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„Auch Männer müssen sich ändern“

Die Bilanz am Frauentag am 8. März hat gezeigt: Das Lohngefälle zwischen Männern und Frauen ist in Österreich im EU-Vergleich weiter besonders groß. Und es ist noch ein langwieriger Prozess - denn die Ursachen sind teils gesellschaftlich tief verwurzelt. Neben der Tatsache, dass Männer nach wie vor nur einen Bruchteil der unbezahlten Arbeit leisten, ist es vor allem eines: die „Geheimniskrämerei“ rund um die Gehälter.

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Aus ihrer Beratungstätigkeit weiß die Wiener Karriereberaterin Sonja Rieder, wie schwierig gerade für jobsuchende Frauen das Thema Gehalt ist. Das habe damit zu tun, dass es noch immer ein Tabu sei, offen über Gehalt zu reden, so Rieder gegenüber ORF.at. Diese „Geheimniskrämerei“ erschwere eine realistische Einschätzung besonders für Frauen: ob sie angemessen bezahlt werden oder was sie in Verhandlungen fordern sollen. Es fehle einfach die Vergleichsmöglichkeit. Man könnte das Tabu ja im Privaten durchbrechen, „aber auch das wird wenig gemacht“.

Für Mehrheit ein schwieriges Thema

Dass das offene Sprechen über das eigene Gehalt noch immer ein Tabu ist, bestätigt auch Christoph Weissenböck vom Jobportal Karriere.at. Bei einer Umfrage im Sommer des Vorjahres gaben 48 Prozent der 651 Befragten an, sie würden nur mit Familie und Freundinnen oder Freunden darüber sprechen, neun Prozent waren unter gar keinen Umständen dazu bereit. Immerhin 23 Prozent gaben an, auch mit Kolleginnen und Kollegen über ihr Gehalt zu sprechen - darin sieht Weissenböck ein Indiz für eine langsame Veränderung.

Gender Pay Gap seit 2006 - Säulengrafik

Grafik: ORF.at; Quelle: Statistik Austria

Rieder sieht dennoch die Zeit noch nicht gekommen, um als Frau in Gehaltsverhandlungen offen auf Geschlechterdiskriminierung hinzuweisen - auch wenn eine Frau etwa wisse, dass ihr männlicher Kollege für die gleiche Arbeit mehr erhalte. Davon würde sie explizit abraten, denn es sei „zu befürchten, dass sich das negativ auswirkt“.

Auf Frauen setzen als Überlebensstrategie

Für Karin Schetelig vom Beratungsunternehmen Boston Consulting Group (BCG) ist es bis zur echten Gleichstellung von Frauen in der Arbeitswelt noch ein weiter Weg - „40 bis 50 Jahre mindestens, wenn sich die Entwicklung im derzeitigen Tempo fortsetzt“, meinte sie, „zu hoffen ist aber natürlich, dass sich die Entwicklung in Richtung Gleichstellung beschleunigt“. Sehr wohl sei aber einiges in Bewegung geraten. In Österreich sei es mittlerweile gelungen, die Beschäftigungsquote bei Frauen deutlich zu erhöhen, auch wenn viele davon in Teilzeit arbeiteten.

Sie sieht vor allem große Chancen für Frauen, in Führungspositionen aufzusteigen. „Unternehmen, die überleben wollen“, müssten auf Diversität setzen, denn das bringe nachweislich mehr Innovation, so Schetelig unter Verweis auf zwei diesbezügliche Studien von Boston Consulting. Angesichts der Hochkonjunktur und der Tatsache, dass eine ganze Managergeneration in den nächsten Jahren in Pension gehe, gebe es in immer mehr Branchen einen Führungskräftemangel. Und der Anteil von Frauen mit akademischer Ausbildung steige in vielen Bereichen ständig.

Männer und Firmen müssen flexibler werden

Derzeit gebe es noch „starke Klischees, wie eine Führungskraft zu sein hat“ - dazu gehöre vor allem, dass sie Vollzeit tätig und immer verfügbar zu sein hat. Schetelig ist aber überzeugt, dass Unternehmen grundsätzlich veränderungswillig sind. Sie wüssten aber oft nicht, wie sie es anstellen müssten.

Neben der Möglichkeit, den Job mit dem Privatleben vereinbaren zu können, brauche es unter anderem auch Tutorenprogramme, mit denen einzelne Frauen in Unternehmen individuell und gezielt gefördert werden. Vor allem aber betont Schetelig, dass sich „auch die Männer ändern“ müssten. Diese müssten sich etwa mehr um die gemeinsamen Kinder kümmern, um so die Frauen zu entlasten. Es müsse - ähnlich wie in Skandinavien - mehr zur Normalität werden, dass Männer auch temporär Arbeitszeit reduzieren. Und da sei die Vorbildfunktion besonders wichtig: Wenn männliche Führungskräfte das vormachen, wirke sich das positiv aus.

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