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Kurz betont historische Verantwortung

Neben Protesten und unter hohen Sicherheitsvorkehrungen hat der iranische Präsident Hassan Rouhani am Mittwoch Wien besucht. Dabei gab es unter anderem Gespräche mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Man wollte die Reihen schließen im Hinblick auf den internationalen Atomdeal und auch die wirtschaftliche Zusammenarbeit vorantreiben. Doch auch Streitfragen wurden deutlich.

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Zu einem verbalen Schlagabtausch kam es am Mittwoch im Bundeskanzleramt. Kurz betonte beim gemeinsamen Presseauftritt mit Rouhani, dass Österreich aufgrund seiner Geschichte „eine ganz besondere Verantwortung“ bezüglich Israel habe. „Aus unserer Sicht absolut inakzeptabel ist, wenn das Existenzrecht Israels infrage gestellt wird oder zur Vernichtung Israels aufgerufen wird. Die Sicherheit Israels ist für uns als Republik Österreich nicht verhandelbar.“

„Destruktive Rolle“ Israels

Rouhani, der einen Verweis auf das Existenzrecht Israels beim vorherigen Presseauftritt mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen noch unkommentiert gelassen hatte, reagierte scharf. Die Juden stünden in der Schuld des Iran, zudem hätten Iraner „gute Beziehungen zu den Juden in aller Welt“, so Rouhani. Anders sehe es mit den „Zionisten“ aus, die als „Besatzungsgruppe und Unterdrücker“ die Menschen etwa im Gazastreifen unterdrücken. Israel unterstütze zudem den Islamischen Staat (IS) in Syrien und habe eine „destruktive“ Rolle in der Region.

Rouhani und Bundeskanzler Kurz

Einigkeit gab es bei wirtschaftlicher Kooperation und Atomabkommen. Differenzen wurden beim Thema Israel deutlich.

Ein Sprecher des Kanzlers teilte später mit, dass Kurz mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu telefoniert habe, bevor er Rouhani empfing. „Es war dem Bundeskanzler wichtig, im Vorfeld des Besuchs die israelische Sichtweise zu hören.“ Netanjahu hatte zuvor den Empfang für den iranischen Präsidenten durch Österreich als „Beschwichtigungspolitik“ kritisiert.

Kritik von IKG und Wiesenthal-Zentrum

Im Vorfeld des Besuchs gab es zudem scharfe Kritik aus der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) und dem irankritischen Bündnis Stop the Bomb. In Deutschland rief am Dienstag die auflagenstarke „Bild“-Zeitung dazu auf, Rouhani auszuladen. Der Leiter des Simon-Wiesenthal-Zentrums in Jerusalem, Efraim Zuroff, verglich Rouhani mit Adolf Hitler und meinte mit Blick auf den Israel-Besuch des Kanzlers im Vormonat: „Die Einladung an Rouhani steht in krassem Gegensatz zur Sorge, die Kurz für die israelische Sicherheit ausgedrückt hat.“

Die IKG sah sich durch den Auftritt Rouhanis bestätigt: Dieser habe „die bekannte antisemitische Propaganda seines Regimes“ verbreitet, hieß es in einer Aussendung. „Dass Bundeskanzler Kurz beim Treffen mit Rouhani die iranische Politik der Schoah-Leugnung und die ständigen Drohungen gegen Israel verurteilt hat, ist ein erster wichtiger Schritt“, so IKG-Präsident Oskar Deutsch. Jetzt müssten weitere Schritte auf europäischer Ebene folgen.

Irans Staatschef Rouhani und Bundespräsident Van der Bellen

APA/Robert Jäger

Der iranische Präsident Rouhani wurde bei seinem Wien-Besuch mit militärischen Ehren empfangen

Schon im Vorfeld überschattet wurde der Besuch von einem diplomatischen Eklat um einen Mitarbeiter der iranischen Botschaft in Wien. Dieser war am Wochenende wegen Terrorverdachts von den deutschen Justizbehörden auf Basis eines europäischen Haftbefehls festgenommen worden. Das Außenministerium hatte mitgeteilt, dass dem Diplomaten sein offizieller Status entzogen werde.

Demos durch Platzverbot verbannt

Der Mann soll Sprengstoff für einen angeblichen Anschlag auf eine Versammlung von Tausenden Exil-Iranern in Paris besorgt haben. Außenminister Mohammed Dschawad Sarif sprach von einer „merkwürdigen Machenschaft unter falscher Flagge“, also einem Komplott, dass dem Iran „praktischerweise“ anlässlich von Rouhanis Europabesuch in die Schuhe geschoben werden sollte. Rouhani habe Österreich diesbezüglich zugesichert, „die Aufklärung zu unterstützen“, so Kurz.

Vor dem Auftritt im Bundeskanzleramt war Rouhani am Mittwochvormittag vom Bundespräsidenten mit militärischen Ehren am Inneren Burghof empfangen worden. Demonstranten von Stop the Bomb wurden wegen des weitreichenden Platzverbots auf die andere Seite des Rings verbannt und bezeichneten es als „demokratiepolitisch bedenklich“, außerhalb von Sicht- und Hörweite Rouhanis zu sein. „Wir betrachten es als fatal, dass diesem Regime der rote Teppich ausgerollt wird“, sagte Stop-the-Bomb-Vertreter Stephan Grigat gegenüber der APA. Er bezeichnete Rouhani als „das freundliche Gesicht des Terrors“ und forderte einen Sturz des iranischen Regimes.

Andreas Pfeifer über Rouhanis Wien-Besuch

ZIB-Auslandschef Andreas Pfeifer berichtet aus der Wiener Hofburg, welche Themen Bundespräsident Van der Bellen und der iranische Präsident Rouhani besprochen haben.

Inhaltlich gab es das erwartete klare Bekenntnis zum Atomdeal. Dabei pochte Rouhani darauf, dass ein Fortsetzen des Abkommens auch ohne die USA möglich sei - „unter der Voraussetzung, dass wir davon auch profitieren können“.

Van der Bellen bezeichnete den Atomdeal als „Schlüsselelement in der Nichtverbreitung von Atomwaffen“. Mit Blick auf die US-Kritik am Abkommen meinte er: „Das Nuklearabkommen war nie dazu gedacht, alle Probleme unserer Beziehungen zum Iran zu lösen. Das Nuklearabkommen mit dem Iran hat aus unserer Sicht ein Fenster geöffnet, um andere wichtige Probleme anzusprechen.“

Rouhani traf Van der Bellen

Bundespräsident Van der Bellen und der iranische Präsident Rouhani bekannten sich in der Pressekonferenz nach ihrem Treffen zum Fortbestehen des Atomdeals mit dem Iran.

Wie später Kurz betonte auch Van der Bellen die Notwendigkeit, einen Dialog mit dem Iran zu führen, mit dem Österreich eine jahrhundertelange gemeinsame Geschichte verbinde. Van der Bellen äußerte die Hoffnung, die Wirtschaftsbeziehungen trotz der ab August geltenden US-Sanktionen, die auch österreichische Firmen bedrohen, „nicht nur beizubehalten, sondern auch zu vertiefen“. Dazu sollte am Nachmittag auch ein Wirtschaftsforum beider Länder dienen.

Weitere Gespräche in Wien

Mit dem Ausstieg aus dem Atomabkommen hatten die USA neue Sanktionen angekündigt, von denen auch Österreich betroffen sein könnte. Diese Sekundärsanktionen widersprächen dem Völkerrecht, argumentierte Van der Bellen. Auch die EU-Kommission vertrete diesen Standpunkt. Die österreichischen Firmen müssten sich also entscheiden, ob sie mit den USA oder dem Iran Geschäfte machen wollen.

Am Freitag wird Wien wieder Schauplatz für diplomatische Gespräche mit dem Iran. Dann kommen die Außenminister der 4+1-Gruppe - die Außenminister aus Deutschland, China, Frankreich, Großbritannien sowie Russland - und des Iran zusammen, um über die Rettung des Atomdeals zu beraten. EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini bestätigte am Mittwoch das Treffen. Sie will selbst den Vorsitz führen.

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