Vorschläge für Barnier ungenügend
Die Frage der künftigen irischen Grenze wartet in den laufenden „Brexit“-Verhandlungen zwischen der EU und dem Vereinten Königreich weiter auf eine Lösung. Eine vorübergehende Auffanglösung (Backstop) sei nicht das, was die EU oder Irland wollten, sagte dazu zuletzt EU-„Brexit“-Chefunterhändler Michel Barnier. Die Irland-Frage sei nach wie vor das „größte Problem“.
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Die britische Regierung hatte nach langen internen Debatten vergangene Woche ihren Vorschlag zur Vermeidung der Grenze zwischen dem EU-Staat Irland und dem britischen Nordirland vorgelegt. Der Plan sieht vor, dass sich notfalls ganz Großbritannien weiter übergangsweise an die Regeln der Europäischen Zollunion hält, allerdings mit einigen Sonderklauseln. Das soll aber spätestens Ende 2021 vorbei sein. Barnier sagte indes, die Garantie müsse dauerhaft gelten.

Reuters/Clodagh Kilcoyne
Der Streit um die Grenze zwischen Irland und Nordirland geht in die nächste Runde
Die zeitliche Beschränkung ist ein Zugeständnis der britischen Premierministerin Theresa May an den europaskeptischen Flügel ihrer Regierung. Der britische „Brexit“-Minister David Davis hatte sich zuvor vehement gegen die Beibehaltung der europäischen Zollregeln nach dem für März 2019 angesetzten EU-Austritt ausgesprochen.
Irland-Frage mehrmals offengelassen
Die Irland-Frage gilt als schwierigste Hürde bei dem für März 2019 geplanten EU-Austritt Großbritanniens. Die EU will möglichst bis zu ihrem Gipfel Ende des Monats Grundzüge einer Lösung. Die Gespräche hängen seit Monaten fest, weil sich beide Seiten nicht auf eine Lösung für die Grenze zwischen Irland und Nordirland nach dem „Brexit“ einigen können. Bis Oktober soll das gesamte Austrittsabkommen und eine Vereinbarung über künftige Beziehungen stehen.
Die Irland-Frage ist so umkämpft, das sie bei der „Brexit“-Grundsatzeinigung im vergangenen Dezember zwischen Brüssel und London absichtlich offengelassen wurde. Großbritannien legte danach zwar Lösungen vor, die aber von Barnier als nicht realisierbar abgewiesen wurden. Falls man sich nicht einigt, hat die EU eine Klausel verankert, wonach Nordirland sich notfalls auch nach dem „Brexit“ an EU-Regeln halten muss. Die Maßnahme ist als Backstop bekannt.
Eine Auffanglösung könne nur für Nordirland greifen, nicht aber für ganz Großbritannien, warnte Barnier. Für Nordirland müssten die EU-Regeln für den Warenverkehr gelten. Die britische Regierung stellt sich gegen die Aussagen des Chefverhandlers. Das würde eine Zollgrenze zwischen dem Landesteil zum Rest des Vereinigten Königreichs bedeuten, sagte ein Sprecher der Regierungschefin May. Das werde die Premierministerin niemals akzeptieren, hieß es aus London.
Barnier: „Blame Game“ der Briten
In Hinblick auf die Bedingungen für die künftigen Beziehungen warf Barnier Großbritannien ein Schwarzes-Peter-Spiel vor. Großbritannien wolle alle Vorzüge der EU-Mitgliedschaft bewahren und die EU dafür verantwortlich machen. Die EU lasse sich durch dieses „Blame Game“ aber nicht beeindrucken. Großbritannien habe entschieden, die EU zu verlassen, es brauche nun Verantwortung und Realismus.
Der EU-Chefverhandler lehnte vergangene Woche einen Kommentar auf die jüngsten Aussagen von dem britischen Außenminister Boris Johnson ab. Johnson rechnet offenbar mit einem Scheitern der „Brexit“-Verhandlungen. Bei einem Treffen mit konservativen Politikern sagte Johnson laut einem am Freitag geleakten Tondokument, dass auch ein „Zusammenbruch“ der nun „kämpferischen“ Verhandlungen nicht ausgeschlossen sei.

APA/AFP/Nikklas Hallen
Großbritanniens Außenminister Boris Johnson äußerte sich kritisch zu den „Brexit“-Verhandlungen
„Sie müssen der Tatsache ins Auge sehen, dass es einen Zusammenbruch geben könnte, okay?“, sagte Johnson dem Mitschnitt zufolge, der dem Internetportal Buzzfeed und der „Times“ zugespielt wurde. „Ich will nicht, dass irgendjemand während des Zusammenbruchs in Panik gerät. Keine Panik. Zum Wohle der Öffentlichkeit, keine verdammte Panik. Am Ende wird alles gut.“
Johnson: „So wenige Firmen“
Johnson äußerte sich auch zum Streit um die künftige Grenzregelung zwischen Irland und Nordirland und die drohenden Grenzkontrollen. Das Problem sei „so klein“, und die Grenze werde nur von „so wenigen Firmen“ regelmäßig genutzt, dass in dieser Frage nicht „der Hund mit dem Schwanz wedeln“ dürfe. Die Regierung lasse von „dieser Torheit“ aber „ihre gesamte Agenda“ bestimmen.
Johnson sagte bei dem Treffen zudem, dass er US-Präsident Donald Trump zunehmend bewundere. „Ich bin mehr und mehr davon überzeugt, dass hinter seiner Verrücktheit Methode steckt“, sagte er laut dem Mitschnitt. „Stellen Sie sich vor, Trump würde den ‚Brexit‘ machen. Er würde es verdammt hart angehen (...) Es würde alle möglichen Zusammenbrüche geben, alles mögliche Chaos. Jeder würde denken, er sei verrückt geworden. Aber man würde tatsächlich etwas erreichen.“
Johnson, einer der Wortführer der „Brexit“-Kampagne, sprach bei dem Treffen auch über Unstimmigkeiten in der konservativen Regierung von May. Der „Brexit“ werde „stattfinden“ und nicht rückgängig zu machen sein, sagte Johnson. Es bestehe aber das „Risiko“, dass er „nicht der sein wird, den wir wollen“. Er warnte deshalb vor zu vielen Zugeständnissen an Brüssel.
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