Nichts für schwache Nerven
Hochspannung versprechen die Thriller der Saison. Sie spielen weit in der Vergangenheit, greifen die großen Themen der Gegenwart auf und erforschen die Zukunft. Aber Vorsicht - nichts für schwache Nerven.
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Rasante Jagd durch Wien
Der ewige Student Erki Neubauer erwacht nach einer durchzechten Nacht neben einem Totenkopf in seinem Bett. Wessen Schädel ist das, und woher kommt er? Der Autor und Musiker Johann Allacher präsentiert mit „Der Knochentandler“ eine rasante Jagd durch Wien zwischen Oper und Zentralfriedhof, die an Falcos Grab endet. Ein vergnügliches Krimiabenteuer, das man an einem Tag am Strand gelesen hat, weil man nach jeder Seite unbedingt wissen will, wie es weitergeht. Und gleichzeitig ist das Buch eine Hommage an die Musik- und Kulturstadt Wien und ihre Legenden. (Sonia Neufeld, ORF.at)
Johann Allacher: Der Knochentandler. Emons, 256 Seiten, 11,30 Euro.
Spiegelungen der Wirklichkeit
Zwischen Utopie und Dystopie beschreibt Tom Hillenbrand in „Hologrammatica“ die Welt im Jahr 2088. Vieles, was einst real war, existiert nur mehr in Hologrammen. Selbst der eigene Körper hat keine Bedeutung mehr: Das menschliche Gehirn ist eine Festplatte, die in jede Hülle passt. In diesem „Holonet“ bewegt sich der Privatdetektiv Galahad Singh. Sein Auftrag: die vermisste Softwareentwicklerin Juliette Perotte aufzuspüren. Nach und nach kommt er ihrem verwegenen Hobby auf die Schliche und erkennt, dass es die Menschheit für immer zu ändern vermag. (Christina Vogler, ORF.at)
Tom Hillenbrand: Hologrammatica. Kiepenheuer & Witsch, 560 Seiten, 12,40 Euro.

ORF.at/Lukas Krummholz
Mord in schweren Zeiten
Literatur macht es einem heute schwer mit der Weltflucht: In der Science Fiction geht es nur noch um möglichst realistische Dystopien, in Krimis werden oft und gerne die heißen Eisen der Gegenwart verhandelt. Alex Beers neue Krimireihe ist zwar keineswegs einlullend und irrelevant - entführt aber trotzdem in eine fremde Welt. Ihr Inspektor August Emmerich ermittelt nun schon zum zweiten Mal im von bitterer Armut und politischen Wirren gekennzeichneten Wien nach dem Ersten Weltkrieg. Kluge Plots, viel Zeitgeschichte, nur selten Durchhänger in der Handlung, feine Charakterzeichnungen: Lesen! (Simon Hadler, ORF.at)
Alex Beer: Die rote Frau. Ein Fall für August Emmerich. Limes, 416 Seiten, 20,60 Euro.
Falsches Geständnis, späte Rache
Ein Pensionist wird brutal ermordet, seine Pflegerin gesteht und wandert ins Gefängnis: Nicht das Ende, sondern der Ausgangspunkt von Margriet de Moors „Von Vögeln und Menschen“ – denn das Geständnis ist falsch und die Wut der Tochter gegenüber dem wahren Täter so groß, dass es Jahre später zu einem weiteren Mord kommt. Ein psychologisch-raffinierter Kriminalroman der niederländischen Erfolgsautorin, mit wechselnden Perspektiven und Stilmitteln äußerst rasant erzählt. Das Personal: coole Frauenfiguren. Und auch noch mit im Krimi-Gepäck: Einblicke in die Vorzüge eines liberalen Strafvollzugs. (Paula Pfoser, für ORF.at)
Margriet de Moor: Von Vögeln und Menschen. Hanser, 268 Seiten, 23,70 Euro.
Kein Thriller von der Stange
Während Berlin unter der größten Hitzewelle seit Jahrzehnten leidet, wird die Leiche einer schwangeren türkischen Frau im Wannseewald gefunden. Die Kommissare Rosa Lopez – selbst gerade hochschwanger – und Viktor Saizew, der sich von einem Hirntumor erholt, ermitteln für das Landeskriminalamt Berlin. Vom verstörenden Prolog bis hin zum temporeichen Ende ist „Kerkerkind“ von Katja Bohnet alles andere als ein Thriller von der Stange. Das außergewöhnliche Ermittlerduo ist nicht nur dem Täter auf der Spur, sondern kämpft auf authentische Weise mit den Abgründen der eigenen Lebenskonzepte. (Sonia Neufeld, ORF.at)
Katja Bohnet: Kerkerkind. Droemer Knaur, 336 Seiten, 15,50 Euro.
Exzentrischer Krimi noir
In die Kategorie „Guilty Pleasures“ fallen die Romane von Christopher Just, Enfant terrible der Wiener Szene. Mit seinem neuesten Werk „Catania Airport Club“ tischt er einen wahnwitzigen Krimi noir auf, der in der Wiener Modewelt spielt. Exzentrische Designer und schillernde Models bevölkern die in exaltiertem Stil geschriebene Genrepersiflage, in der sich Just nicht scheut, altbackene Redewendungen mit übertriebener Hipstersprache zu kombinieren – nicht schlecht, Herr Specht. Ein Buch für alle, die schon sehnsüchtig auf die 2.0-Version ihrer Jerry-Cotton-Hefte gewartet haben. (Sonia Neufeld, ORF.at)
Christopher Just: Catania Airport Club. Milena, 512 Seiten, 25 Euro.
Nahost-Konflikt in der französischen Provinz
Zehnter Auftritt von Chef de police Bruno und damit einmal mehr: delikates Essen, pittoreske Landschaften und mittelalterliche Architektur aus dem französischen Perigord, der Wahlheimat des Schotten Martin Walker. Um Architektur drehen sich diesmal auch die Ermittlungen: Die Frau, die von der Festung Commarque zu Tode gestürzt ist, war israelische Archäologin, mit einem Palästinenser verlobt, und einem Papier auf der Spur, das Auskunft über die rechtmäßigen Erbauer Jerusalems geben soll. Spannend, unterhaltsam, ein typischer Walker. (Paula Pfoser, für ORF.at)
Martin Walker: Revanche. Diogenes, 416 Seiten, 20,99 Euro.
Bilderbuchpräsident vs. Cyberterror
Mit einer Gesamtauflage um die 400 Millionen der absolute Bestseller der Saison: Ein verantwortungsbewusst-staatstragender Bilderbuchpräsident muss sich in einer brenzligen Situation (Amtsenthebungsverfahren!) gegen die Bedrohlichkeiten des „Dark Ages“ stemmen. Patriotismus meets Cyberterrorismus meets präsidentielles Insiderwissen. Die Autoren: der ehemals mächtigste Mann der Welt und der erfolgreichste, höchstbezahlte Thrillerautor. Die Filmrechte sind natürlich längst schon verkauft. (Paula Pfoser, für ORF.at)
Bill Clinton und James Patterson: The President Is Missing. Droemer, 480 Seiten, 23,70 Euro.

ORF.at/Lukas Krummholz
KI außer Kontrolle
Frank Schätzing, back on track: Der neue SciFi-angereicherte Thriller des deutschen Starautors dreht sich wie der Megaseller „Schwarm“ wieder um künstliche Intelligenz - ausgehend von einem mysteriösen Mordfall im kalifornischen Hinterland ist ein Provinzsheriff den Welteroberungsplänen eines Supercomputers auf der Spur – Reisen in Paralleluniversen und Cyborg-Insekten als biokybernetische Waffen inklusive. Ein Hollywood-Blockbuster im Buchformat, mit (meist) hohem Pageturner-Faktor. (Paula Pfoser, für ORF.at)
Frank Schätzing: Die Tyrannei des Schmetterlings. Kiepenheuer & Witsch, 736 Seiten, 26,80 Euro.
Schicke Nachbarschaft in Brand
Alles ist perfekt in Shaker Heights - bis das Haus der Familie Richardson abbrennt. Geht es nach den meisten, soll die rebellische Izzy, die jüngste Tochter der Richardsons, „Kleine Feuer überall“ gelegt haben, doch beweisen kann das niemand. Denn da gibt es auch noch die zugezogene Künstlerin Mia und ihre Tochter Pearl, deren Vergangenheit völlig unbekannt ist. Obwohl als Kulisse altbekannt, nutzt Celeste Ng geschickt das Image der wohlhabenden US-Vorstadt und erzählt einen spannenden Krimi mit raschen Perspektivenwechseln, dessen Protagonisten nicht ganz so makellos sind wie die Fassade ihrer Häuser es vorgibt. (Christina Vogler, ORF.at)
Celeste Ng: Kleine Feuer überall. Dtv, 384 Seiten, 22,70 Euro.
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