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„Wie ein rechtsextremer Kolonialoffizier“

Richard Grenell, neuer US-Botschafter in Deutschland, sorgt neuerlich mit parteiischen Aussagen für Verärgerung in seinem Gastland. Anders als üblich bezog Grenell schon mehrmals Stellung, seitdem er am 8. Mai seinen Posten antrat. Dieses Mal zeigte sich auch das Außenamt in Berlin irritiert. Am Mittwoch soll sich Grenell bei seinem Antrittsbesuch erklären.

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Der 51-jährige Grenell verfügt über beträchtliche diplomatische Erfahrungen. Er war von 2001 bis 2008 Kommunikationsdirektor für vier UNO-Botschafter der USA. Doch sein diplomatisches Geschick wird derzeit zumindest in Berlin angezweifelt - mehrmals sorgte Grenell mit seinen Aussagen schon für Verwunderung.

Tadel für Gastland

Bei einem Interview mit dem Londoner Ableger des ultrarechten US-Onlineportals Breitbart, das am Sonntag veröffentlicht wurde, sagte Grenell: „Ich glaube, die Wahl von Donald Trump hat die Menschen befähigt zu sagen, dass sie es einfach nicht zulassen können, dass die politische Klasse (in Europa) vor einer Wahl entscheidet, wer diese gewinnt und wer kandidiert.“ Er fügte an, er sei von einer Reihe von Konservativen in Europa kontaktiert worden. „Ich möchte unbedingt andere Konservative in ganz Europa stärken.“ Der Aufschwung konservativer Ideen sei durch ein Scheitern linker Konzepte zu erklären.

Richard Grenell und Frank-Walter Steinmeier

AP/Michael Sohn

Grenell mit dem deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier (r.)

Zudem übte er scharfe Kritik am NATO-Mitglied Deutschland. Es sei die größte Volkswirtschaft Europas und sollte seine Verpflichtungen gegenüber dem Verteidigungsbündnis ernst nehmen. Die US-Regierung fordere das, doch bisher habe Berlin keine ernsthaften Pläne vorgelegt, wie das Zweiprozentziel zu erreichen sei. Besonders die USA bestehen darauf, dass die NATO-Partner spätestens 2024 zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts in die Verteidigung investieren.

Keine Einmischung in innere Angelegenheiten

Auch seien die deutschen Streitkräfte nicht voll einsatzbereit, kritisierte er. Das müsse deutlich gemacht werden - etwa durch eine öffentliche Aufforderung, an Einsätzen teilzunehmen. Dann müssten die Verantwortlichen in Deutschland eingestehen, dass die deutschen U-Boote und Flugzeuge nicht einsatzfähig seien. Bisher habe die US-Regierung das nicht getan - ein Fehler, wie Grenell sagte.

Es gilt als äußerst ungewöhnlich für Diplomaten, sich deutlich politisch zu äußern. Nach diplomatischen Gepflogenheiten werden Vorlieben für bestimmte politische Parteien oder Bewegungen nicht öffentlich gezeigt. Nach dem Wiener Übereinkommen, das seit 1961 die Rechte und Pflichten von Diplomaten regelt, dürfen sich Gesandte nicht in innere Angelegenheiten des Gastlandes einmischen. Grenells Aussagen wurden in Berlin allerdings so verstanden.

Grenell rechtfertigt sich: „Lächerlich“

Auf Twitter wies Grenell jedoch später Vorwürfe zurück, er wolle Kandidaten oder Parteien direkt unterstützen. Das sei „lächerlich“, schrieb er. Man solle ihm keine Worte in den Mund legen. Es gebe aber ein Erwachen einer stillen Mehrheit - jene, die Eliten und ihre Blase ablehnten. US-Präsident Donald Trump stehe an der Spitze dieser Mehrheit.

„Wir haben die US-Seite um Aufklärung gebeten und ob sie tatsächlich so gefallen sind, wie sie wiedergegeben werden“, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin bezüglich der Aussagen. Am Mittwoch werde der Botschafter zu seinem Antrittsbesuch erwartet. Dann werde es Gelegenheit geben zu erörtern, wie die Äußerungen zu verstehen seien.

Scharfe Reaktionen

Von SPD, Grünen und FDP setzte es scharfe Kritik an Grenell. Der frühere SPD-Chef Martin Schulz sagte der dpa, Grenell benehme sich nicht wie ein Diplomat, „sondern wie ein rechtsextremer Kolonialoffizier“. Botschafter seien Vertreter ihrer Staaten und nicht von politischen Bewegungen. SPD-Fraktionsvize Rolf Mützenich sagte der Nachrichtenagentur Reuters, es wäre gut, rechtzeitig gegenüber dem US-Außenminister das Verhalten eines hochrangigen Entsandten anzusprechen.

„Es ist definitiv nicht die Aufgabe des Botschafters, sich in die politischen Angelegenheiten des Gastlandes einzumischen. Das sollte er schnell lernen“, sagte der außenpolitische Sprecher der FDP, Bijan Djir-Sarai. Der Grünen-Europapolitiker Reinhard Bütikofer twitterte, dass Grenell in Berlin nicht sehr effektiv arbeiten werde, wenn er seine Rolle missverstehe. Das sei schon sein zweiter Lapsus.

„Kurz ist ein Rockstar“

Grenell hatte bereits kurz nach seinem Amtsantritt Kritik deutscher Politiker und Unternehmensvertreter ausgelöst, als er deutsche Firmen aufgefordert hatte, sich aus dem Iran-Geschäft zurückzuziehen. US-Präsident Trump hatte das internationale Atomabkommen mit dem Iran einseitig aufgekündigt und neue Sanktionen erlassen. Die Europäische Union will das Abkommen hingegen weiterführen und auch die Handelsbeziehungen mit dem Iran aufrechterhalten.

Auch zu Österreichs Politik hat Grenell eindeutige Ansichten, allerdings weit weniger kritische. Für Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) empfinde er großen Respekt und Bewunderung. „Schauen Sie, ich glaube, Sebastian Kurz ist ein Rockstar. Ich bin ein großer Fan“, so Grenell. Kurz sei einer der stärksten Verfechter der Sicherung der Außengrenzen der EU und habe sich auch gegen die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und das in der EU umstrittene Quotensystem bei der Aufnahme von Migranten gestellt.

Gemeinsames Essen in Berlin

Wie der „Spiegel“ (Onlineausgabe) berichtet, will Grenell für Kurz in der kommenden Woche sogar ein Mittagessen veranstalten. Mitte Juni sei Kurz in Berlin und neben anderen deutschen Vertretern von Grenell in seine Residenz in Berlin-Dahlem geladen worden. Auch das entspreche nicht diplomatischen Gebräuchen. Ein Sprecher der deutschen US-Botschaft habe darauf hingewiesen, dass das Treffen auf Initiative Österreichs stattfinde. Das schrieb später auch die Nachrichtenagentur Reuters unter Verweis auf Angaben der US-Botschaft.

Das Treffen wurde Montagabend von Regierungssprecher Peter Launsky-Tieffenthal bestätigt. Im Zuge seines Besuchs in Berlin, wo Kurz neben Merkel auch „eine Reihe weiterer Persönlichkeiten“ wie den deutschen Innenminister Horst Seehofer treffen werde, gebe es auch das Treffen mit dem US-Botschafter in Berlin. Es gelte, „in Zeiten wie diesen“ zu den engsten Vertrauten des US-Präsidenten Kontakt zu halten.

Merkel will Treffen nicht kommentieren

Aus dem Umfeld des Kanzlers hieß es, das Treffen sei auf Wunsch beider Seiten zustande gekommen. Zudem wurde darauf explizit verwiesen, dass auch Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu mit Grenell bei seinem Besuch am Montag in Berlin zusammentrifft. Laut Netanjahu hat Grenell explizit um das Treffen gebeten, das offenbar aus Zeitgründen am Flughafen stattfand.

Die deutsche Kanzlerin Merkel reagierte ausweichend auf das Treffen zwischen Grenell und Kurz. „Ich habe das wie vieles andere auch zur Kenntnis genommen“, so Merkel am Montag in Berlin. Sie werde es aber nicht kommentieren, fügte sie hinzu und verwies auf eine Prüfung des Auswärtigen Amtes. Dem „Spiegel“ zufolge könnte das Treffen von Kurz mit Grenell die Verstimmung weiter verstärken.

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