Geschlossenheit bei Bundeskongress
Wolfgang Katzian ist am Donnerstag bei dritten Tag des Bundeskongresses der Gewerkschaft zum neuen Präsidenten gewählt worden. Von den Delegierten erhielt er 96,1 Prozent der Stimmen. Er bedankte sich nach seiner Wahl „mit aller notwendigen Demut“. Die hohe Zustimmung sei keine Selbstverständlichkeit, aber eine Grundvoraussetzung für die Herausforderungen der nächsten Zeit.
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Aufs Podium im Wiener Austrian Center stolperte Katzian über einen Kameramann und rappelte sich schnell wieder auf - ganz wie es sich für einen Gewerkschafter gehöre, so Katzian. Während seiner Dankesrede verlas er eine E-Mail, die ein Unternehmer an ihn geschickt hatte. Der Optiker machte sich darin gegen einen Zwölfstundentag stark. Das sei Arbeit, die krank mache. „Da werden wir alles dagegen tun“, so Katzian. In seinem Horoskop sei gestanden, er solle sich heute nur vom Verstand leiten lassen, um den Bogen nicht zu überspannen. „Ich fürchte, das schaff’ ich nicht“, so Katzian. Manchmal müsse man sagen, was Sache ist, davor habe die Gewerkschaft keine Angst. „Wir sind keine Hosenscheißer, auf gut Wienerisch gesagt“, sagte Katzian.
Gereichte Hand „kann schnell zur Faust werden“
Jeder wisse, was die Gewerkschaft nun zu tun habe, nämlich, sich für ein gutes Leben für Arbeitnehmer einzusetzen. Mit Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer wolle er noch am Donnerstag telefonieren und möglichst ein Treffen aller Sozialpartnerchefs vereinbaren. Wenn man die Sozialpartnerschaft nicht im bisherigen Sinn leben wolle, dann werde man sich eben auf Kollektivvertrags- oder Betriebsebene Gehör verschaffen müssen. „Wir reichen ihnen schon die Hand, aber wenn sie sie nicht annehmen, kann sie schnell zur Faust werden.“
Der neue ÖGB-Chef
Katzian bedankte sich am Donnerstag „mit aller notwendigen Demut“ für das Wahlergebnis.
Am Donnerstag wurde auch der Vorstand des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB) gewählt: Als Vizepräsident bestätigt wurde der Vorsitzende der Beamtengewerkschaft, Norbert Schnedl (95,9 Prozent), Vizepräsidentin ist nun die neue ÖGB-Frauenchefin Korinna Schumann. Sie erhielt 97,5 Prozent. Auch die Arbeiterkammer-Vertreter machten beim Kongress klar, dass man in letzter Konsequenz nicht vor dem Arbeitskampf zurückschrecken würde. AK-Präsidentin Renate Anderl: „Wir fürchten weder Donner, Blitz noch Hagel.“
Kampfansage an Regierung
Katzian hatte bereits in einer Rede am Mittwoch Wirtschaft und Regierung mit Kampfmaßnahmen gedroht, und zwar zu einem Zeitpunkt, „wo es besonders effektiv ist“. Der ÖGB sei gesprächs- und verhandlungsbereit, aber nur auf Augenhöhe: „Wenn nicht, werden wir uns anderweitig Gehör verschaffen. Das ist sicher.“
Angesichts freiheitlicher Empörung über einen Protest der Gewerkschaftsjugend bei der Kongressrede von Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) hatte Katzian gesagt: „Denen werden die Guck aufreißen, wenn sie sehen, wie wir wirklich im Kampfmodus sind.“ Einige Junggewerkschafter hatten aktionistisch mit verklebten Armen und Mündern während Hartinger-Kleins Rede protestiert.
Einstimmigkeit bei Leitantrag
Neben Katzians Wahl wurde zum Abschluss des dreitägigen Bundeskongresses ein durchaus kämpferischer Leitantrag angenommen - einstimmig. Auch die Christgewerkschafter votierten dafür, wenngleich FCG-Chef Schnedl klarmachte, dass man einzelne Forderungen wie jene nach Vermögenssteuern und der gemeinsamen Schule nicht unterstütze.
Das Papier enthält auch den Wunsch nach einer Arbeitszeitverkürzung, wobei hier als Option etwa das leichtere Erreichen einer sechsten Urlaubswoche genannt wird. Vorgesehen ist ferner eine Überstundenabgabe für Arbeitgeber. Auf die Altersteilzeit soll es einen Rechtsanspruch geben, gleiches soll beim „Papamonat“ gelten, und das mit vollem Lohnausgleich. Die von der Regierung sistierte „Aktion 20.000“ zur Beschäftigung älterer Arbeitnehmer will der ÖGB wieder in Kraft setzen.
Gegen Aus für AUVA
Nein sagt der ÖGB-Kongress zur Abschaffung der Notstandshilfe. Eine Senkung der Mittel für die Arbeiterkammer wird ebenfalls klar abgelehnt, was auch Christgewerkschafter Schnedl in seinem Statement deutlich machte. Auch ein Ende für die AUVA wird abgelehnt, ebenso Einschränkungen für Flüchtlinge bei der Mindestsicherung. Eines der meistdiskutierten Themen war die geplante Abschaffung der Jugendvertrauensräte. Auch hierzu sagt der Kongress Nein.
Abgegolten haben will der Gewerkschaftsbund die kalte Progression. Zumindest die sozialdemokratischen Gewerkschafter wünschen sich auch eine Erbschafts-, Schenkungs- und Vermögenssteuer, die vor allem zur Pflegefinanzierung herangezogen werden soll. Diverse Forderungen beziehen sich auch darauf, Steuerflucht zu unterbinden - oder, wie es vida-Chef Roman Hebenstreit in der Debatte nannte, statt ständig die Balkan-Route lieber einmal die „Panama-Route“ zu schließen.
Lehrstellenmarkt für Asylwerber
Chancenreichen Asylwerbern will der ÖGB den gesamten Lehrstellenmarkt öffnen. Zudem kommt neuerlich die Forderung danach, Asylsuchenden, die ein halbes Jahr im Land sind, den Zugang zum Arbeitsmarkt zu ermöglichen. „Als letztes Mittel“ denkt der Bundeskongress Einschränkungen der Freizügigkeit auf dem EU-Arbeitsmarkt an.
Was die Schule angeht, tritt der Kongress für die gemeinsame Schule sowie für die Ganztagsschule ein. Ein zweites Gratiskindergartenjahr findet sich ebenso auf der Agenda wie ein Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz ab dem ersten Lebensjahr.
Ziele hoch gesteckt
Ebenfalls angenommen wurde ein Initiativantrag der Gewerkschaftsspitzen, der sich für eine Strukturreform der Organisation ausspricht: „Um die Interessen der arbeitenden Menschen unseres Landes vertreten und durchsetzen zu können, müssen wir auch bisher Bewährtes infrage stellen.“
Katzian hatte dem ÖGB bereits am Mittwoch auch ambitionierte Ziele vorgegeben. Er wolle nicht nur ein paar tausend neue Mitglieder, sondern ein paar zehntausend. „Wir müssen wachsen und wir müssen stärker werden.“ Dafür müsse es eine Strukturreform geben. „Wenn sich die ganze Welt ändert und die Abläufe in der Wirtschaft, müssen wir schauen, was tun wir in der Organisation“, so Katzian. Auch wolle er den ÖGB öffnen und Bündnispartner finden. Hier schweben ihm etwa Kooperationen mit Ärztekammer, Wissenschaft und NGOs vor.
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