Themenüberblick

Zwischen Zukunftsplänen und Finanzierung

Bei der von Medienminister Gernot Blümel (ÖVP) initiierten Medienenquete im Wiener MuseumsQuartier hat es bereits zum Auftakt eine Fülle von gegenseitigen Appellen und Aufträgen an Medienpolitik und Medien gegeben. Als zentrale Frage einer Fünfpunktestrategie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk sah etwa Medienmanager Gerhard Zeiler die Frage nach „Öffentlichkeit“ und „Mut“, aber auch die Digitalisierung und die Rolle der EU.

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Der ehemelige ORF-Generalintendant und nunmehrige Präsident von Turner International, Zeiler, ortete fünf wesentliche Aufträge für einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk. An vorderster Stelle stehe dabei der Auftrag zur journalistischen Unabhängigkeit, zu der auch die „journalistische Unbequemheit“ gehöre. Diese beinhalte den Mut, „Nein zur Politik“ zu sagen. Inhaltlich müsse der ORF den Fokus auf „österreichische Wertschöpfung“ legen, „für jeden etwas liefern“ - also im besten Sinne informieren, lehren und unterhalten.

„Faire Marktbedingungen“ gefordert

„Monopole sind wie Monopole zu regulieren“, sagte Zeiler mit Blick auf Facebook, Google und andere globale Onlineriesen.

Deswegen gelte es auch, alle Sender anbieten zu können. Zu den zentralen Aufgaben gehöre auch die Ausweitung der digitalen Angebote. Dabei sei die TVthek „nur der erste Schritt“. Vom YouTube-Verbot für den ORF, aber auch von dessen Rückzugsplänen von Facebook halte er nichts. Dem allen liege letztlich der Auftrag zur Effizient und Sparsamkeit zugrunde, denn längerfristig würden Gebührenzahler nur dann bereit sein zu zahlen, wenn verantwortungsvoll mit den Gebühren umgegangen werde.

Zeiler mit Absage an Budgetfinanzierung

Er sei nach wie vor den Meinung, dass die Gebührenfinanzierung die wesentlichste Grundlage für die Finanzierung des Öffentlich-Rechtlichen sei, sagte Zeiler. Die Alternative, namentlich die Budgetfinanzierung, gefährde zumindest einen, und zwar den wichtigsten Teil des Öffentlich-Rechtlichen, so Zeiler mit Verweis auf die Unabhängigkeit von der Politik. Hinsichtlich der von Blümel geforderten verstärkten Zusammenarbeit zwischen Öffentlich-Rechtlichen und Privaten erachtet er zwei Felder als sinnvoll.

Dabei nannte er einerseits die gemeinsame Werbevermarktung im digitalen Bereich, wobei er sich zumindest teilweise auch eine Ausweitung auf den linearen Bereich vorstellen kann. Andererseits verwies er auf den gemeinsamen Erwerb von Sportrechten - Stichwort Champions League. Eine gemeinsame Akquise würde für eine „Win-Win-Situation“ für beide Seiten sorgen. Aufgabe der Medienpolitik sei dabei, den Diskurs in diese Richtung zu führen, eine Medienlandschaft mit Vielfalt und „fairen Marktbedingungen“ zu ermöglichen und „dass diese Medien von der Politik unabhängig sind und die Politik unabhängig von den Medien ist“.

Blümel sieht „asymmetrischen Wettbewerb“

Einen „asymmetrischen Wettbewerb zwischen lokalen und globalen Medien“ konstatierte Medienminister Gernot Blümel (ÖVP) in seiner Eröffnungsrede. Österreichische Medien müssten sich heute mit globalen Konzernen messen, die anders aufgestellt seien und kaum Regulierungen unterlägen, so Blümel, der in seiner Eröffnungsrede am Donnerstag auch befand, dass Medienpolitik in Österreich immer nur als Streit ums Geld und die Zukunft des ORF ablaufe.

Minister Blümel über mediale Missverständnisse

Medienminister Gernot Blümel (ÖVP) spricht bei der Medienenquete in Wien über einen „asymmetrischen Wettbewerb zwischen lokalen und globalen Medien“.

Wer glaube, dass man in Österreich über Medien so weiterdiskutieren könne wie in der Vergangenheit, der unterschätze den aktuell stattfindenden digitalen Wettbewerb. „Es geht um die Frage, ob es in zehn Jahren österreichische Inhalte im digitalen Raum gibt und ob es auch eine Pluralität in der österreichischen Medienszene gibt“, so Blümel, der die demokratiepolitische Bedeutung der Diskussion unterstrich.

Hofer für 5G-Ausbau und digitale Betriebsstätten

Für die FPÖ meldete sich am Donnerstag Infrastrukturminister Norbert Hofer via Videobotschaft zu Wort. Er forderte klare Regeln und Richtlinien für die Gestaltung der Medienlandschaft - vor allem, weil sich diese rapide verändere und sich die Menschen Informationen auf neue Arten verschafften. Dazu brauche es auch heute Persönlichkeiten, welche die Weichen stellen.

Hofer verweist auf Infrastruktur

FPÖ-Minister Hofer gab einen Überblick über das geplante 5G-Netz für Österreich.

Für die Zukunft brauche Österreich ein leistungsfähiges und flächendeckend ausgebautes 5G-Netz, das Streamingdienste in hoher Qualität ermögliche. Er forderte die digitale Betriebbsstätte und bezeichnete die E-Privacy-Verordnung als „echte Gefahr“ für die österreichische Medienlandschaft, die Ausnahmen erfordere. Ziel der heimischen Medienlandschaft sei es jedenfalls, die Menschen mit guter Information zu versorgen.

„Erwartungen sehr hoch gehängt“

Die Erwartungshaltungen an diese Enquete seien im Vorfeld „hoch gehängt“ worden, so Blümel. Jedoch, so der Minister: „Die Enquete kann nicht mit einem Fingerschnippen alle Medienthemen lösen.“ Er habe „heimische Medienpolitik als Missverständnis“ erlebt, so Blümel, der sich an seine Zeit als ÖVP-Generalsekretär erinnerte, dessen medienpolitische Funktion nach allgemeiner Auffassung darin bestanden habe, sich als Mediensprecher seiner Partei „über die Berichterstattung zu beschweren“.

Medienpolitik sei mehr als ein Diskurs über die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und ein Verteilungskampf ums Geld, so Blümel, der den Sinn der Konferenz auch darin sieht, die „Stakeholder“ in dieser Debatte in einen Diskurs zu bekommen und gerade auch internationale Experten zu hören. Das soll in den kommenden zwei Tagen passieren.

Döpfner verweist auf EU-Ebene

Wichtige Jobs für die österreichische Regierung sah auch Keynote-Speaker Mathias Döpfner, und zwar im Regulierungsbereich auf EU-Ebene. Als „zukunftsentscheidend“ und „schicksalshaft“, damit europäische Verleger auch künftig Inhalte anbieten können, bezeichnete er zum einen die „anstehende Entscheidung über ein europäisches Verlegerrecht“. Es gehe um die zentrale Frage, ob „geistiges Gut geschütztes Gut ist“, derzeit sei das nicht der Fall. „Das wird innerhalb der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft entschieden werden“, so Döpfner.

„Kein freies Spiel mehr“

Strengere Regeln für die großen Player in einer veränderten globalen Medienwelt forderte auch Döpfner.

Zum Zweiten kritisierte er die vorliegenden E-Privacy-Pläne als „Treppenwitz der Geschichte“. Anstatt die Daten der User zu schützen, würde diese im Endeffekt „die amerikanischen Monopole noch stärker machen“. Es brauche jedenfalls Sonderregeln, auch hier setzt er Hoffnungen in die österreichische Ratspräsidentschaft. Einig waren sich Döpfner und Zeiler, dass die internationalen Onlineriesen stärker reguliert werden müssten. Steuerrechtlich (Stichwort: digitale Betriebsstätte) spricht aus Zeilers Sicht hier auch nichts gegen einen österreichischen Alleingang.

Jourova warnt vor Gewalt und Manipulation

EU-Kommissarin Vera Jourova ist besorgt über Gewalt gegenüber Journalisten online wie auch in der realen Welt. Sie warnte auch vor manipulierten Wahlen durch Desinformation und „Fake News“. Unternehmen, die sich für die Inhalte ihrer User nicht verantwortlich sehen, hielt sie die soziale Verantwortung entgegen.

Bedenkliche Tendenzen

EU-Kommissarin Vera Jourova thematisierte zunehmende Repressionen gegen Journalisten und warnte vor verbaler und physischer Gewalt gegen Medienvertreter.

Die Medienenquete finde zum richtigen Zeitpunkt statt, da die Branche vor großen Herausforderungen stehe, das gehe aber weit über die Medien hinaus, meinte Jourova. Zwar könne man gegenüber Journalisten kritisch sein, zunehmend komme es aber zu Gewalt gegen Medienvertreter.

„Autoritäre Tendenzen“

Vor allem online sei ein Trend zu beobachten, dass sehr gewalttätig gegen Journalisten agiert werde. Frauen würden sich fürchten, da die Attacken heftiger geworden seien, so die Kommissarin für Justiz, Verbraucherschutz und Gleichstellung. Wenn Journalisten dafür getötet werden, dass sie etwa Korruptionsskandale aufdecken, müsse man sie stärker schützen, so Jourova.

Öffentlich-rechtliche Anstalten seien häufig die ersten Opfer: „Das sind autoritäre Tendenzen“, stellte die Tschechin fest und erklärte, dass sie selbst ihr „halbes Leben“ Zensur und Gehirnwäsche erlebt habe. Desinformation und „Fake News“, diese Herausforderung gebe es auch heute.

Lügen „sexier“ als Wahrheit

Die EU-Kommissarin kam auch auf Facebook und die Datenanalysefirma Cambridge Analytica zu sprechen und zeigte sich über das Risiko manipulierter Wahlen und etwa der „Brexit“-Abstimmung besorgt. Vorsicht sieht sie auch bei politischen Kampagnen im Internet geboten.

Lügen und Gerüchte habe es schon immer gegeben, noch dazu seien Lügen legal und für viele „sexier“ als die Wahrheit, so die EU-Kommissarin. Illegal hingegen seien etwa terroristische und extremistische Inhalte sowie „Hate-Speech“. Dass dieser Content gelöscht werden muss, hält sie für richtig, auch wenn man sie dafür „Big Mother“ nennt, meinte Jourova. Sie verwies auch auf 2016, als in Europa Gewalt und Hass aufgrund der Migration gestiegen seien und die Gefahr bestanden habe, dass dieser aus der Online- auf die reale Welt übergreift.

Kernthemen der Konferenz

Public Value und öffentlich-rechtlicher Auftrag, Medienfinanzierung sowie Demokratie und Digitalisierung sind Kernthemen, weiters werden Europa, Wettbewerb und „österreichische Identität“ erörtert. Dabei ist auch der ORF, vertreten durch Generaldirektor Alexander Wrabetz und u. a. die neuen Channelmanager. Diskutiert wird zweifelsohne mit dem Privat-TV und den Vertretern der Printmedien, wer den öffentlich-rechtlichen Auftrag wie für sich interpretieren und reklamieren könne.

Diskussion wird im Sommer weitergehen

Die Diskussion soll nach der Enquete weitergeführt werden, so Blümels Wunsch. Letztlich wird es aber darum gehen, Lösungen für Fragen wie die ORF-Finanzierung und -Aufsichtsstruktur und Medienförderung auch in Gesetzestexte zu gießen. Der Minister hatte es im Vorfeld nicht ausgeschlossen, dass erste Entwürfe nach dem Sommer vorliegen könnten.

Public Value Bericht 2018

ORF.at

Der ORF wirbt rund um die Medienenquete für sein Leistungsspektrum mit dem neuen Public-Value-Bericht

Kundgebung für unabhängigen ORF

Kritik an der Medienenquete wurde am Vorabend bei der Kundgebung der Initiative „Wir für den ORF“ laut, bei der Medienschaffende, Künstler und Intellektuelle das Wort ergriffen. Im Mittelpunkt stand die Sorge um die Unabhängigkeit des ORF. Die Regierung schaue im medienpolitischen Diskurs zu sehr auf den Markt und zu wenig auf die Demokratie.

„Es geht nicht nur um den Einfluss der Regierung auf den ORF“, sagte „Falter“-Herausgeber Armin Thurnher. „Es geht darum, dass das Prinzip des Öffentlich-Rechtlichen attackiert wird.“ Nur mediale Öffentlichkeit ermögliche Demokratie, und diese Öffentlichkeit könne „durch private Medien nicht hinlänglich garantiert werden“.

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