„Wir wollen Europa“
In Rumänien sind Mitte Mai mehrere tausend Menschen auf die Straße gegangen, um gegen die linksliberale Regierung unter Ministerpräsidentin Vasilica Viorica Dancila (Sozialdemokratische Partei, PSD) sowie die zunehmenden Vorstöße der Regierungskoalition gegen das Justizsystem zu demonstrieren.
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In Bukarest protestierten rund 7.000 Menschen vor dem Regierungssitz, wo sie, mit einer riesigen Europafahne gewappnet, „Wir wollen Europa, keine Diktatur“, „Rücktritt“, „Diebe“ und „PSD, die rote Pest“ riefen. Rumänien übernimmt im ersten Halbjahr 2019 den EU-Ratsvorsitz von Österreich.
Präsident befürwortet Proteste
Auch in Timisorara, Cluj, Brasov, Iasi und weiteren Städten demonstrierten Tausende Menschen gegen die sich abzeichnenden, zunehmend illiberalen Tendenzen der Regierungskoalition, die dieser Tage eine gefährliche Verwässerung des Strafrechts in Angriff genommen hat. „Wir wollen kein Straftäterland“, riefen die Demonstranten.
Von der Presse am Rande eines Jahrhundertfeierevents zu den neu aufgeflammten Protesten befragt, sagte Staatspräsident Klaus Johannis (Nationalliberale Partei, PNL), die Haltung der rumänischen Zivilgesellschaft sei wichtig, um die Exekutive „wieder mit beiden Beinen auf dem Boden der Realität ankommen“ zu lassen. Ansonsten riskiere das Land, in „Antieuropäismus, Dilettantismus und Populismus“ abzugleiten und dank der Inkompetenz „dieser Regierung womöglich aus Europa herausbefördert zu werden“.
Johannis blockierte Justizreform
Immer wieder stehen Präsident und Regierung in Rumänien im Clinch. Wenige Tage vor den Protesten weigerte Johannis sich, ein vom rumänischen Parlament verabschiedetes Justizreformpaket zu unterzeichnen. „Diese Gesetze entsprechen weder dem nationalen Verfassungsrahmen noch den europäischen Vorschriften“, erklärte Johannis in einer im Fernsehen übertragenen Stellungnahme. Er werde sie deshalb an das rumänische Verfassungsgericht und die Venedig-Kommission des Europarates weiterleiten, sagte das Staatsoberhaupt.
Die drei Gesetze waren im Dezember vom rumänischen Parlament verabschiedet worden, in dem die PSD die Mehrheit hat. Die Reformen würden die Staatsanwaltschaft schwächen, könnten die Justiz blockieren und Strukturen schaffen, welche geeignet seien, Richter einzuschüchtern, sagte Johannis und warf der Regierung einen „Angriff auf die Justiz“ vor. Der Mitte-rechts-Politiker forderte die Verfassungsrichter auf, sich „Zeit zu nehmen“ und mit den europäischen Experten zusammenzuarbeiten.
GRECO kritisierte Reform
Der für die Bekämpfung von Korruption zuständige Fachausschuss im Europarat (GRECO) hatte die Reformen im vergangenen Monat ebenfalls kritisiert, weil sie einen „negativen Einfluss“ auf die Korruptionsbekämpfung haben könnten. Kurz nach dem Wahlsieg der PSD 2016 hatte die Regierung versucht, die Gesetze gegen Korruption zu lockern. Damals hatte eine Protestwelle die Regierung dazu bewogen, einen Rückzieher zu machen.
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