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„Diese Wirtschaft tötet“

Vom „Himmel über Berlin“ zum Tee im Vatikan: Der deutsche Regiealtmeister Wim Wenders porträtiert in seinem neuen Film „Papst Franziskus – Ein Mann seines Wortes“ den Papst als Politiker mit revolutionären Wurzeln.

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Acht Stunden verbrachte Wenders mit dem Papst, vier lange Gespräche vor der Kamera: Der Regisseur stellte vorbereitete Fragen nach den großen Dingen, Papst Franziskus antwortete. Das ist das Kernmaterial zu einem Film, der jetzt ins Kino kommt: „Papst Franziskus – Ein Mann seines Wortes“ ist das Porträt eines Mannes durch die Anliegen, die er vertritt: gerechte Sozialpolitik, Umweltschutz und Frieden unter den Religionen.

„Keine Auftragsarbeit“

Der Film kam auf Initiative des Vatikans zustande, sagt Wenders, doch eine Auftragsarbeit sei er nicht: „Wenn es eine Produktion von Vatikan TV gewesen wäre, hätte ich das nicht gemacht“, hält der Regisseur im ORF.at-Interview fest. Was das Konzept betrifft, habe er freie Hand gehabt, und ihm sei außerdem das Vatikanarchiv „komplett offengestanden.“

Zusätzlich zu den Gesprächssequenzen, in denen Franziskus direkt in die Kamera spricht, nutzt Wenders Bildmaterial von Auslandsreisen und auch von Debatten innerhalb des Konklaves, wo Franziskus klare Worte findet, was Gier und Mauscheleien innerhalb der katholischen Kirche betrifft.

Leben wie Franz von Assisi

Wenders widerspricht im Film nie: „Ich wollte ja keinen kritischen Film über den Papst machen, das ist ja ein anderer Job.“ Er habe dem Papst mit diesem Film ein Medium bieten wollen, sich direkt an die Menschen zu wenden. Das sei nicht anders als mit den alten Herren vom Buena Vista Social Club, mit der Choreographin Pina Bausch oder dem Fotografen Sebastiao Salgado, über die er ebenfalls Filme gedreht hatte, sagt Wenders: „Ich mach Filme über Dinge, die ich mag und die ich gern teile.“

In einem Voice-over, das ein wenig an die Dokumentarfilme von Werner Herzog erinnert, spricht Wenders in getragenen Worten vom Vergehen von Zeit, und davon, wo die spirituellen und revolutionären Wurzeln dieses Papstes liegen: bei Franz von Assisi, jenem Sohn eines wohlhabenden umbrischen Kaufmannes, der freiwillig ein Leben in Armut wählte und ein Dasein in Harmonie mit der Natur predigte.

Umweltschutz und Realpolitik

Mehrere mit einer alten Kurbelkamera gedrehte Stummfilmsequenzen illustrieren das Leben des Heiligen Franziskus, „ein Taschenspielertrick, weil wir kein Geld für richtige historische Aufnahmen hatten“, sagt Wenders dazu. Dieser Rahmen wirkt verstaubt und bildet damit einen kuriosen Kontrast zur radikalen Lebensnähe und Verschmitztheit des Papstes selbst.

Der spricht mehr über Realpolitik, Armutsgrenzen und Umweltschutz als über Glauben, Gott oder Sünde. Er weicht auch internen Problemen der Kirche nicht aus, wenn er etwa sexuellen Missbrauch durch Priester und die notwendigen Konsequenzen anspricht. Und er weiß genau Bescheid, was die sozialen Nöte und die ungerechten Einkommensverhältnisse sind in den Ländern, die er besucht.

Zuhören, wo andere weghören

Er redet in Europa zu Arbeiterinnen und Arbeitern. Er hört in Südamerika den landlosen Indigenen zu und sucht in Afrika die Orte auf, wo es den Menschen am dreckigsten geht. Und er benennt klar die Übel, die daran schuld sind: Gier nach immer noch mehr, Verlogenheit bei den Mächtigen und Bequemlichkeit, für unsere Umgebung zu sorgen: „Diese Wirtschaft tötet.“ Das sind über weite Strecken Archivbilder, die Wenders verwenden durfte.

Wie bemerkenswert konkret dieser Papst ist, wie wenig entrückt von der Lebensrealität jener Menschen, für die er da sein will, ist unerhört im Vergleich dazu, wie das Amt bei seinem Vorgänger gewirkt hat. Aus dieser Spannung und aus dem Charisma des Mannes selbst bezieht Wenders’ Film seinen Reiz. Dass dieser Film vom Vatikan gewollt ist, darf aber nicht vergessen werden. Kritische Distanz sieht anders aus.

Links:

Offizielle Seite zum Film
Filmografie Wim Wenders