Themenüberblick

Rückführungen trilateral geregelt

Schritt für Schritt geht es für Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel (CDU) Richtung Versöhnung mit der Schwesterpartei: Nachdem auf dem EU-Gipfel in Brüssel in der Nacht auf Freitag bereits Beschlüsse zur Verschärfung der Asylpolitik gefasst worden waren, traf sie noch andere Abkommen. Zusammen mit den Regierungen Spaniens und Griechenlands schloss sie eine politische Vereinbarung über die Rückführung von Asylsuchenden.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Darin heißt es, die beiden Staaten seien bereit, solche Asylsuchende wiederaufzunehmen, die künftig von deutschen Behörden an der deutsch-österreichischen Grenze festgestellt würden und die einen Eintrag in der Fingerabdruckdatei Eurodac haben. Das bedeutet, dass sie schon dort als Schutzsuchende registriert sind.

Deutschland sagte seinerseits zu, offene Fälle von Familienzusammenführungen in Griechenland und Spanien „schrittweise“ abzuarbeiten. In den zwei Staaten sitzen viele Flüchtlinge fest, deren Angehörige in Deutschland sind. Offensichtlich ist geplant, die Familien zumindest zum Teil in Deutschland zu vereinen.

Aus Deutschland kommt Geld

Bei den Familienzusammenführungen dürfte es sich um eine vierstellige Zahl handeln. Der griechische Regierungschef Alexis Tsipras sagte, Deutschland habe zugesagt, die Bearbeitung von 2.900 Anträgen auf Familienzusammenführung von Flüchtlingen voranzubringen. Außerdem wolle die deutsche Regierung „auf positive Weise“ Hunderte weitere Fälle prüfen.

Der spanische Ministerpräsident Pedro Sanchez sagte, Deutschland habe sich nicht nur dazu verpflichtet, „die Kosten für die Übergabe jener Migranten zu übernehmen, die in unser Land kommen“. Berlin wolle auch finanzielle Unterstützung an Spanien als Außengrenze der EU leisten.

„Mehr als wirkungsgleich“

Mit „einer Vielzahl“ weiterer Länder soll es Abkommen über schnellere Rücküberstellungen geben. Merkel war unter hohem Druck nach Brüssel zum EU-Gipfel gereist. Innenminister Horst Seehofer von der Schwesterpartei CSU hatte damit gedroht, die Entscheidung über Zurückweisungen an der Grenze im Zweifelsfall im nationalen Alleingang zu treffen - wenn Merkel vom EU-Gipfel nicht mit „wirkungsgleichen“ Vereinbarungen zurückkehre. Merkel pochte hingegen auf europäische Lösungen. Eine Entscheidung im deutschen Asylstreit soll nun davon abhängen, ob der CSU Merkels Ergebnisse ausreichen.

Die deutsche Kanzlerin sah die Forderungen der CSU am Freitag für erfüllt an: „Das ist mehr als wirkungsgleich“. Durch die Gipfelbeschlüsse und zusätzlichen Absprachen seien „substanzielle Fortschritte“ erzielt worden. An ihrer Grundeinstellung zur Asylfrage habe sich nichts geändert, so Merkel. Deutschland dürfe „nicht unilateral, nicht unabgestimmt und nicht zulasten Dritter“ handeln. Zurückweisungen dürften nicht ohne Absprache mit den europäischen Partnern gemacht werden.

Zwölf Punkte für weniger Migration

In der Nacht auf Freitag hatten sich die EU-Staats- und Regierungsspitzen nach einem Verhandlungsmarathon auf eine gemeinsame Erklärung geeinigt. Der Zwölfpunkteplan sieht nicht nur die Stärkung der Außengrenze, sondern ein Fallenlassen des verpflichtenden Quotensystems vor. Vereinbart wurde auch, dass künftig gerettete Bootsflüchtlinge in geschlossenen Aufnahmelagern in der EU untergebracht werden können. Diese sollen in Ländern entstehen, die sich freiwillig dazu bereiterklären. Schutzbedürftige sollen aus diesen Lagern dann ebenfalls freiwillig von Ländern übernommen werden.

EU-Gipfel: Einigung auf Asylverschärfungen

Bis 5.00 Uhr haben die Staats- und Regierungschefs beim EU-Gipfel in Brüssel beraten. Als Ergebnis wird Europa seine Asylpolitik verschärfen.

Ähnliche Lager in Drittstaaten werden geprüft, dabei gibt es allerdings viele Fragen zu juristischen und praktischen Fragen sowie den möglichen Standorten. Derzeit haben zahlreiche mögliche Länder den Bau von Lagern abgelehnt. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zeigte sich Freitagfrüh in Brüssel „froh über die Trendwende“ in der Flüchtlingspolitik. Erstmals sei eine Zustimmung für Flüchtlingszentren außerhalb der EU gegeben. Österreich will laut Kurz während seines EU-Vorsitzes Druck machen, die Beschlüsse umzusetzen.

Juncker zurückhaltend

Ratspräsident Donald Tusk bezeichnete die Verschärfung der Migrationspolitik als „Erfolg“ und „Durchbruch“. Er betonte, es sei aber noch „zu früh“, über den Erfolg zu sprechen, denn die erreichte Einigung sei der „leichteste Teil der Übung“ gewesen. Nun gehe es um die Umsetzung. Zurückhaltend zeigte sich bei der Abschlusspressekonferenz dagegen EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Er meinte lediglich, dass „Tusk fast alles gesagt hat“. Mit Zufriedenheit stellte Juncker aber fest, dass die Kommissionsvorschläge zur Unterstützung des Treuhandfonds für Afrika vom Rat unterstützt wurden. Es werde 500 Millionen Euro geben. Auch die zweite Tranche der drei Mrd. Euro an die Türkei für den Flüchtlingsdeal mit der EU werde ausbezahlt.

UNO begrüßt Einigung

Die besonders mit Asyl und Migration befassten UNO-Organisationen haben die EU-Einigung zu einer neuen Asylpolitik in einer ersten Reaktion begrüßt. Man warte allerdings noch auf Details, sagten Sprecher des UNO-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) und der Organisation für Migration (IOM). UNICEF äußerte Bedenken über Kinder in Lagern.

IOM geht davon aus, dass die Aufnahmelager weitgehend auf EU-Boden entstehen. Die Organisation stehe bereit, dort mitzuarbeiten und die Einhaltung von Schutzstandards mitzutragen. Lager außerhalb Europas seien höchstens möglich, wenn dort alle Standards zum Schutze der Menschen garantiert werden könnten.

Karas: „Wird nicht reichen“

Othmar Karas, ÖVP-Delegationsleiter im Europäischen Parlament, meinte, dass Außengrenzschutz und Auffanglager allein zu wenig sein würden. Man brauche klare Zuständigkeiten und gemeinsame Standards für Asylverfahren. Der FPÖ-EU-Abgeordnete Harald Vilimsky sieht in der Brüsseler Gipfelerklärung nicht den „großen Wurf“ in der Asylpolitik. Es sei aber ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Die NEOS-Abgeordnete Stephanie Krisper begrüßte die Einigung, kritisierte aber Kanzler Kurz. „Es ist gut, dass Kurz endlich eingelenkt hat. Es wird Zeit, dass er sich von seinen nationalistischen Allmachtsfantasien verabschiedet.“

„Einfach wegsperren ist inhuman“

Scharfe Kritik kam unterdessen aus der Opposition und dem Lager der NGOs. Die deutsche Flüchtlingshilfsorganisation Pro Asyl sprach von einem „Gipfel der Inhumanität“: „Gefolterte und Verfolgte einfach so in Europa wegzusperren ist inhuman“, so die NGO. Auch Ärzte ohne Grenzen wandte sich gegen die Entscheidungen. Die EU-Politik führe dazu, dass Schutzsuchende in Internierungslagern in Libyen festgesetzt würden und es mehr Todesfälle im Mittelmeer gebe, heißt es in einer Erklärung.

Der grüne Kodelegationsleiter der Grünen im Europaparlament, Michel Reimon, sieht eine „Beerdigung des Rechts auf Asyl“. Flüchtlinge sollten in Zukunft kaum mehr eine Chance haben, auf europäischem Boden Asyl zu beantragen. „Die Staats- und Regierungschefs folgen der rechtsextremen Agenda. So werden die rassistischen Parteien nicht geschwächt - im Gegenteil.“ Die Liste Pilz sieht die europäischen Werte vor dem Abgrund. „Obwohl die Reform des Dublin-Systems längst überfällig ist, entziehen sich die Staaten, darunter auch Österreich, ihrer solidarischen Verantwortung.“

Links: