Weiter Staatsbeihilfen für Atomkraftwerk
Das Gericht der Europäischen Union (EuG) in Luxemburg hat am Donnerstag die Klage Österreichs gegen Staatsbeihilfen für den geplanten neuen Meiler des britischen Atomkraftwerks Hinkley Point abgewiesen.
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Die EU-Kommission genehmigte die britischen Staatsbeihilfen im Jahr 2014. Großbritannien hatte den AKW-Betreibern einen hohen garantierten Einspeisetarif für 35 Jahre zugesagt. Die damalige SPÖ-ÖVP-Regierung reichte im Juli 2015 eine Klage dagegen ein. Darin wurde gefordert, dass die Genehmigung der EU-Kommission für diese Beihilfen für nichtig erklärt wird.

Reuters/Toby Melville
Ein „gemeinsames Interesse“ soll laut EuG die Beihilfen für den Bau des neuen Meilers rechtfertigen
„Gemeinsames Interesse“ rechtfertigt Beihilfen
Das EuG, das erstinstanzliche Gericht des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), stellte nun fest, dass das Ziel eines „gemeinsamen“ Interesses, das eine Beihilfe zur Förderung der Entwicklung eines gewissen Wirtschaftszweigs rechtfertige, nicht unbedingt im Interesse aller Mitgliedsstaaten oder der Mehrheit der Mitgliedsstaaten liegen müsse. Auch decke sich das Ziel der Förderung der Kernenergie mit dem Ziel der Europäischen Atomgemeinschaft (Euratom), Investitionen im Bereich der Kernenergie zu erleichtern.
Außerdem ergebe sich aus dem Vertrag über die Arbeitsweise der Union (AEUV), dass jeder Mitgliedsstaat das Recht habe, zwischen verschiedenen Energiequellen zu wählen. Zu dem Vorbringen Österreichs, die Technologie des Kernkraftwerks Hinkley Point C sei nicht neuartig, stellte das Gericht fest, dass weder die Vorschriften über staatliche Beihilfen noch der Euratom-Vertrag eine technische Innovation verlangen würden. Jedenfalls stehe fest, dass die Technologie des Kernkraftwerks Hinkley Point C fortschrittlicher sei als die der Kernkraftwerke, die es ersetzen soll.
Zudem stellte die EU-Kommission fest, dass Investitionen in die Kernenergie immer mit massiven Risiken verbunden seien, da marktbasierte Finanzinstrumente und andere Vertragstypen zur Absicherung fehlen würden. Das EuG schrieb in seiner Urteilsbegründung, dass ein Eingreifen des Staates daher notwendig und nicht zu beanstanden gewesen sei.
Österreich sei es auch nicht gelungen, die Feststellung der Kommission zu entkräften, dass es unrealistisch sei, vergleichbare Kapazitäten zur Erzeugung von Windenergie in derselben Zeit zu schaffen.
Ministerium bedauert Abweisung der Klage
Das sei eine bedauerliche Entscheidung, hieß es aus dem österreichischen Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus (BMNT). Die Abweisung sei schwer nachvollziehbar. Österreich sei nach wie vor der Ansicht, dass die Europäische Kommission hier nicht korrekt gehandelt habe, nicht nur in rechtlicher, sondern auch in politischer Hinsicht. Eine mögliche Berufung soll nun geprüft werden.
Das Ministerium halte es für ein falsches Signal, wenn Subventionen für den Bau von Kernkraftwerken als unbedenklich eingestuft würden. Es handle sich um einen problematischen Zugang, wenn Beihilfen für erneuerbare Energieträger erschwert würden, andererseits aber Betriebshilfen für Kernkraftwerke über einen Zeitraum von 35 Jahren auf Kosten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler bewilligt würden.
„Ohne Beihilfen gäbe es keine AKWs mehr“
In dem „Contract for the Hinkley Point C New Nuclear Power Station“ wird dem Betreiber des Kernkraftwerks 35 Jahre lang ein fixer Preis garantiert. Wenn der Marktpreis unter dem garantierten Tarif liegt, soll der Betreiber den Differenzbetrag vom Staat vergütet bekommen. Darüber hinaus sind eine staatliche Kreditgarantie und eine Kompensationszusage für eine Schließung der Anlage aus politischen Gründen vorgesehen. Dieses Subventionsmodell ist, so das Ministerium, „ein Präzedenzfall für weitere AKW-Neubauten in der EU“.
Michel Reimon, wettbewerbspolitischer Sprecher der Grünen und Kodelegationsleiter im Europaparlament, sagte: „Ohne staatlichen Beihilfen gäbe es schlichtweg keine neuen Atomkraftwerke in Europa. Nach Jahrzehnten an Subventionen bleibt Atomkraft teuer, unrentabel und unberechenbar. Die Kommission hält an Wettbewerbsverzerrung im Energiesektor fest - zulasten unserer Sicherheit und unserer erneuerbaren Zukunft. Dabei versteckt sie sich hinter dem verstaubten Euratom-Vertrag. Die österreichische Ratspräsidentschaft und Umweltministerin Elisabeth Köstinger müssen die Reform des Euratom-Vertrages zur Priorität machen, um eine Neuausrichtung der europäischen Energiepolitik gegen die Atomlobby zu beginnen.“
Kritik von Umweltorganisationen
Das EuG-Urteil stößt auf Kritik bei Umweltschützern: „Offenkundig wollen die Richter des Europäischen Gerichts genauso wie die Europäische Kommission diesen gewichtigen Unterschied zwischen dem veralteten Euratom-Fördervertrag und Lissaboner Vertrag der Europäischen Union nicht anerkennen, nach dem Atomkraft natürlich kein gemeinsames Interesse der Union ist“, so Patricia Lorenz, Anti-Atom-Sprecherin von Global 2000.
Die EU dürfe nicht zur Atomunion werden, die „ganz offen die Förderung einer Hochrisikotechnologie mit Steuergeldern gewährt“, so Lorenz. Global 2000 fordere daher einen Austritt aus dem Euratom-Vertrag, der 1958 in Kraft getreten ist. Österreich trat Euratom 1995 bei und ist seitdem Mitglied der Gemeinschaft.
Greenpeace: „Regierung muss in Berufung gehen“
Greenpeace fordert in einer Aussendung die österreichische Bundesregierung auf, gegen das Urteil zu berufen. Schließlich sei Atomkraft nicht nur gefährlich, sondern ohne das Geld der Steuerzahler und Steuerzahlerinnen nicht finanzierbar, so die Umweltorganisation.
„Das Europäische Gericht hat heute die Gelegenheit verpasst, um Atomenergie in die Geschichtsbücher zu verbannen“, sagte Adam Pawloff, Anti-Atom-Sprecher bei Greenpeace in Österreich. „Die österreichische Regierung muss ihren Kampf gegen die Atomlobby entschlossen weiterführen und gegen das Urteil berufen. Es kann nicht sein, dass Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zur Kassa gebeten werden, um veraltete Hochrisikotechnologien zu finanzieren, die sonst auf dem Strommarkt nicht bestehen könnten.“
108 Milliarden Euro Subventionen
Laut Greenpeace dürften sich die von der EU-Kommission genehmigten britischen Atomsubventionen für Hinkley Point auf bis zu 108 Milliarden Euro summieren. Nach Angaben der EU-Kommission von 2014 wurden die Baukosten auf 24,5 Mrd. Pfund (27,60 Mrd. Euro) geschätzt.
Die Inbetriebnahme war ursprünglich für 2023 vorgesehen, und die erwartete Lebensdauer soll 60 Jahre betragen. Die beiden Reaktoren von Hinkley Point C sollen insgesamt 3,3 Gigawatt Strom erzeugen - sieben Prozent der britischen Elektrizitätsproduktion und mehr als jedes andere Kraftwerk in Großbritannien liefert.
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