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Von Kriegsrhetorik bis Ustascha-Gedenken

Die kroatische Nationalmannschaft sorgt mit ihrem Erfolg bei der Fußball-WM in Russland für eine sportliche Überraschung. Abseits des Bewerbs fallen die kroatischen Spieler und Fans jedoch mit ultranationalistischen Aussagen und Gesten auf. Die Disziplinarstrafen des Fußballweltverbandes (FIFA) scheinen nichts daran zu ändern.

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Vergangenen Samstag feierte eine Gruppe kroatischer Fans den Sieg ihrer Mannschaft über die Gastgebermannschaft Russland rund um die Ottakringerstraße in Wien. Doch die Männer und Frauen jubelten nicht nur über ihr Team.

Man sah dort Fahnen der faschistischen Ustascha-Bewegung, Aufkleber mit dem Schriftzug „Endsieg“ und schräg in die Luft gestreckte Arme. Das Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung Wien hat Ermittlungen wegen mutmaßlicher nationalsozialistischer Wiederbetätigung aufgenommen.

Sie singen „für die Heimat“

Am Mittwochabend, nach dem Einzug der Kroaten ins Finale, wiederholten sich diese Szenen nicht. Das Polizeiaufgebot in Ottakring war größer, auch weil es mediale Kritik am politischen Fanatismus der Fans gab. Eine Kritik, die eine der feiernden Anhängerinnen nach dem Sieg gegen England nicht nachvollziehen konnte. „Wenn ich für Österreich spiele, habe ich einen Adler und wenn ich für Kroatien spiele, bin ich halt Ustascha“, meinte die junge Frau lapidar.

Kroatische Fans

Reuters/Carl Recine

Die kroatischen Fans feierten ihre Mannschaft im Stadion nach dem Einzug ins Finale

Bezüge zu den Ustascha, einer faschistischen Bewegung, die von 1941 bis 1945 mit den Nationalsozialisten kollaborierte, gibt es nicht nur vonseiten der kroatischen Fans. Nach dem Vorrundenspiel gegen Argentinien tauchte online ein Video auf, das die beiden Verteidiger Dejan Lovren und Sime Vrsaljko in der Mannschaftskabine zeigte. Sie sangen das nationalistische Kriegslied „Bojna Cavoglave“ der kroatischen Band Thompson. Es beginnt mit dem Gruß „Za Dom - Spremni!“, der auf Deutsch so viel wie „Für die Heimat - bereit!“ bedeutet und der Gruß der faschistischen Ustascha war.

Nationalismus als politischer Mainstream

Die Lieder, die der Sänger Marko Perkovic mit seiner Band spielt, hätten sehr oft rechtsextreme, nationalistische Inhalte, sagt Dario Brentin vom Zentrum für Südosteuropastudien der Universität Graz. In Kroatien gelte es aber als politischer Mainstream, Thompson zu hören und zu deren Konzerten zu gehen. In Österreich wurden mehrmals Thompson-Konzerte nach Protesten im Vorfeld abgesagt.

Es gilt als sehr wahrscheinlich, dass Thompson ein Konzert auf dem Zagreber Hauptplatz spielen wird, wenn die kroatische Nationalmannschaft nach der WM in die Heimat zurückkehrt. Die Lieder der Band, auch jene mit faschistischen Bezügen, werden aber sicher gespielt werden. „In Kroatien selbst und bei der kroatischen Diaspora ist es seit den 90er Jahren zu einer schleichenden Banalisierung totalitärer und faschistischer Symbolik gekommen“, so Brentin im Gespräch mit ORF.at.

Verharmlosung seit 25 Jahren

Dass gerade der Fußball so stark von dieser Verharmlosung betroffen sei, liege an der engen politischen Verbindung von Sport und Nationalismus in Kroatien. Eine Verbindung, die schon der erste kroatische Präsident Franjo Tudjman Anfang der 90er Jahre kultiviert habe, erläutert Brentin. Für ihn waren die Spieler der Fußballnationalmannschaft Botschafter der jungen Nation nach außen, während sie nach innen für die mobilisierende Kraft des Nationalstolzes standen. Eine Nation erkenne man im Krieg und im Sport, erklärte Tudjman damals.

Diese Verharmlosung sei aber nicht Teil der öffentlichen Debatte, kritisiert Brentin. Nationalistische Gesten von Spielern oder diskriminierende Plakate in Fankurven bei WM-Spielen würden von der FIFA zwar geahndet, eine ernsthafte Diskussion über Nationalismus im Fußball gebe es allerdings nicht.

Stutzen teurer als Wiederbetätigung

Bisher hat die FIFA bei der WM mehr als eine 650.000 Euro an Bußgeldern wegen Disziplinarvergehen eingenommen. Die höchsten Zahlungen wurden aber nicht wegen diskriminierender Äußerungen von Fans und Spielern fällig, sondern wegen der Missachtung der Marketingbestimmungen. Der schwedische Fußballverband musste beispielsweise wegen Stutzen einer nicht lizenzierten Marke einmal 60.000 Euro, ein anderes Mal fast 43.000 Euro zahlen. Insgesamt hat die FIFA bei dieser WM knapp 250.000 Euro Strafen wegen falscher Stutzen verhängt.

Andreas Granqvist gegen Raheem Sterling

APA/AFP/Fabrice Coffrini

Andreas Granqvists Stutzen waren nicht von der FIFA lizenziert - das brachte eine 60.000 Euro-Strafe

Ein Plakat russischer Fans mit einem Code, der für „Heil Hitler“ steht, zog eine Strafe in der Höhe von rund 8.500 Euro nach sich. Gleich hoch wurden die Schweizer Nationalspieler Xherdan Shaqiri und Granit Xhaka bestraft. Sie formten beim Torjubel im Spiel gegen Serbien mit den Händen den doppelköpfigen Adler, der die Flagge Albaniens ziert. Beide haben Wurzeln im Kosovo.

Nach diesem Spiel forderte der serbische Trainer Mladen Krstajic, man solle den deutschen Schiedsrichter Felix Brych vor das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag stellen, weil er das Team ungerecht behandelt habe. Diese Äußerung wurde mit rund 4.000 Euro geahndet.

„Ein Sieg für die Ukraine“

Für eine politische Kontroverse sorgte auch der Siegesjubel des kroatischen Verteidigers Domagoj Vida nach dem Viertelfinal-Spiel gegen Russland. Er jubelte gemeinsam mit dem Mannschaftsbetreuer Ognjen Vukojevic in einem Video, das sei ein Sieg für Dynamo Kiew und die Ukraine. Vida stand einige Jahre in Kiew unter Vertrag. Im Namen der beiden bat der kroatische Fußballverband die russische Öffentlichkeit um Entschuldigung.

Domagoj Vida jubelt

AP/Frank Augstein

Der Verteidiger Domagoj Vida widmete den Sieg gegen Russland seinem früheren Verein Dynamo Kiev

Vida kam mit einer Verwarnung vonseiten der FIFA davon. Für Vukojevic musste der kroatische Verband knapp 13.000 Euro Strafe zahlen. Beim Strafmaß habe die FIFA den Umstand berücksichtigt, dass der Betreuer infolge der Ukraine-Äußerungen entlassen wurde. Die teuerste Disziplinarübertretung für den kroatischen Verband war das dennoch nicht. Der Verstoß gegen die Marketingbestimmungen eines Mannschaftsmitglieds, das beim Match gegen Dänemark aus einer Dose ein Getränk einer nicht lizenzierten Marke auf dem Spielfeld konsumierte, kostete 60.000 Euro.

Große Diskrepanz bei Strafen

Diese Diskrepanz bei den Strafen würde ein falsches Signal aussenden, sagt Kurt Wachter von Fairplay - Initiative für Vielfalt und Antidiskriminierung im Fußball. Und die Strafen alleine würden auch wenig am Verhalten der Fans oder Spieler ändern, wenn die nationalen Fußballvereine kein Umdenken einfordern. Abgesehen davon könnte man die Strafgelder auch für Anti-Diskriminierungs- oder Anti-Nationalismus-Kampagnen einsetzen.

„Die Union der Europäischen Fußballverbände (UEFA, Anm.) macht genau das, die verwendet die Disziplinarstrafen für die Unterstützung von NGOs in diesem Bereich“, so Wachter. Die UEFA unterstützt beispielsweise das Fare-Network, das sich gegen Rassismus im Fußball einsetzt. „Die FIFA sollte einen ähnlichen Weg einschlagen, denn die Strafen an sich sind für viele Verbände lächerlich gering“, so Wachter.

Viele Vorfälle unbeachtet

Was nationalistische und rassistische Vorfälle bei dieser WM betrifft, möchte Wachter noch keine Bilanz ziehen. Aber es habe einige gegeben, die vollkommen unbeachtet geblieben sind, etwa beim Spiel Kroatien gegen Argentinien. „Dort hat die kroatische Fankurve auch nationalistische Anfeuerungsrufe skandiert und die Nation gewissermaßen in den Kampf geschickt, aber das wurde nicht erwähnt und blieb ohne Folgen“, sagt Wachter.

Nach Ansicht Brentins ist die Debatte zur verschwimmenden Grenze zwischen Patriotismus und Nationalismus im Fußball bis dato viel zu kurz gekommen. „In den Medien wird viel mehr über den angeblichen Mangel an Patriotismus mancher Spieler diskutiert als über die ultranationalistischen Tendenzen bei anderen Spielern und Fans“, so Brentin. Letzteres müsse unbedingt nachgeholt werden.

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