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Schusterschitz: Irland-Frage weiter Problem

Österreichs Delegierter bei den „Brexit“-Verhandlungen, Gregor Schusterschitz, ist zuversichtlich, dass sich bis Herbst alle offenen Fragen lösen lassen und ein harter „Brexit“ verhindert wird. „Wenn ich wetten müsste, harter Brexit oder Abkommen, würde ich auf ein Abkommen wetten“, sagte Schusterschitz im Interview mit der APA. Die Wirtschaft müsse aber auf alles vorbereitet sein.

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Eines der größten Probleme ist das künftige Grenzregime zwischen dem EU-Mitgliedsland Irland und Nordirland. „Ich glaube nicht, dass wir die Irland-Frage vor dem Gipfel im Juni restlos lösen werden. Es ist aber auch nicht ausgeschlossen“, sagt Schusterschitz. Der Diplomat verweist darauf, dass wichtige Entscheidungen immer erst wenige Wochen vor den Gipfeltreffen fallen.

Verweis auf Karfreitagsabkommen

„Wenn es keine Backstop-(Auffang-)Lösung gibt, hätte Irland eine EU-Außengrenze zu Großbritannien. Aber auch Großbritannien sagt, dass es keine harte Grenze will.“ Die EU fordert ein Angleichen der regulatorischen Bestimmungen für Nordirland, Großbritannien will aber Nordirland nicht anders als den Rest des Landes behandeln.

Dabei betont Schusterschitz, dass es der EU um den Warenverkehr zwischen Irland und Nordirland gehe. Personenbewegungen seien bereits zwischen Irland und Großbritannien geregelt. Grundlage sei das Karfreitagsabkommen zur Beilegung des Nordirland-Konflikts. Eine Anwendung der EU-Zolllösung für Nordirland auf das ganze Vereinigte Königreich wäre auch deshalb problematisch, das hätte nichts mehr mit dem Karfreitagsabkommen zu tun, erklärt Schusterschitz.

Österreichs Mr. „Brexit“

Gregor Schusterschitz ist seit 2015 österreichischer Botschafter in Luxemburg. Zuvor war er Gesandter an der österreichischen Vertretung bei der EU in Brüssel. Seit 2017 ist Schusterschitz zusätzlich österreichischer Delegierter in den „Brexit“-Verhandlungen. In der Ratsarbeitsgruppe zu „Artikel 50“, wie das Austrittsverfahren im EU-Jargon heißt, koordinieren die 27 EU-Staaten ihre Position gegenüber London.

„Tatsächlich nicht so viel Zeit“

Wackelt der Oktober-Termin für den Austrittsvertrag, wenn die Irland-Grenzfrage nicht gelöst ist? „Wir haben bis Oktober Zeit, eine Einigung zu erreichen. Wenn es nicht im Oktober erfolgt, kann es noch immer gelöst werden. Es gibt keinen Grund für eine Katastrophenstimmung“, mahnt der Diplomat zur Ruhe.

Was passiert, wenn der Austrittsvertrag bis Oktober nicht steht? Schusterschitz: „Der Vertrag muss Ende März in Kraft treten.“ Vorher laufen die parlamentarischen Prozeduren zur Ratifizierung. „Man hat vielleicht im Herbst einen Spielraum von ein paar Wochen. Aber tatsächlich ist nicht so viel Zeit.“

Signale, dass der „Brexit“ nicht stattfindet, „höre ich keine“, sagt der österreichische Vertreter in der Ratsarbeitsgruppe zu „Artikel 50“, wie das „Brexit“-Gremium der verbleibenden 27 EU-Staaten offiziell heißt. Großbritannien müsste in einem solchen Fall das EU-Austrittsgesuch zurückziehen. Dafür wäre wohl ein weiteres Referendum erforderlich, „ich sehe dafür keine parlamentarische Mehrheit“, so der Diplomat.

Signale der Annäherung

Ein harter „Brexit“ ohne Abkommen könne noch immer nicht ausgeschlossen werden, obwohl beide Seiten - die EU und Großbritannien - das absolut verhindern wollten. „Es ist wichtig, dass man sich auf ein solches Szenario vorbereitet. Gerade die Wirtschaft muss sich vorbereiten“, sagt Schusterschitz. Die Briten würden aber auf die EU zugehen, etwa mit ihrem jüngsten Zollpapier.

Andere offene Fragen in den „Brexit“-Gesprächen, etwa zu staatlichen Beihilfen, seien eher formal als inhaltlich zu sehen, „ich halte diese anderen Punkte für lösbar“, betont der österreichische Delegierte. Auch die Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofs bei den Bürgerrechten sei mittlerweile geklärt. „Bei anderen Bereichen des Austrittsabkommens hören wir von den Briten bislang nur, was sie nicht wollen.“

„Keine Parallelverhandlungen“

Wie bereitet sich Österreichs EU-Ratsvorsitz auf die Schlussphase der „Brexit“-Verhandlungen vor? „Wir überlegen, wann wir welche Ratssitzungen brauchen. Inhaltlich sind wir erst am Zug, wenn sich bei den Mitgliedsstaaten Differenzen auftun“, betont Schusterschitz.

„Wir machen keine Parallelverhandlungen. (Der EU-Chefverhandler Michel, Anm.) Barnier verhandelt mit den Briten. Wir sind dazu da, die 27 verbleibenden EU-Staaten zusammenzuhalten. Wenn Konflikte entstehen, etwa beim Thema Finanzdienstleistungen, wird es an uns liegen, eine gemeinsame Position zustande zu bringen.“ Extrasitzungen wären da etwa möglich, auch würden zur Vorbereitung verschiedene Szenarien durchgespielt.

„Rosinenpicken gibt es auch von unserer Seite“

Dabei werden auch die künftigen Beziehungen zwischen der EU und Großbritannien nach dem „Brexit“ unter österreichischem Vorsitz eine Rolle spielen. „Formal können diese Verhandlungen erst ab April beginnen“, wenn das Vereinigte Königreich ein Drittstaat ist, sagt Schusterschitz. „Wir wollen aber eine politische Erklärung mit dem Austrittsvertrag machen“, darin sollen Eckpunkte der künftigen Beziehungen genannt sein, etwa eine Beteiligung Großbritanniens an der Sicherheits- und Außenpolitik. Auch finanzielle Fragen könnten jetzt schon im Grundsatz angesprochen werden.

Dass Großbritannien versucht, so viele Vorzüge seiner EU-Mitgliedschaft zu behalten, sieht Schusterschitz gelassen. „Es ist logisch, dass die Briten mit Maximalforderungen hineingehen. Sie werden natürlich nicht alles kriegen. Wir werden das Kind nicht mit dem Bade ausschütten. Rosinenpicken gibt es ja auch von unserer Seite.“

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