„Kein Österreicher will diese Arbeit“
Klaus Hraby ist Geschäftsführer von efko - einem Unternehmen, das vor allem für seine Essiggurkerln bekannt ist. Sein Unternehmen verarbeitet pro Jahr 32.700 Tonnen Obst und Gemüse, das von Landwirten angeliefert wird. Die Arbeit von Erntearbeitern sei hart, sagt er im Gespräch mit ORF.at, und der Lohn gering - aber immer noch viel höher als in ihren Heimatländern.
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ORF.at: Warum ist der Aufschrei der Landwirte gerade heuer so groß?
Hraby: Da ist vieles kulminiert. Es wurde 2017 im Parlament ein Kontingent von 4.500 Personen definiert, die für diese Erntehelferjobs aus Drittstaaten herangezogen werden können. EU-Ausländer sind ausgenommen. Es gibt viele Erntehelfer aus der Ukraine und anderen Nicht-EU-Ländern.
Aber es gibt auch das Ausländerbeschäftigungsgesetz, das unter anderem auf dieses Kontingent Bezug nimmt. Da wurden heuer vom Sozialministerium nur 2.800 Plätze definitiv genehmigt. Wir hätten eigentlich den gesetzlichen Rahmen - aber wir müssen ihn nützen! 4.500 Erntehelfer hätten gereicht, 2.800 sind viel zu wenig. Sonst bleiben Teile der Ernte einfach am Feld liegen.
Zweitens: Erntehelfer sind rund sechs Wochen da. Saisonniers können sechs bis neun Monate da sein. Für die Erntehelfer hat Deutschland eine sehr gute Lösung für die Landwirte gefunden. Die Leute bekommen in Deutschland einen höheren Stundenlohn, aber es gibt keine Nebengeräusche. Es gibt kein 13. und 14. Monatsgehalt, es gibt keinen anteiligen Urlaub.

ORF.at/Lukas Krummholz
Die Produktionshallen von Efko in Eferding: Das Zuhause der Essiggurkerln
ORF.at: In Deutschland ist man ausgenommen von der Rentenversicherungspflicht, wenn man nur vier Monate bleibt. Aber der überwiegende Großteil der Menschen bleibt ja viel länger. Da fallen ja dieselben Lohnnebenkosten an.
Hraby: Was die Rentenversicherung betrifft, ist das für die Saisonniers richtig, allerdings würde diese Viermonatsregelung die Lage bei den Erntehelfern massiv entspannen. Und das 13. und 14. Monatsgehalt fallen ja auch nicht an. Auch keine aliquote Urlaubsabgeltung. Deshalb beziehen die Menschen netto mehr Lohn, kosten den Arbeitgeber brutto aber weniger. Das macht eine ganze Branche von der Wettbewerbsseite her schwierig.
Dazu kommt eine hochpolitische Angelegenheit. Erntehelfer kommen nach Österreich, weil sie in möglichst kurzer Zeit möglichst viel verdienen wollen - in sechs bis acht Wochen mehr, als sie in ihren Heimatländern in einem halben Jahr verdienen würden. Die Leute wollen da keinen Arbeitszeitbedingungen unterliegen, wonach sie nur 48 Stunden pro Woche arbeiten dürfen, da verdienen sie viel zu wenig. Die wollen viel arbeiten und mit viel Geld nach Hause fahren.
Jetzt haben die Deutschen eine Regelung gefunden, wonach eine Woche auf 60 Stunden durchgerechnet werden darf, und wenn die Leute an Samstagen und Sonntagen arbeiten, was wetter- und erntebedingt immer wieder notwendig ist, dass das Normalstunden sind. In Österreich dürfen die Leute zwar 60 Stunden arbeiten, wenn es angekündigt ist, davon sind 48 Stunden Normalarbeitszeit, der Rest sind Überstunden, je nachdem, wann sie anfallen. Das ist ein Nachteil, der richtig ins Geld geht. Da wollen Landwirte die deutsche Regelung.
ORF.at: Wie viele Erntearbeiter arbeiten bei den Landwirten insgesamt für efko?
Hraby: In Oberösterreich haben wir momentan 995 Erntehelfer aus Drittstaaten, da werden die Hälfte schon für efko-Produkte eingesetzt sein - allerdings nicht alle von ihnen ausschließlich. Es ist eine harte Arbeit, keine Frage. Und es hat Fälle gegeben, wo die Leute unangemessen untergebracht waren. Das haben wir aber abgestellt. Wir schauen pro Saison mindestens einmal in jedem Betrieb vorbei, das läuft ständig.

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Klau Hraby im Gespräch mit ORF.at in der Zentrale von Efko
ORF.at: Wie viel Prozent des Produktpreises im Supermarkt wird auf die Arbeitskraft am Feld draußen aufgewendet?
Hraby: Das kann ich Ihnen ad hoc nicht beantworten. Efko hat vom Gesamtumsatz einen Wareneinsatz von 50 Prozent. Der Rest sind Löhne, Logistik, Energie, was halt so anfällt. Und von unserem gesamten Wareneinsatz sind sicher 60, 70 Prozent die Rohstoffe. Der Rest sind Gläser, Deckel, Kartonagen, solche Sachen.
Bei den Rohstoffen ist es je nach Produkt unterschiedlich. Bei Einlegegurken liegt der Personaleinsatz anteilig bei bis zu 70 Prozent der Rohstoffkosten. Bei Feldsalat - Kopfsalat, Eisbergsalat, was händisch geschnitten werden muss, da ist man ebenfalls in dieser Dimension.
ORF.at: Da sind wir insgesamt gerechnet bei in etwa 15 Prozent des Produktpreises?
Hraby: Ja, sicher. Man muss sich jetzt vorstellen, für einen Hektar Getreide werden sechs bis acht Arbeitsstunden aufgewendet. Vom Ackern bis zur Ernte. Bei Salat reden wir von 800 bis 900 Stunden pro Hektar, bei Einlegegurken von 2.500 Stunden. Bei Einlegegurken wird ja permanent drübergefahren über das Feld, jeden zweiten, dritten Tag, dadurch kulminieren sich die Stunden so.
Wir merken, bei Roten Rüben und bei Kraut sind wir aus der Diskussion heraußen: Da tun wir uns auch am Markt leichter, weil man da in den letzten Jahren stark technisiert hat. Es war eine ingenieurstechnische Meisterleistung, einen automatischen Krauternter zu konstruieren. Da gehen nicht mehr zehn Menschen gebückt und schneiden Kraut, sondern ein Mann fährt mit einer Art Mähdrescher für Kraut über das Feld. Ein Mann steht hinten auf der Arbeitsfläche.
Mit zwei Leuten macht man die Arbeit, die man vorher mit zwölf gemacht hat. Ob das sozialpolitisch so gescheit ist, mag ich nicht beurteilen. Wir rationalisieren da Arbeitsplätze weg, die ein soziales Gefüge auch braucht. Es ist nicht jeder auf einen IT-Ingenieur umlernbar. Aber ich will das jetzt nicht weiter bewerten.
ORF.at: Wenn wir jetzt ungefähr bei 15 Prozent des Preises sind mit der Arbeitskraft der Ernter und wenn man dann eine amateurhafte Rechnung anstellt, dann wäre man, wenn man den Arbeitern ein Drittel mehr bezahlt, bei einem Unterschied von rund fünf Prozent des Preises des Endprodukts. Die Arbeitskosten lägen dann immer noch bei knapp unter 20 Prozent des Produktpreises.
Hraby: In den Preiseinstiegslagen, bei den billigeren Produkten, wäre das so.

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Hraby unterstützt seine Zulieferer bei ihren Forderungen an die Politik
ORF.at: Wie stark würden Sie das beim Umsatz spüren?
Hraby: Österreich ist Gott sei Dank kein abgeschotteter Markt - wir sind ja alle froh, dass wir im gemeinsamen Markt leben. Nur: Wenn es Preisangebote gibt, die die 79 Cent locker kalkulierbar machen im Regal, dann steht die Ware drinnen um 79 Cent. Die heimische Ware stünde um 99 Cent dort. Und dann kauft sie keiner mehr, weil es die Möglichkeit gibt, auszuweichen. So reagiert der Markt.
ORF.at: Sie würden also nicht ein bisschen weniger verkaufen, sondern das wäre eine dramatische Umsatzeinbuße?
Hraby: Da bräuchte ich eine Kristallkugel. Aber wir befürchten, dass es in diese Richtung gehen würde.
ORF.at: Und was würde es für efko konkret bedeuten, wenn in Zukunft weniger Erntearbeiter kommen?
Hraby: Ich will mir das gar nicht ausmalen. Die eine Möglichkeit wäre, die Gurkerln aus Deutschland zu holen. Die andere Möglichkeit, über die wir nachgedacht haben, ist, dass die efko GmbH in den Eigenanbau geht. Das würde aber nichts daran ändern, dass wir Erntehelfer brauchen. Das ist die extreme Unsicherheit bei den Landwirten, weil sie nicht wissen, wie sich die Situation entwickeln wird.
ORF.at: Dennoch: Der Mindestlohn beträgt 5,80 Euro netto für diese schwere Arbeit. Haben Sie keine moralischen Bedenken, Menschen um diesen Gehalt zu beschäftigen?
Hraby: Die 5,80 Euro stimmen einfach nicht. Es gibt aliquot ein 13. und ein 14. Monatsgehalt, es wird der Urlaub aliquot abgegolten, die Leute sind um den Lohn voll verpflegt und untergebracht. Dafür werden ihnen 143 Euro abgezogen. Das ist eben dieses politische Katz-und-Maus-Spiel, das da betrieben wird, wo ich mich massiv zur Wehr setze. Die 5,80 Euro sind ein plakativer Wert, der einfach nicht stimmt.
ORF.at: Aber es muss immer noch viel weniger als in Deutschland sein. Sonst würden die Erntearbeiter ja nicht nach Deutschland gehen.
Hraby: Ja, die Leute bekommen in Deutschland netto auch mehr, das ist schon richtig, nur kosten sie den Arbeitgeber weniger. Das ist ja der springende Punkt.
ORF.at: Eben, sie bekommen immer noch viel weniger als in Deutschland. Sonst würden sie ja nach Österreich auch kommen.
Hraby: Sie bekommen in Deutschland netto explizit mehr. Das ist 100-prozentig richtig. Aber das, was sie in Österreich bekommen, plus dem Anteil von 13., 14. und Urlaubsgeld, ist immer noch das Doppelte oder Dreifache von dem, was sie in ihren Heimatländern bekommen. Sonst kämen sie ja nicht.
Man kann sich fragen: Ist es vertretbar, dass man Leute so ausschindet? Das ist in allen anderen Branchen auch so, etwa bei Saisonarbeitern im Wald oder am Bau - das ist nie eine leichte Arbeit. In Österreich will diese Arbeit einfach so niemand mehr machen.
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Das Gespräch führte Simon Hadler, ORF.at