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Toter Esel führte zu Missverständnis

Das Verhalten der österreichischen UNO-Soldaten auf dem Golan am 29. September 2012 war „mandats- und befehlskonform“. Zu dieser Erkenntnis gelangte die Untersuchungskommission des Bundesheers, die nach Veröffentlichung eines Videos der Ereignisse eingerichtet wurde. Damals starben bei einem Hinterhalt neun syrische Geheimpolizisten, was die Blauhelme filmten. Diese hätten aber „alle Möglichkeiten ausgeschöpft, um Gefahren für die syrische Patrouille zu verhindern“.

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Das sagte am Dienstag Wolfgang Baumann, Generalsekretär im Verteidigungsministerium. Zusammen mit Vertretern des Bundesheers und dem Völkerrechtler Siegmar Stadlmeier präsentierte Baumann im Ministerium den Endbericht der Kommission. Das Verhalten der Soldaten sei nicht zu beanstanden gewesen.

Ausgelöst hatte die Untersuchung das Video, das die Wiener Stadtzeitung „Falter“ im April veröffentlicht hatte. Darin ist der Vorfall vom 29. September 2012 zu sehen, als österreichische UNO-Soldaten auf dem Golan die Einfahrt von syrischen Geheimpolizisten in den tödlichen Hinterhalt nicht verhinderten.

Zehn Tote

Zunächst ist zu sehen, wie die Angreifer den Hinterhalt in der kargen Berglandschaft errichten. Danach taucht ein weißer Toyota mit den syrischen Geheimpolizisten auf der Ladefläche auf, der den österreichischen Wachposten passieren musste. Die Syrer stiegen aus und sprachen mit den Österreichern, diese winkten sie schließlich vorbei. Bei der darauffolgenden Schießerei wurde nicht nur die syrische Patrouille getötet, auch einer der Angreifer starb laut Angaben des Bundesheers.

Pressekonferenz der Bundesheer-Untersuchungskommission zu den Vorfällen am Golan 2012

APA

Präsentation des Endberichts: Brigadier Friedrich Schrötter, Wolfgang Baumann, Siegmar Stadlmeier, Herbert Walzer (v. l. n. r.)

Unterlegt ist das Video von den Kommentaren der österreichischen Soldaten. „Des ist a Himmelfahrtskommando. Bist du deppert.“ „Normal musst das de Hund sagen“, ist auch einer der Blauhelme zu hören. Begründung: „Wenn da aner über bleibt, kummt er umma und schießt uns ab.“

„Ana is scho owagfolln, bist du deppert!“, meldet ein UNO-Soldat seinen Vorgesetzten durchs Funkgerät. „Voller Beschuss! A paar Tote sans schon!“ Danach diskutieren die Blauhelme darüber, ob es noch Sinn hat, einen Krankenwagen zu schicken. „Do hat kaner überlebt, Oida. Kannst glei abblasen.“ Und als das Massaker vorbei ist: „Heut hab i das erste Mal gsegn, wie a Habara von an Auto owagfiedelt wird. Des Bluat is gflogn, Oida.“

Für Kommentare entschuldigt

Das Dokumentieren jeder Art von Verletzung der Truppentrennung von Syrien oder Israel sei erwünscht gewesen, so Heeresdisziplinaranwalt Herbert Walzer. Er präsentierte am Dienstag den genauen Hergang der Vorfälle mit Grafiken und Videos. „Die Kommentierung ist eine andere Sache. Da bitte ich aber um Verständnis. Es waren sehr junge Soldaten“, darunter etwa ein 22-jähriger Korporal. Dieser habe über seine Kommentare zu dem Zeitpunkt nicht nachgedacht und sich dafür entschuldigt, so Walzer. Die Kamera hatte der Soldat von einem Kameraden geliehen und in Betrieb in eine Tasche gesteckt. Dadurch sei zwar die Qualität schlecht, doch der Hergang der Ereignisse sei so lückenlos nachvollziehbar. Die Kamera habe aufgenommen, bis der Akku sich erschöpft habe, so Walzer.

Pressekonferenz der Bundesheer-Untersuchungskommission zu den Vorfällen am Golan 2012

APA

Walzer legte die Ereignisse am Dienstag detailliert dar

Den Ereignissen sei ein Missverständnis vorausgegangen. In der Nähe habe ein in der Berglandschaft herumliegender toter Esel für Verwirrung gesorgt. Mit einem Mann, dem möglichen Besitzer des Tieres, sei keine Kommunikation möglich gewesen, so Walzer. Später seien die Angreifer bei der Position der Blauhelme aufgetaucht und hätten den Soldaten Handzeichen gegeben: Sie schnitten sich bildhaft die Kehle durch. „Unsere Leute dachten, es bezieht sich auf den Esel“, so Walzer. Später richteten die Angreifer ihren Hinterhalt ein, bis zu 13 Personen habe man beobachtet. Ihre Absicht sei zu dem Zeitpunkt noch unbekannt gewesen. Die Soldaten hätten darüber Meldung gemacht und sie weiter beobachtet.

Angreifer wollten Soldaten offenbar warnen

Erst später habe sich herausgestellt, dass die bewaffneten Unbekannten die Soldaten nicht über den toten Esel informieren wollten, sondern ihnen wahrscheinlich zu verstehen geben wollten, den Ort des Hinterhalts zu meiden. Als später die syrischen Geheimpolizisten beim österreichischen Wachposten hielten, habe es eine Unterredung gegeben, so Walzer.

Der österreichische Blauhelm-Kommandant sagte zu den Syrern, sie sollten aufpassen: „Take care, take care!“ Danach verließen die Syrer den Posten und fuhren in den Hinterhalt der Unbekannten. Laut Walzer sei dies das „Maximum an Handlungsspielraum“ gewesen, das der Kommandant dort gehabt habe. Die Soldaten hatten strikte Anweisung, sich nicht in bewaffnete Auseinandersetzungen einzumischen und auch sonst „jegliches Verhalten zu unterlassen, das von einer der Konfliktparteien als Einmischung gesehen werden konnte“. Die Lage sei „ex post beurteilt rechtlich in Ordnung“, so Walzer. Aber für die Soldaten sei es psychisch sehr belastend gewesen, dass sie keine Möglichkeit hatten, das Feuergefecht zu verhindern.

Auch an Darabos gemeldet

Laut dem Juristen Stadlmeier war die Aufgabe der UNDOF-Mission auf dem Golan ein reiner Peacekeeping-Auftrag, nämlich das Überwachen der Truppentrennungszone zwischen Israel und Syrien. Diese hatte die UNO 1974 nach dem Jom-Kippur-Krieg eingerichtet. Dazu gehöre das Beobachten und Melden jeglicher unerlaubter militärischer Anwesenheit der betroffenen Parteien. Erlaubt sei dabei leichte Bewaffnung, hauptsächlich zur Selbstverteidigung. Polizeiarbeit und territoriale Verwaltung aber sei in den Händen der Syrer gelegen. Im Zuge des syrischen Bürgerkriegs seien jedoch auch Rebellengruppen in das Gebiet gekommen.

UN-Soldaten am Golan

Reuters/Baz Ratner

Kuneitra zwischen Israel und Syrien: Die österreichischen Blauhelme zogen 2013 ab

„Das Feuergefecht war durch die Soldaten vor Ort nicht zu verhindern, egal, wie sie sich verhalten hätten“, so auch Generalsekretär Baumann. Hier seien die Analysen der Experten deckungsgleich. Das Gefecht sei ordentlich gemeldet worden, auch der damalige Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ) habe davon wissen müssen. Er sei aber wohl nicht über operative Details am Einsatzort informiert worden, so Baumann.

„Nicht zu Ausbildungszwecken“

Untersucht wurde zudem die mögliche Verwendung des Videos zu Schulungszwecken von Soldaten. Zu Ausbildungszwecken sei die Aufnahme aber nicht verwendet worden, so Baumann. „Wir haben verschiedenste andere Videos von verschiedenen Vorfällen, wo es weitaus besseres Ausbildungsmaterial gibt.“ Die konkrete Aufnahme sei aber „in einem Pausenrahmen durch die Soldaten selbst abgespielt“ worden. „Wir sehen darin ein gewisses Fehlverhalten, aber wenn hier ein disziplinärer Hintergrund gegeben wäre, dann hätte es hier mittlerweile eine Verjährung gegeben“, so Baumann.

Man müsse der Öffentlichkeit nicht eins zu eins wiedergeben, was sich auf dem Golan alles abgespielt habe, sagte Baumann. Der Abzug der österreichischen Soldaten 2013 sei ja nicht unbegründet gewesen. Die Lage habe sich, beginnend 2011, eskalierend ab März 2012, durch den syrischen Bürgerkrieg immer mehr zugespitzt. Der Abzug sei erst Monate nach dem konkreten Fall auf dem Golan erfolgt, „nach weitaus schlimmeren Vorfällen“.

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