Fronten verhärten sich
Der italienische Innenminister Matteo Salvini hat Forderungen aus Deutschland eine Absage erteilt, bereits in Italien registrierte Asylwerber zurückzunehmen. „Wir können keinen Einzigen mehr aufnehmen. Im Gegenteil: Wir wollen ein paar abgeben“, sagte der Chef der rechtspopulistischen Lega dem deutschen „Spiegel“ laut Vorabmeldung von Freitag.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Salvini reagierte damit auf die Forderung Deutschlands, bereits in anderen EU-Ländern registrierte Asylsuchende dorthin zurückweisen zu können - ein wichtiger Punkt im Streit zwischen den deutschen Unionsparteien CDU und CSU. Vor allem die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU) steht dabei unter Druck, weil die CSU bis Monatsende Fortschritte bei der Zurückweisung von Flüchtlingen erwartet.
Dass er mit seiner Haltung zum Sturz von Merkel beitragen könnte, sei ihm bewusst, es sei aber nicht seine Absicht, so Italiens Innenminister im Interview mit dem „Spiegel“ weiter. Italien und Deutschland seien aber „nicht nur in Flüchtlingsfragen weit voneinander entfernt“. Auch in Sachen Wirtschaftspolitik, Bankenreform und was den deutschen Außenhandelsüberschuss angehe, seien die Differenzen zwischen Rom und Berlin erheblich.
Salvini sieht Europa auf dem Prüfstand
Für Salvini steht aber ohnedies die Zukunft der EU auf dem Spiel: „Innerhalb eines Jahres wird sich entscheiden, ob es das vereinte Europa noch gibt oder nicht“, so der italienische Innenminister. „Ob das Ganze sinnlos geworden ist“, werde sich vor allem bei den Budgetverhandlungen und im Vorfeld der Wahl zum EU-Parlament im kommenden Jahr zeigen.

APA/AFP/Andreas Solaro
Salvini zeigt sich im Flüchtlingsstreit hart
Zu den deutsch-französischen Vorschlägen sagte Salvini, Entwürfe, die im Vorfeld eines Gipfels von anderen Ländern und per E-Mail versendet würden, entsprächen „nicht unserem Arbeitsstil“. Merkel und der französische Präsident Emmanuel Macron hatten bei einem deutsch-französischen Gipfeltreffen am Dienstag auf Schloss Meseberg nahe Berlin ihre gemeinsamen Vorschläge für den EU-Reformgipfel Ende Juni präsentiert, wie ein eigenes Budget für die Euro-Zone.
Streit über Rettungsschiffe im Mittelmeer
Unterdessen verschärft sich auch der Streit über Rettungsmissionen für Flüchtlinge im Mittelmeer. Salvini rief Malta am Freitag dazu auf, dem deutschen NGO-Rettungsschiff „Lifeline“ mit 239 Menschen an Bord die Einfahrt in La Valletta zu gewähren und dieses anschließend zu konfiszieren. Die Crew solle festgenommen werden, forderte Salvini am Freitag.
Aus maltesischen Regierungskreisen hieß es zuerst, es liege keine offizielle Aufforderung betreffend die „Lifeline“ vor. Am Abend sagte ein Regierungssprecher, dass Malta die Einfahrt in einen Hafen verwehrt habe. Malta habe weder die Rettung koordiniert noch sei es die zuständige Stelle dafür. Das Schiff hatte am Donnerstag nach Angaben der NGO Lifeline Menschen vor der libyschen Küste gerettet. Der Regierungssprecher Maltas sagte, der Einsatz habe zwischen Libyen und der italienischen Insel Lampedusa stattgefunden.
Salvini spricht von „Menschenfleisch“
Die NGO aus Dresden hätte die Anweisungen der Behörden, dass die libysche Küstenwache die Menschen aufnehme, ignoriert, sagte Salvini am Donnerstag. „Sie riskieren das Leben der Migranten auf den Schlauchbooten, hören nicht auf die italienischen und libyschen Behörden und intervenieren, um diese wertvolle Ware von Menschen - von Menschenfleisch - an Bord zu laden.“ Er wirft den NGOs vor, mit den Flüchtlingen Geld zu verdienen.

AP/Mission Lifeline/Hermine Poschmann
Das Rettungsschiff „Lifeline“ nahm Hunderte Menschen aus dem Meer auf
Italiens Justiz ermittelt derzeit gegen die deutschen Hilfsorganisationen, die die Schiffe „Lifeline“ und „Seefuchs“ betreiben, hieß es am Donnerstag. Sie seien „illegitim und illegal“ unter niederländischer Flagge gefahren, sagte der italienische Verkehrsminister Danilo Toninelli. Die NGO Lifeline verteidigte sich gegen die Attacken Italiens: Die Flüchtlinge seien in internationalen Gewässern aufgegriffen worden. Italien hatte zuvor bereits das Flüchtlingsschiff „Aquarius“ daran gehindert, in Italien anzulegen.
Minister argumentiert mit Umverteilung
Das spanische Außenministerium ist in Kontakte mit Italien, Malta und Frankreich, um eine Lösung für die 239 Menschen an Bord der „Lifeline“ zu finden. Das berichtete die italienische Nachrichtenagentur ANSA. Spanien hatte bereits am Sonntag die über 600 Menschen der „Aquarius“ aufgenommen. Salvini sieht Spanien laut eigenen Angaben in der Pflicht, die „vier nächsten Flüchtlingsschiffe“ aufzunehmen, die vor der Küste Libyens gerettet werden.
Salvini verwies am Freitag auf die einst von der EU beschlossene Umverteilung von Flüchtlingen, der zufolge Spanien mehr als 3.000 Asylbewerber aufnehmen sollte. Aufgrund der jüngsten Blockaden von NGO-Schiffen im Mittelmeer sind laut dem UNO-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) binnen weniger Tage bei mehreren Unglücken mindestens 220 Menschen ertrunken. Seit Anfang des Jahres seien damit über 1.000 Menschen im Mittelmer gestorben.
Tajani will weniger Streit in der EU
In die Debatte mischte sich auch EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani ein: Er forderte eine Erhebung der bei der Flüchtlingsrettung im Mittelmeer engagierten NGOs. „Nur Organisationen mit europäischer Genehmigung zur Seerettung sollen im Mittelmeer zum Einsatz kommen können. Sie werden an Bord Personal der italienischen Marine, der Küstenwache oder der EU-Grenzschutzbehörde Frontex an Bord haben müssen“, so der Italiener Tajani am Freitag in Rom.
„Man kann nicht mehr dulden, dass die NGOs Migrantenhandel betreiben“, sagte Tajani, der laut Medienberichten in Rom an einer Debatte zum Thema Flüchtlinge teilnahm. Europa könne nur wahre Flüchtlinge und keine Wirtschaftsmigranten aufnehmen, so der Parlamentspräsident bei einer Debatte in Rom. Er rief die EU-Regierungs- und -Staatschefs auf, weniger zu streiten und Lösungen zum Schutz der EU-Außengrenzen zu finden.
Minigipfel für Orban rechtswidrig
Aus anderen EU-Ländern kommen in der Flüchtlingsfrage beziehungsweise einer möglichen Lösung weiterhin Querschüsse. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban kritisierte den für Sonntag in Brüssel geplanten Minigipfel zur Flüchtlingspolitik erneut scharf. Das Treffen sei nicht rechtmäßig, weil es nicht von EU-Ratspräsident Donald Tusk, sondern von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker anberaumt worden sei, so Orban.
Ungarn und die Partner aus der Visegrad-Gruppe (Polen, Tschechien und die Slowakei) seien nicht dabei, weil sie angesichts dieser Rechtsverletzung nicht teilnehmen wollten, so Orban. Die Ministerpräsidenten hatten nach einem Treffen in Budapest gesagt, dass sie diesen für überflüssig halten. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ließ bei einem Treffen mit EU-Ratspräsident Tusk am Freitag in Wien ebenfalls Distanz erkennen, indem er demonstrativ die Führungsrolle des Gipfelpräsidenten betonte.
Merkel dämpft Erwartungen
Merkel selbst dämpfte am Freitag die Erwartungen an das informelle Treffen. „Es handelt sich in Brüssel um ein Beratungs- und Arbeitstreffen, bei dem es keine Abschlusserklärung geben wird“, sagte sie am Freitag am Rande eines Besuchs im Libanon. Am Donnerstag hatte der italienische Premier Giuseppe Conte mit einer Absage gedroht, nachdem in Brüssel ein Dokument in Umlauf gebracht worden war, bei dem es sich um den Entwurf für eine Erklärung gehandelt haben soll. Conte berichtete, dass ihm Merkel daraufhin in einem Telefonat eine offene Diskussion zugesichert habe.
Links: