Milliardenschwere Investitionen
Mit milliardenschweren Investitionen in Infrastrukturprojekte auf dem Balkan wird Chinas Dominanzstreben in Europa deutlich. Zur Aufbesserung maroder Straßen- und Bahnnetze wird in der Region dringend Geld benötigt. Auf der Halbinsel glaubt man, in China aufgrund niedriger Zinssätzen und weniger Bedingungen einen geeigneten Investor gefunden zu haben. Und auch für Peking sind Länder wie Serbien und Griechenland von strategischer Bedeutung.
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Während die EU bei großen Investitionen zögert, zeigt man sich in China beschlussfreudig. Und so wurden binnen weniger Jahre auf dem Balkan eine Reihe von Deals mit China beschlossen: etwa die Hochgeschwindigkeitszugsstrecke von Belgrad nach Budapest und der Erwerb einer Kontrollbeteiligung am griechischen Hafen Piräus. Langsam, aber sicher kommt Peking seinen Bestrebungen zur Wiederbelebung der Seidenstraße näher.

APA/AP/Darko Vojinovic
Bauarbeiten im Zuge der Errichtung der Hochgeschwindigkeitsstrecke von Belgrad nach Budapest
Die „Neue Seidenstraße“ (One Belt, One Road) ist ein Infrastrukturprojekt, das darauf abzielt, die Volksrepublik China mit 64 Ländern Asiens, Afrikas und Europas zu verbinden. Der Balkan soll im Zuge dessen als Korridor Europas dienen. Und in Ländern wie Serbien und Bosnien und Herzegowina, deren Infrastruktur beinahe zwei Jahrzehnte nach dem Balkan-Krieg nur dürftig ausgebaut wurde, begegnet man den Projekten mit Euphorie.
Mehr Geld für Nicht-EU-Länder
Die Ergebnisse einer Studie des Thinktanks Center for Strategic and International Studies (CSIS) erscheinen daher wenig überraschend. Pekings Pakte mit den Nicht-EU-Ländern Albanien, Bosnien und Herzegowina, Mazedonien, Montenegro sowie Serbien hätten in den vergangenen beiden Jahren rund fünf Milliarden Dollar ausgemacht. Das ist mehr als die Hälfte von Chinas Investitionen in der Region. In den Ländern wird das chinesische Engagement dankbar angenommen: Den schwachen Wirtschaftssystemen ist schließlich auch der Zugang zum Strukturfonds der Europäischen Union verwehrt.
One Belt, One Road
Die „Neue Seidenstraße“ verläuft wie schon die antike Seidenstraße über einen Land- und einen Seeweg. Das Megaprojekt soll den Güterverkehr zwischen Europa und Asien verstärken.
Außerdem gilt die Tatsache, dass wenig rentable Projekte an nur wenige Bedingungen gebunden sind, als weiterer Pluspunkt auf dem Balkan. Auch die Zinssätze gelten als niedrig. So wurde 2014 etwa in Belgrad eine Brücke über die Donau fertiggestellt. Der Kostenpunkt lag bei 170 Millionen Euro, wovon ein Großteil von China übernommen wurde.
China als einziger Investor?
Peking investiert besonders dann, wenn bei der Ausführung der Projekte – wie im Fall der Brücke in Belgrad – chinesische Unternehmen beauftragt werden. „Wenn Chinas Angebot das einzige am Verhandlungstisch ist, dann hat China einen viel größeren Spielraum, Deals zu schließen, die seine Unternehmen, Arbeiter und so weiter mit einbezieht“, wird Jonathan Hillman, der das Reconnecting-Asia-Projekt des Center for Strategic and International Studies (CSIS) leitet, in der „Financial Times“ zitiert.
Da China sowohl von den niedrigen Preisen in den wirtschaftlich schwachen Balkan-Staaten wie auch vom Einbezug eigener Firmen und Arbeiter profitiert, erscheint sein Streben in der Region schlüssig. Die Balkan-Route ist für China strategisch bedeutend. Und so schloss die Volksrepublik laut Daten des CSIS im Zuge der „16+1“-Initiative in den Jahren 2016 und 2017 Deals in der Höhe von 9,4 Milliarden Dollar ab.
„16+1“-Initiative:
Die Initiative „16+1“ dient der verstärkten Kooperation zwischen 16 Staaten aus Zentral- und Osteuropa - nicht alle davon in der EU - sowie China.
Politischer Wettbewerb mit EU
Als erster Brückenschlag zum Balkan sowie besonderes Prestigeprojekt gilt der griechische Hafen Piräus. 600 Millionen Euro flossen in dessen Modernisierung. Die Investition war von Erfolg gekrönt: Mittlerweile zählt der Frachthafen zu den zehn größten Europas. Zudem ist er die Schlüsselstelle in Richtung Europa. So mancher Staat dankt Peking auch auf diplomatischem Weg. Griechenland, das größte Land der Balkan-Halbinsel, gilt da als berühmtes Beispiel. Als die EU vergangenes Jahr vor den Vereinten Nationen zu Chinas Menschenrechtsverletzungen Stellung beziehen wollte, wurde das von Athen verhindert.

Grafik: APA/ORF.at; Quelle: Xinhua
China und Europa werden sowohl auf dem Land- als auch auf dem Seeweg miteinander verbunden
Davon, dass Pekings Dominanzstreben in der Region neben der wirtschaftlichen Ebene auch auf der politischen stattfindet, ist auch der Leiter des WU-Instituts für International Business, Jonas Puck, im Gespräch mit ORF.at überzeugt: „Mit Sicherheit wird in China langfristig das Ziel, politisch Einfluss zu nehmen, verfolgt.“ Einer der Hebel für China ist die Initiative „16+1“: Mitglieder dort dürften auf vermehrte Investitionen Chinas hoffen. So eröffnete die Bank of China erst im Jänner 2017 mit einer Filiale in Belgrad ein regionales Finanzzentrum in Osteuropa.
„China könnte es gelingen, Europa zu spalten“
Doch in Europa gibt es auch Widerstand gegen die politischen und wirtschaftlichen Ambitionen der Supermacht. Im September warnte Sigmar Gabriel, der ehemalige deutsche Vizekanzler: „Wenn es uns nicht gelingt, eine eigene Strategie mit Blick auf China zu entwickeln, dann wird es China gelingen, Europa zu spalten.“ Die Aussage sorgte prompt zu diplomatischen Verstimmungen in Peking.
Generell wird die China-Balkan-Beziehung in der EU mit großer Skepsis beobachtet. WU-Professor Puck findet, dass es merkbar ist, dass China sich in einen politischen Wettbewerb mit der EU begibt. „Zum Beispiel hat Serbien, das nun Beitrittsverhandlungen mit der EU aufnimmt, als Einzelland mehr Optionen. Man muss sich schon fragen, wie sich Chinas Einbindung in Infrastrukturprojekte auf die Beitrittsverhandlungen auswirkt.“
Verlassene Baustellen in Polen
Kritik gibt es aber auch an der Verlässlichkeit Chinas in den Ländern der „16+1“. Polen etwa macht darauf aufmerksam, dass der chinesische Konzern Covec vor der Fußball-Europameisterschaft 2012 beim Autobahnbau ins Stocken geriet und als Auftragnehmer gekündigt wurde. Rumänien, ein weiterer EU-Staat, bemängelte, dass eine Vereinbarung mit China, zwei Atomkraftwerke zu bauen, keine Fortschritte mache.

APA/Bundesheer/Peter Lechner
Bundespräsident Van der Bellen und Bundeskanzler Kurz verabschieden den ersten Güterzug von Chengdu nach Wien
Österreich begrüßt die Infrastrukturprojekte der chinesischen Regierung unter Xi Jinping wiederum - solange sie Österreich etwas bringen: Infrastrukturminister Norbert Hofer (FPÖ) sieht die „Neue Seidenstraße“ als Chance, auch im Inland Tausende Arbeitsplätze zu schaffen. Bereits im April ist der erste direkte Güterzug aus China in Wien eingetroffen. Der Zug war zwei Wochen unterwegs und legte 9.800 Kilometer zurück. Dank eines Vertrags mit dem Transitland Russland soll die Fahrzeit bald auf zehn Tage verkürzt werden.
Zuletzt war im Zusammenhang mit der Seidenstraße ein Güter-Umladeknoten auf EU-Normalspur diskutiert worden, der voraussichtlich in der burgenländischen Ortschaft Parndorf an der A4 in der Nähe von Wien entstehen soll.
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