Themenüberblick

Italien drohte mit Beschlagnahmung

Das Rettungsschiff „Lifeline“ der deutschen Hilfsorganisation Mission Lifeline darf nach Aussagen der italienischen Regierung in Malta, das zuvor bereits abgelehnt hatte, anlegen. Er habe mit dem maltesischen Premierminister Joseph Muscat telefoniert, so Ministerpräsident Giuseppe Conte am Dienstag. „Das Schiff der NGO Lifeline wird in Malta anlegen.“

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Etwa 230 Migranten und Migrantinnen und Flüchtlinge sowie 17 deutsche Besatzungsmitglieder harren seit Donnerstag auf dem Schiff im Meer vor Malta aus. Der italienische Innenminister und Chef der rechtspopulistischen Lega, Matteo Salvini, und auch der Chef der mitregierenden populistischen Fünf-Sterne-Bewegung, Luigi di Maio, sagten, wenn die „Lifeline“ in Italien anlege, werde das Schiff sofort beschlagnahmt und die Besatzung festgenommen. Neben Malta hatte zuvor auch schon Spanien abgelehnt.

Menschen auf dem Schiff "Lifeline"

APA/AFP/Hermine Poschmann

Flüchtlinge auf der „Lifeline“

Verteilung auf mehrere Länder

Circa sechs Länder, darunter Italien, Frankreich, Spanien und Malta, wollen die Migranten und Migrantinnen aufnehmen, die sich an Bord der „Lifeline“ befinden, aufnehmen. Das berichteten italienische Medien. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bestätigte die Bereitschaft Frankreichs und einiger anderer europäischer Länder. Die Zahl sei begrenzt, es seien „mehrere Dutzend“ Menschen pro Land. Auch Portugal und Deutschland teilten mit, dass sie Menschen aufnehmen würden.

Die Einigung zwischen Italien und Malta sei dank der Vermittlung des EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker und des EU-Ratspräsidenten Donald Tusk erfolgt. Für das Schiff zeichne sich eine „europäische Lösung“ ab, hatte zuvor der französische Regierungssprecher Benjamin Griveaux am Dienstag im Radiosender RTL gesagt. Im Gespräch sei eben „eine Landung in Malta“.

„Schändliche Charade“

„Wir sind mehr als glücklich, dass am Horizont eine Lösung für diese schändliche Charade auftaucht“, sagte der Sprecher und Mitgründer der Dresdner NGO Mission Lifeline, Axel Steier, am Dienstag. Aber sie hätten noch kein Okay für die Einfahrt bekommen.

„Seit Tagen müssen wir auf Twitter nachlesen, was mit uns passiert. Kaum eine direkte Nachricht. Wir freuen uns über maltesische Unterstützung, aber wir brauchen jetzt EU-Staaten, die Menschen aufzunehmen“, schrieb die Organisation auf Twitter. „Das war die Forderung von Malta und das ist auch unsere Forderung.“

Malta kündigt Untersuchung gegen Kapitän an

Malta hatte auch eine Untersuchung gegen den Kapitän der „Lifeline“ angekündigt. Der deutsche Kapitän habe die Anweisungen der italienischen Küstenwache bei der Flüchtlingsrettung ignoriert, die im Einklang mit den internationalen Gesetzen standen, hieß es in einer Presseaussendung des Büros von Muscat.

Italiens Verkehrsminister Danilo Toninelli bekräftigte am Dienstag, dass Schiffe von Hilfsorganisationen, die Flüchtlinge vor der libyschen Küste aufnehmen, keine italienischen Häfen mehr anlaufen dürfen. Toninelli, der als Verkehrsminister für die italienischen Häfen zuständig ist, betonte, dass die „Lifeline“ keine Genehmigung zum Anlegen in Italien erhalten werde.

Salvini begrüßte die Einigung mit Malta. „Nachdem das NGO-Schiff ‚Aquarius‘ nach Spanien geschickt worden ist, landet die ‚Lifeline‘ auf Malta, wo dieses illegale Schiff endlich beschlagnahmt wird. Für Frauen und Kinder auf der Flucht vor dem Krieg sind unsere Türen offen, für alle anderen nicht“, sagte Salvini. Er bekräftigte, dass Schiffe von Hilfsorganisationen, die Flüchtlinge vor der libyschen Küste aufnehmen, keine italienischen Häfen mehr anlaufen dürfen. „Schiffe ausländischer NGOs mit ausländischer Flagge werden nie wieder in Italien einfahren“, sagte Salvini laut Medienangaben vom Dienstag.

„Medizinischer Notfall“ auf „Lifeline“

Die Flüchtlinge, Migrantinnen und Migranten auf der „Lifeline“ waren am Donnerstag nahe der libyschen Küste aufgenommen worden. Am Sonntag traf nach Angaben von Mission Lifeline eine Versorgungslieferung aus Malta mit Lebensmitteln und Trinkwasser ein. Die Schiffe „Sea-Eye“ und „Sea-Watch“ hätten zudem Medikamente und Decken gebracht.

Um Mitternacht schrieben die Helfer auf ihrer Twitter-Seite: „Gerade eben musste der erste wegen eines medizinischen Notfalls von der ‚Lifeline‘ evakuiert werden.“ Auch für alle anderen würden sich die Bedingungen zunehmend verschlechtern.

Containerschiff "Alexander Maersk"

AP/Salvatore Cavalli

Das Containerschiff „Alexander Maersk“ auf dem Meer

„Alexander Maersk“ konnte doch in Italien anlegen

Das dänische Containerschiff „Alexander Maersk“ mit mehr als hundert geretteten Menschen an Bord konnte indes nach tagelangem Warten in Italien anlegen. Der Frachter konnte laut Medienberichten in der Nacht auf Dienstag im sizilianischen Pozzallo ankern.

Ein Schleppboot zog das Containerschiff gegen 23.00 Uhr in den Hafen. Erst kurz zuvor hatte die neue Regierung Italiens das genehmigt. Der Bürgermeister der Stadt Pozzallo, Roberto Ammatuna, sagte italienischen Nachrichtenagenturen am Montagabend, Salvini habe der „Alexander Maersk“ erlaubt, in den Hafen einzulaufen.

Bürgermeister pocht auf Solidarität

Das Schiff hatte in der Nacht auf Freitag 113 Migrantinnen und Migranten und Flüchtlinge im Mittelmeer aufgenommen und die letzten Tage auf die Erlaubnis gewartet, anlegen zu dürfen. Fünf der Flüchtlinge - vier Kinder und eine schwangere Frau - waren zwischenzeitlich bereits in Sizilien an Land gegangen. „Wir werden diese Menschen mit der gleichen Menschlichkeit wie immer aufnehmen“, sagte Ammatuna weiter. „Heute ist ein wichtiger Tag, weil es sich (...) gezeigt hat, dass die Solidarität immer noch ein verbreitetes Gefühl ist.“

Italiens Innenminister Matteo Salvani

AP/Ettore Ferrari

Der italienische Innenminister und Lega-Chef Matteo Salvini sieht in den Helfern Kriminelle

Salvini will Flüchtlingsschiffe stoppen

Salvini will vor allem Hilfsorganisationen die Häfen in Italien versperren. Er bezeichnete die Freiwilligen als Handlanger und Helferinnen der Schlepper. Es war jedoch das erste Mal, dass ein Handelsschiff vor einem Hafen blockiert wurde und auf Anweisung der Behörden warten musste. Die Küstenwache hatte das Containerschiff zuvor aufgefordert, den Flüchtlingen zu Hilfe zu kommen. Vor der Genehmigung für den Frachter, in Italien andocken zu dürfen, hatte die dänische Einwanderungsministerin Inger Stöjberg angekündigt, Salvini angesichts der Situation schriftlich zum Handeln aufzufordern.

Ein Flüchtlingsboot neben dem deutschen Rettungsschiff "Lifeline"

AP/Mission Lifeline/Hermine Poschmann

Sorge vor Wetterumschwung: An Bord der „Lifeline“ sind mehr als 200 Menschen

EU-Kommission: Rückgang auf Mittelmeer-Route

Die Zahl der Flüchtlinge, Migrantinnen und Migranten ist im ersten Halbjahr 2018 nach jüngsten Angaben der EU-Kommission auf den drei Mittelmeer-Routen auf 50.430 zurückgegangen. 2017 lag die Zahl - allerdings für das Gesamtjahr gerechnet - bei 184.843. 2016 gab es laut EU 374.314 Ankünfte von Schutzsuchenden in der EU, am Höhepunkt 2015 waren es 1.047.210 Personen.

Das Verhältnis zwischen den verschiedenen Fluchtrouten über das östliche, zentrale und westliche Mittelmeer entwickelte sich dabei unterschiedlich. 2015 hatte die Zahl der Geflüchteten über das östliche Mittelmeer - also via Griechenland - noch 885.386 ausgemacht. 2016 sank diese Zahl auf 182.277, und 2017 gab es einen weiteren Rückgang auf 42.319. Im ersten Halbjahr 2018 waren es 21.418. Hochgerechnet auf das Gesamtjahr dürfte sich damit gegenüber dem Vorjahr keine wesentliche Änderung ergeben.

Von Libyen nach Italien „Rückgang um 77 Prozent“

Über die zentrale Mittelmeer-Route - vorwiegend von Libyen nach Italien - kamen 2015 153.946 Flüchtlinge. 2016 stieg diese Zahl auf 181.376, 2017 ging sie auf 118.960 zurück. Im ersten Halbjahr 2018 wurde ein Sinken der Ankünfte auf 15.570 verzeichnet. Die EU-Kommission betont, dass es auf der zentralen Mittelmeer-Route im Vergleich der ersten sechs Monate 2017 und 2018 einen Rückgang um 77 Prozent gibt.

Die westliche Mittelmeer-Route, die über Spanien nach Europa führt, lag 2015 bei lediglich 7.878 Flüchtlingsankünften. 2016 stieg diese Zahl auf 10.661 und 2017 weiter auf 23.564. Im ersten Halbjahr 2018 wurden bereits 13.442 registriert - linear hochgerechnet auf das Gesamtjahr würde das eine Erhöhung gegenüber 2017 ergeben. Die Kommission rechnet vor, dass im Vergleich der ersten Halbjahre für 2018 ein Anstieg um 5.222 Migrantinnen, Migranten und Flüchtlinge auf dieser Route verbucht wurde.

Von 2015 bis 2017 wurden laut EU-Kommission insgesamt 634.751 geflüchtete Personen bei EU-Missionen aus dem Mittelmeer gerettet. 148 Menschenhändler konnten durch die Operation Sophia festgenommen werden, 550 Schiffe mit Flüchtlingen und Migrantinnen und Migranten wurden aufgegriffen.

Links: