öffnen und die Rechte seiner Bürgerinnen und Bürger stärken. Das Parlament in Havanna begann am Samstag Beratungen über eine neue Verfassung, die Privatbesitz legalisieren und unter anderem den Weg für die gleichgeschlechtliche Ehe frei machen soll. Das Ziel der Schaffung einer „kommunistischen Gesellschaft“ wird in der neuen Verfassung gestrichen.

Kubas Präsident Miguel Diaz-Canel applaudiert dem ehemaligen Präsident Raul Castro

APA/AFP/Jorge Beltran

Präsident Diaz-Canel applaudiert seinem Vorgänger Raul Castro

„Kubanisches sozialistisches Modell“ bleibt erhalten

Der Sekretär des Staatsrats, Homero Acosta, sagte, das „kubanische sozialistische Modell“ bleibe im Prinzip erhalten mit der führenden Rolle der Kommunistischen Partei und der Staatswirtschaft, doch bedürfe es Veränderungen. Die Gesellschaft und die Wirtschaft hätten sich gewandelt, und das müsse sich auch in der Verfassung widerspiegeln, sagte Acosta im Parlament an der Seite von Präsident Miguel Diaz-Canel.

Kuba: Beratungen über Verfassung

Das kubanische Parlament plant eine leichte Lockerung der sozialistischen Wirtschaftsordnung. Der neue Verfassungsentwurf könnte auch mehr Rechte für Homosexuelle bringen.

Dieser hatte die Verfassung mit seinem Vorgänger Raul Castro ausgearbeitet, der als Erster Sekretär der Kommunistischen Partei weiter große Macht besitzt. Castro hatte als Nachfolger seines über Jahrzehnte regierenden Bruders Fidel Castro das Land seit 2008 schrittweise für die Marktwirtschaft geöffnet und Privatbesitz sowie ausländische Investitionen zugelassen. Mit der Verfassung soll diese Öffnung nun weitergeführt werden.

Anerkennung von Privateigentum

Derzeit arbeiten in dem karibischen Inselstaat rund 591.000 Menschen im Privatsektor, der für 13 Prozent der Wirtschaftsleistung aufkommt. Acosta sagte, die Rolle des Marktes könne „nicht ignoriert werden“, und der Privatbesitz sei heute eine Realität des „wirtschaftlichen und sozialen Modells“ Kubas. Kleine und mittlere Unternehmen sollten rechtlich anerkannt werden, doch müsse die „Fähigkeit des Staates zur Leitung und Kontrolle“ der Wirtschaft bewahrt werden. Mit der Anerkennung des Privateigentums bedeute die neue Verfassung eine „interne ideologische Öffnung“, sagte der kubanische Politikanalyst Arturo Lopez-Levy. Künftig werde die kubanische Wirtschaft eine „Mischwirtschaft“ sein.

Kubanische Blumenhändlerin

APA/AFP/Yamil Lage

Kubas Führung will den Privatsektor nicht länger „ignorieren“

Verteilte Macht

Die Reform sieht auch vor, dass die Macht künftig zwischen Staatspräsident und Regierungschef aufgeteilt wird. Dafür wird das Amt eines Ministerpräsidenten wiedereingeführt, das 1976 gestrichen wurde. Die Amtszeit des Präsidenten wird zudem auf zwei fünfjährige Amtszeiten begrenzt, Kandidaten dürfen nicht älter als 60 Jahre sein. Sowohl Fidel als auch Raul Castro waren beide älter als 80, als sie die Macht abgaben.

Mit der neuen Verfassung werden außerdem der Weg für die „Ehe für alle“ frei gemacht und die Gleichberechtigung von Homosexuellen vorangetrieben. In Artikel 68 des Verfassungsentwurfs wird die Ehe als „freiwillig geschlossener Bund zwischen zwei Personen“ definiert. Das Geschlecht der Beteiligten werde nicht festgelegt, sagte Costa. Bisher wurde die Ehe als „freiwilliger Bund zwischen einem Mann und einer Frau“ definiert.

Lesben- und Schwulenvereinigung während eines Marsches in Havana

Reuters

Die LGBT-Gemeinschaft darf auf bessere Zeiten hoffen

Der Journalist und Aktivist Francisco Rodriguez nannte den Entwurf „eine offene Tür“ für die Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe. Dass der Text auch das „Prinzip der Nichtdiskriminierung wegen der sexuellen Orientierung“ beinhalte, erlaube es, die Gleichberechtigung von Schwulen, Lesben, Bisexuellen und Transgender (LGBT) in der Rechtsordnung festzuschreiben.

Castros Tochter kämpft für Homosexuelle

Sexuelle Minderheiten wurden in Kuba lange Zeit stigmatisiert. Homosexuelle wurden oftmals in „Umerziehungslager“ gesteckt und systematisch vom Staatsdienst ferngehalten. 2010 gestand Revolutionsführer Fidel Castro „Ungerechtigkeiten“ gegenüber Homosexuellen ein, die zahlreiche Intellektuelle und Künstler in den 60er, 70er und 80er Jahren ins Exil getrieben hätten. Für die Rechte sexueller Minderheiten sowie für die Frauenrechte setzt sich seit Jahren die Abgeordnete und Tochter von Raul Castro, Mariela Castro, ein.

Das Parlament soll bis Montag über die 224 Artikel der neuen Verfassung abstimmen. Danach soll der Text den Bürgern und Bürgerinnen in einem Referendum vorgelegt werden. Die Kommunistische Partei hat die Reform bereits abgesegnet.

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