Entscheidung aus „humanitären Gründen“
Spanien hat im Streit zwischen Italien und Malta um das NGO-Schiff „Aquarius“ mit 629 Flüchtlingen und Migranten an Bord einen entscheidenden Schritt gesetzt. Ministerpräsident Pedro Sanchez teilte am Montag in einer Presseaussendung mit, dass Spanien die Einfahrt des Rettungsschiffes in Valencia aus „humanitären Gründen“ zulassen wolle.
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Sanchez habe den Hafen von Valencia angewiesen, das Boot einlaufen zu lassen, hieß es aus dem Büro des sozialistischen Ministerpräsidenten. Es sei seine Pflicht, eine humanitäre Katastrophe abzuwenden. Zuvor hatten sich der Stadtchef von Valencia, Joan Ribo, und auch Barcelonas Bürgermeisterin, Ada Colau, bereiterklärt, in den Häfen ihrer Städte das Schiff mit den 629 Geretteten aufzunehmen.
Die „Aquarius“ der Organisation SOS Mediterranee wartete nach einer Rettungsaktion in internationalen Gewässern zwischen Italien und Malta auf die Genehmigung, einen Hafen anzusteuern. Die beiden Länder verweigerten das. Der neue italienische Innenminister und Chef der rechten Lega, Matteo Salvini, hatte dem Schiff am Sonntag untersagt, in einen italienischen Hafen einzulaufen - und stattdessen auf die Zuständigkeit Maltas verwiesen. Der Inselstaat, der bereits seit Längerem NGO-Schiffen das Anlaufen der eigenen Häfen verweigert, wehrte aber auch diesmal ab.
Salvini sieht „Sieg Italiens“
Maltas Premier Joseph Muscat dankte Sanchez am Montag auf Twitter für das Angebot Spaniens und warf Italien vor, internationales Recht gebrochen zu haben. Er kündigte an, dass Malta frische Vorräte zur „Aquarius“ schicken werde. „Wir werden uns zusammensetzen müssen und darüber diskutieren, wie sich so etwas in Zukunft verhindern lässt. Das ist ein europäisches Problem“, so Muscat.
Auch Salvini zeigte sich über die Entscheidung Spaniens erfreut und sprach von einem „Sieg Italiens“. Es zahle sich aus, dass Italien die Stimme erhoben habe. Zugleich dankte er Spanien für die „Großherzigkeit“. Die EU könne sich auf solche Gesten allerdings nicht verlassen, so der Lega-Chef. Montagvormittag hatte Salvini auf Twitter geschrieben, die Seerettung sei eine Pflicht, aber nicht, Italien in ein großes Flüchtlingslager zu verwandeln. „Italien sagt jetzt nicht mehr ‚Ja‘ und folgt. Diesmal sagen wir ‚Nein‘“, so der italienische Innenminister.
Italienische Städte gegen Innenminister
Ob die „Aquarius“ aber tatsächlich Valencia anlaufen wird, blieb im Laufe des Montagabends offen. Das NGO-Schiff wartete nach eigenen Angaben auf offizielle Anweisungen über den Hafen, zu dem die Flüchtlinge geführt werden sollen. Das Schiff von SOS Mediterranee und Ärzte ohne Grenzen befand sich 35 Seemeilen von Italien und 27 Seemeilen von Malta entfernt.
Manche italienischen Städte hatten dem Vorgehen Salvinis allerdings bereits offen widersprochen - und der „Aquarius“ die Öffnung ihrer Häfen in Aussicht gestellt. Der Bürgermeister von Neapel, Luigi de Magistris, kündigte an, er würde das Flüchtlingsschiff willkommen heißen. Auch der Bürgermeister der sizilianischen Hauptstadt Palermo, Leoluca Orlando, sagte, er würde das Schiff anlegen lassen. Neben Neapel unterstützten auch die Bürgermeister anderer süditalienischer Städte Orlandos Position, darunter Messina und Reggio Calabria, berichtete der britische „Guardian“.
An Bord des Schiffes befinden auch mehr als 100 Kinder. Die NGO bat, zumindest jene Menschen an Land gehen zu lassen, die in einer schlechten gesundheitlichen Verfassung seien. Auch das Flüchtlingshochkommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) und die EU-Kommission appellierten an die italienischen und maltesischen Behörden.
Internationales Seerecht
Nach internationalem Seerecht müssen Schiffe in Seenot Geratenen helfen. Staaten haben ihrerseits die Verpflichtung, Hilfe zu leisten und die Menschen an einen sicheren Ort zu bringen. Außerdem gilt international die Regel, dass Schutzsuchende nicht an einen unsicheren Ort zurückgeführt werden dürfen.
Salvinis Aussagen weisen aber klar darauf hin, dass die neue Regierung hier einen härteren Kurs gegen Seeflüchtlinge und -migranten fahren will. Das dürfte auch auf europäischer Ebene zu neuen Diskussionen und Streit über die Flüchtlingspolitik führen. Die einen setzen auf völlige Abschottung und die Bekämpfung des Geschäfts mit der Flucht und wollen Flüchtlingsrouten - ob via Balkan oder über das Mittelmeer - generell schließen. Die anderen betonen die humanitäre Verantwortung Europas, verfolgte Menschen aufzunehmen.
600.000 kamen bisher nach Italien
In den vergangenen fünf Jahren haben mehr als 600.000 Menschen, die sich in der Hoffnung auf ein besseres Leben überwiegend von Afrika aus auf den Weg nach Europa gemacht hatten, Italien mit Flüchtlingsbooten erreicht. Tausende kamen bei der Überfahrt ums Leben, etwa, weil ihre Boote kenterten.
Italienische Politiker hatten wiederholt gesagt, das Land werde von seinen EU-Partnern nicht ausreichend unterstützt. Bei der Parlamentswahl im März gab es in Italien einen deutlichen Rechtsruck. Die rechtspopulistische Lega regiert nun zusammen mit der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung.
Libysche Küstenwache stoppt Migranten
Die libysche Küstenwache fing unterdessen erneut Menschen auf dem Weg nach Europa ab. Die Einsatzkräfte hätten am Sonntag ein Gummiboot mit 180 Menschen an Bord vor der Küste des Landes gestellt und die Menschen zurück an Land gebracht, teilte die Küstenwache am Montag mit. Unter ihnen seien auch zwölf Kinder und 31 Frauen gewesen. Den Angaben zufolge kamen die Menschen aus Ghana, der Elfenbeinküste, Mali, Senegal, Nigeria und Guinea.
Die Zahlen der im Mittelmeer Geretteten war zuletzt gestiegen: Der Internationalen Organisation für Migration (IOM) zufolge wurden am Wochenende etwa 1.420 Migranten auf der zentralen Mittelmeer-Route aufgegriffen. Im Sommer steigt die Zahl der Boote, die vor allem in Libyen ablegen, weil das Wetter für die Überfahrt in dieser Zeit am besten ist.
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