Anarchie und Aktionismus
Sein Name ist untrennbar mit Exzess und Rock ’n’ Roll verbunden: Als Kopf der Skandalband Drahdiwaberl, die sich theatrale Radikalität zu eigen machte, um das Publikum zu schocken, hat Stefan Weber österreichische Popgeschichte geschrieben. Nun ist der bereits seit Jahrzehnten von einer Parkinsonerkrankung Gezeichnete im Alter von 71 Jahren verstorben.
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Geboren und aufgewachsen ist Weber in Wien, nach eigener Aussage „in einem kommunistischen Elternhaus“. Er selbst zeigte bereits in jungen Jahren gesellschaftspolitisches Interessen und beteiligte sich als Jugendlicher an der Besetzung der Kunstakademie. Zeitgleich begann die Leidenschaft für die Musik in Weber zu keimen. So gründete er 1966 die Gruppe Webbb’s Crew, bevor 1969 aus der Tradition der 68er-Bewegung die Band Drahdiwaberl entstand.
Und die sollte bleibenden Eindruck hinterlassen, denn selbst Spätgeborene, die Drahdiwaberl nicht mehr live erleben durften, können mit dem Namen etwas anfangen. Die Gruppe wurde bald nach der Gründung mit den dezidiert politischen Liedern und einer grellen, herrlich obszönen Liveshow bekannt - ganz gemäß der Idee, sich als wildeste Band Österreichs zu positionieren.
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Ein „Urviech“ auf der Bühne
Die Konzerte von Drahdiwaberl sind aus der österreichischen Popgeschichte nicht wegzudenken. Ob Schweinerock oder Anarchopunk, war dabei ganz egal.
Mit Jazz Gitti und Falco
Parallel zu den Wiener Aktionisten gestalteten sich die Konzerte der Formation als Materialschlacht, bei der die Zuhörer mit Nahrungsmitteln beworfen wurden - und es wurde mitunter von der Bühne gepinkelt, weshalb die Auftritte nicht selten in Verhaftungen und Gerichtsverfahren mündeten. Zugleich begründeten Musiker wie Falco und Thomas Rabitsch bei Drahdiwaberl ihre Karrieren. Und auch Jazz Gitti war lange Mitglied - ebenso wie Tochter Monika, welche die Rolle als Akteurin von Webers Frau übernommen hatte.

picturedesk.com/Franz Hausner
Drahdiwaberl-Konzert in der Wiener Arena im Jahr 1986
Bis man von diesen Happenings und Songs aber erste Tonträger in Händen halten konnte, sollte es lange Zeit dauern. Erst 1981 veröffentlichte die wilde Truppe mit „Psychoterror“ die erste Platte, bevor Weber 1983 im Duett mit Lukas Resetarits mit der Single „Lonely“ (vom Album „Werwolfromantik“) gar die Spitze der heimischen Charts erklomm.
TV-Hinweis
Der „kulturMontag“ würdigt Stefan Weber am Montag ab 22.30 in ORF2 mit einem Porträt - und hat dazu zahlreiche Weggefährtinnen und Weggefährten befragt, darunter Jazz Gitti.
Der wilde Herr Lehrer
So markant die Auftritte und der folgende Aufschrei auch waren, so überschaubar blieb der kommerzielle Erfolg. Deshalb verdingte sich Weber ab 1970 auch als Lehrer für Zeichnen und Werken an einem Wiener Bundesrealgymnasium, bis er den Posten wegen seiner Parkinsonerkrankung frühzeitig aufgeben musste. Weber war unter den Schülern durchaus als strenger und ernst zu nehmender Lehrer bekannt.
Nonkonformistisch waren jedenfalls nicht nur die Bühnenauftritte, Drahdiwaberl eckten stets auch mit ihren Texten an. Die Kirche, die Politik, die „Gemütlichkeit“, alles und jeder bekam sein Fett ab. Auch die späten Alben waren von Gesellschaftskritik geprägt, natürlich mit dem Drahdiwaberl eigenen, nicht ganz geschmackssicheren Schmäh. So heißt es etwa im Song „Bussibär“ aus dem Jahr 2000:
„Geh her da Mädl und schau her: In der Hose hab ich ein Schießgewehr. Ich bin doch nicht pervers, ich bin doch nicht verrückt, Vergewaltigung ist ein
Kavaliersdelikt. Das weiß doch jeder Richter - und die Richter, die sind Männer und, so wie ich, echte Frauenkenner. Jede Frau hat das doch selbst provoziert und gehört gestraft, wenn sie sich emanzipiert.“

APA/Conny de Beauclair
Stefan Weber 2007 beim Falco-Geburtstagskonzert im Wiener U4
Abschied im Gasometer
Der letzte Auftritt von Drahdiwaberl fand 2009 im Wiener Gasometer statt. Als Monument bleibt in jedem Fall der Film „Weltrevolution“, an dem die Band über Jahre arbeitete. Die Dokumentation über die Genese der wilden Truppe feierte 2008 beim Filmfestival in Rotterdam Premiere und erschien 2011 auf DVD. Eine filmische Ehrerweisung hat auch Regisseur Amor Schläggen mit „Stefan Weber heißt das Schwein“ vorgelegt und zeigte sich mit seiner Dokumentation in bester Drahdiwaberl-Manier.
Offiziell geehrt
Dass Weber über die Jahre zum heimischen Kulturgut wurde, zeigen nicht zuletzt auch Auszeichnungen, die der Künstler erhielt. So wurde er 2005 mit einem Amadeus Austrian Music Award für sein Lebenswerk geehrt und erhielt auch das Silberne Verdienstzeichen des Landes Wien. Die anarchische Weltrevolution trug also doch Früchte.
„Mulatschag im Jenseits“
Walter Gröbchen, Musikproduzent und einst Schüler von Weber am Gymnasium, schrieb auf Facebook: „Im Jenseits bricht gerade ein Mulatschag los. Leb’ wohl, Stefan.“ Rabenhof-Direktor Thomas Gratzer würdigte Webers Rock-’n’-Roll-Musiktheaterprojekt Drahdiwaberl als „wichtigen Impulsgeber für die österreichische Musik- und Theaterszene der vergangenen Jahrzehnte. Ohne seine Radikalität, seinen Mut und seine Kreativität wäre die Kulturlandschaft des Landes um sehr vieles ärmer.“
Die neue Wiener Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) zeigte sich „tief betroffen“ vom „Ableben des charismatischen Musikers und Grafikers“. Auch SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder würdigte „das Mastermind gegen die Spießer und ihre bürgerliche Moral“.
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