Themenüberblick

„Das ist der Hammer“

Acht Stunden setzten sich Papst Franziskus und Regisseur Wim Wenders im Vatikan zusammen, für einen Film, der jetzt ins Kino kommt: „Papst Franziskus – Ein Mann seines Wortes“ ist strenggenommen kein Dokumentarfilm, sondern porträtiert Franziskus als politischen Mann. Eine Auftragsarbeit des Vatikans sei der Film aber nicht, hält Wenders im ORF.at-Interview fest.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

ORF.at: Wen hat der Papst denn da empfangen? Einen Menschen, der glaubt, oder einen Agnostiker?

Wim Wenders: Er hat schon einen empfangen, der ein gläubiger Mensch ist. Er hat aber keinen Katholiken empfangen. Er hat einen ökumenischen Christen empfangen, und das ist ihm, glaube ich, ganz recht gewesen.

ORF.at: Teilweise wurde der Film im Vorfeld als Auftragsarbeit bezeichnet. Wie finden Sie das?

Wenders: Das finde ich falsch, der Vatikan hat das Projekt lediglich initiiert. Dario Vigano, damals Präfekt, also Kommunikationsminister, hat mir 2013 einen Brief geschrieben mit der Anfrage, ob ich an einem Film interessiert wäre. Wie sich herausgestellt hat, ist Vigano Cinephiler: Er hat Film studiert und unterrichtet und auch Bücher darüber geschrieben, und vor langer Zeit als junger Kaplan hatte er einen Filmclub in Rom, da war ich Ende der Siebziger Jahre sogar zu Besuch.

ORF.at: Überraschend an dem Film ist, dass Franziskus wenig über Glauben spricht und viel über Realpolitik. War das auch für Sie unerwartet?

Wenders: Es war für mich überraschend, wie weltoffen der Papst war, wie sehr er sich mit vielen sozialen Umständen auskannte, und wie wichtig ihm war, nicht nur zu Christen zu sprechen, sondern zu allen Menschen. Wenn er von Gemeinwohl spricht, meint er damit das Wohl aller Menschen auf diesem Planeten. Und ich wusste nicht, dass er so eine persönliche Präsenz hat, und so eine ansteckende, optimistische Energie.

ORF.at: Sie lassen den Papst direkt in die Kamera sprechen. Haben Sie sich das so überlegt, dass das möglichst unmittelbar sein soll?

Wenders: Ich wollte nicht vorkommen als Gesprächspartner, ich wollte, dass er da mit den Menschen spricht. Ich wollte auch, dass der Film nicht von ihm handelt, sondern von den Dingen, an denen ihm etwas liegt. Ich wusste, dass er ein bescheidener Mensch ist, dass er gerne arm ist und findet, dass wir alle mit weniger auskommen können, ich wollte daher auch keinen aufwendigen Film machen.

ORF.at: Sie haben sich nicht als Gesprächspartner eingebracht, aber mit einem Off-Kommentar. Wie ist der zustande gekommen?

Wenders: Mir war es wichtig, dass einer sich traut, sich heute Franziskus zu nennen, nach dem Franz von Assisi. Das ist der Hammer, finde ich, das hat noch niemand gewagt. Ich wollte den Bogen von einem Revolutionär, der vor 800 Jahren gelebt hat, und einem, der heute diesen Namen annimmt, und der all das, was der damals angepackt hat, zum Programm nimmt: Solidarität mit Armen und Ausgestoßenen, ein neues Verhältnis zur Natur, Frieden unter den Religionen. Deswegen war mir wichtig, dass die Leute mitkriegen, was der Name zu bedeuten hat.

Wir leben jetzt in einer Zeit, wo wirklich jeden Tag 150 Arten aussterben. Das war beim heiligen Franziskus noch nicht so, aber es wird damit nur noch dringender. Gleichzeitig leben wir in einem Moment, in dem gerade die gesamte Menschheitsgeschichte dabei ist, umzukippen. Dass einer wie der Papst sich so vehement auch für die Natur einsetzt und für ein ökologisches Gleichgewicht, ist komplett im Sinne des Franz von Assisi, der wäre heute genauso drauf.

ORF.at: Was haben die Begegnungen mit dem Papst mit Ihrem Glauben gemacht?

Wenders: Für diesen Mann ist der liebende Gott, der uns sieht, so selbstverständlich, so Realität und permanent anwesend in allem, was er tut und sagt, dass er deswegen auch gar nicht so viel reden musste. Das ist in seiner Kommunikation und in seinem Wesen selbstverständlich, auch die Abwesenheit jedes Versuches von Missionierung: Er will niemanden auf der Welt konvertieren, er wendet sich an alle Gläubigen und auch an die Nichtglaubenden, und sagt: „Auch wenn du Atheist bist, liebt Gott dich genauso.“ Eine so feste Überzeugung am Werk zu sehen, das tut schon gut.

ORF.at: Haben Sie eine Trennlinie empfunden zwischen der für ihre Offenheit nicht gerade bekannte katholische Kirche und diesem charismatischen, direkten Papst?

Wenders: Eine Trennlinie, wo ich gemerkt habe, er würde gerne anders, wenn er nur könnte, ist die Frage nach der Mitwirkung von Frauen in der Kirche, können Frauen Priester werden. Da hat er gesagt: „Irgendwann kommt das, aber ich werde das nicht erleben.“ Er würde gerne noch viel bewegen, und er hat auch schon so viel bewegt wie wohl kein Papst vor ihm. Aber es muss ja alles erst runtersickern, oder von unten hochsickern. In der Ökumene zwischen Katholiken und Protestanten redet man ja schon seit seit zwanzig Jahren nicht mehr darüber. Da sind wir schon viel weiter.