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Zu viel Mode landet im Müll

Kunstfasern wie Polyester sind in der Bekleidungsindustrie beliebt, weil sie strapazierfähig und günstig sind. Da die Ökobilanz dieser Materialien aber schlecht ist, setzen immer mehr Unternehmen auf Recycling. Doch auch dieser Ansatz greife zu kurz, kritisieren Umweltorganisationen. Denn es würde viel zu viel produziert, gekauft und weggeworfen.

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Wer shoppen geht, der sieht die beliebten Kunstfasern überall: In der Textilproduktion bestehen fast zwei Drittel aller Materialien aus erdölbasierten Kunststoffen, allen voran Polyester. Egal ob Abendkleid, Trainingsanzug oder Sportschuhe, fast jeder trägt die Stoffe, die aus Erdöl hergestellt werden, auf der Haut.

Müllberge aus Polyester

Laut einer Erhebung der Umweltorganisation Greenpeace ist der Einsatz von Polyester in der Textilindustrie in den Jahren 2000 bis 2016 von 8,3 Millionen Tonnen auf 21,3 Millionen Tonnen gestiegen. Polyester ist damit zum wichtigsten Material eines modischen Phänomens geworden, das als „Fast Fashion“ bezeichnet wird. In der schnelllebigen Mode der Gegenwart gibt es längst nicht mehr nur eine Sommer- und eine Winterkollektion.

Geschäft für Sportschuhe

Reuters/Hannibal Hanschke

In Österreich kaufen die Menschen durchschnittlich sechs paar Schuhe pro Jahr - zu viele, um nachhaltig zu sein

Billige Großunternehmen bringen wöchentlich neue Modelle in ihre Geschäfte und auch die teuren Marken schieben regelmäßig Zwischenkollektionen ein. Die Qualität dieser Kleidung ist meist schlecht bzw. sind die Designs nicht auf Langlebigkeit ausgelegt. „Fast Fashion“ ist so konzipiert, dass sie etwa zehnmal getragen wird. Werden Schuhwerk und Kleidung nicht mehr gebraucht, landen sie im Müll und damit jede Menge wertvolles Erdöl.

Auf recycelten Sohlen

Weil Plastikmüll nicht unbedingt gut für das Image ist, setzen immer mehr Modeunternehmen auf recycelten Polyester, vor allem in der Sportbekleidungsindustrie. Der Weltmarktführer Nike gibt an, dass drei Viertel ihrer Sportschuhe aus recycelten Materialien bestünden.

Puma möchte noch in diesem Jahr eine Kollektion auf den Markt bringen, die fast gänzlich aus wiederverwertetem Polyester besteht. Auf Anfrage von ORF.at heißt es von Puma, dass das Unternehmen bisher hauptsächlich mit Bluesign zertifiziertem Polyester gearbeitet habe, das zwar nicht recycelt, aber zumindest energieeffizienter produziert wird.

Umstellung braucht Zeit

Adidas hat nun angekündigt, zukünftig bei Sportschuhen und Bekleidung auf neu produzierte Synthetikfasern zu verzichten und ausschließlich recycelte Polyestermaterialien zu verarbeiten. Die Deadline, die sich das internationale Unternehmen mit Hauptsitz im deutschen Herzogenaurach dafür gesetzt hat, ist 2024, wie die „Financial Times“ berichtet.

Plastikflaschen

Reuters/Kham

Recycelter Polyester wird fast immer aus Plastikflaschen gewonnen, nur selten wird alte Bekleidung verwertet

Eine Umstellung von heute auf morgen sei nicht möglich, weil die recycelten Materialien wesentlich teurer sind. Adidas-Vorstand Erich Liedtke erklärte der „Financial Times“ dazu, dass das Unternehmen jedes Jahr nur einen kleinen Teil der höheren Kosten abfedern könne. Nachhaltige Polyestermaterialien sind um zehn bis zwanzig Prozent teurer als neu produzierte. Deswegen wolle man sich sechs Jahre Zeit dafür nehmen, so Liedtke.

Von der Waschmaschine ins Meer

Umweltschutzorganisationen wie Greenpeace und Global 2000 sehen diese Entwicklung zwar positiv, alle Umweltprobleme, die mit dem massenhaften Einsatz von Polyester verbunden sind, würden so aber nicht gelöst. „Wird weniger Plastik neu produziert, landet über kurz oder lang auch weniger Plastik in unserer Umwelt, und vor allem in unseren Ozeanen“, sagt Lukas Meus von Greenpeace Österreich gegenüber ORF.at. Aber Bekleidung aus Polyester sei ein Umweltproblem an sich.

Werden Kleidungsstücke aus Polyester gewaschen, kommt es zum Abrieb winziger synthetischer Fasern, die über das Abwasser in den Ozeanen landen, wo sie Hunderte Jahre im Umlauf bleiben. An diesen Mikro- und Nanopartikeln können sich zahlreiche Schadstoffe anlagern. Fische und andere Meeresbewohner schlucken diese belasteten Partikel. „Und die landen dann schließlich auf unseren Tellern und damit in der menschlichen Nahrungskette“, so Meus. Das Mikroplastik im Meer sei also längst nicht mehr nur ein Problem für das marine Ökosystem.

Flasche wird Schuhsohle wird Abfall

Lisa Kernegger von Global 2000 betont in diesem Zusammenhang, dass der Recyclinganteil bei Kunststoffen insgesamt sehr gering sei. „Betrachtet man die gesamte Menge an Kunststoffe und Kunstfasern, die der Mensch jemals produziert hat, dann wurden nur neun Prozent davon recycelt“, so Kernegger. Laut der US-Studie, für die diese Berechnung angestellt wurde, sind weitere zwölf Prozent in der Müllverbrennung gelandet, während 79 Prozent des Kunststoffs auf Mülldeponien lagern oder in der Umwelt verteilt sind.

Kind auf Müllhalde in Indien

APA/AFP/Dominique Faget

79 Prozent des weltweit produzierten Kunststoffs landen auf Mülldeponien

In Österreich würden zumindest 28 Prozent der Kunststoffe wiederverwertet, so Kernegger. Diese Recyclingkreisläufe seien aber mitunter wenig effizient. Denn das bevorzugte Ausgangsmaterial für Kunstfasern seien PET-Getränkeflaschen und nur sehr selten weggeworfene Kleidungsstücke oder Schuhe aus Polyester. „PET-Flaschen sind gewissermaßen sortenrein und nur wenig verunreinigt, deswegen sind sie auch so interessant für das Recycling“, so Kernegger. Kleidung und Schuhe landen also nach wie vor auf der Deponie oder in der Müllverbrennung.

Aus sechs mach eins

Recycelten Polyester einzusetzen sei zwar ein guter Ansatz, wichtiger wäre es aber, weniger Kleidung und Schuhe zu kaufen. „In Österreich kaufen die Menschen durchschnittlich sechs Paar Schuhe pro Jahr, die dann schon bald im Müll landen“, so Kernegger. Ein Paar hochwertige Schuhe zu kaufen, das man lange verwenden kann, wäre für die Umwelt wesentlich besser.

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