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Höchstgericht auf Seite der Regierung

In Rumänien hat das Verfassungsgericht am Mittwoch für ein politisches Erdbeben gesorgt: Im Streit über die Abberufung der obersten Korruptionsjägerin Laura Kövesi, die erst von Staatspräsident Klaus Johannis beeinsprucht worden war, haben die Höchstrichter der linksgerichteten Regierung recht gegeben. Einer Organstreitklage der Regierung gegen das Veto des Präsidenten wurde stattgegeben.

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Das Staatsoberhaupt hätte dem Antrag von Justizminister Tudorel Toader auf Abberufung der Chefermittlerin der Antikorruptionsbehörde DNA in Bukarest stattgeben müssen, teilte der Präsident des Verfassungsgerichts, Valer Dorneanu, mit. Damit verliere der Präsident seine bisherige Schlüsselrolle bei der Ernennung und Abberufung von hohen DNA-Beamten und Staatsanwälten, so Experten.

Laura Kövesi

Reuters/Inquam Photos/Octav Ganea

Kövesi gilt als vehemente Kämpferin gegen die Korruption in Rumänien

Vor zwei Monaten hatte Toader das Amtsenthebungsverfahren gegen die DNA-Chefermittlerin eingeleitet und Kövesi dabei insgesamt 20, teilweise recht vage formulierte Regel- und Verfahrensverstöße vorgeworfen. Zu den Verstößen zählen unter anderem: Die Angeklagte baue ein Überwachungssystem auf, missbrauche ihr Amt, ziehe das internationale Ansehen Rumäniens in den Dreck und steuere die Ermittlungen nach ihren eigenen politischen Vorlieben.

Zahlreiche Korruptionsfälle in Arbeit

Die Arbeit der DNA sorgt in Rumänien für viel Unruhe. Seit die 44-jährige Kövesi die DNA leitet, habe sie zwei ehemalige Premierminister, zwei Vizepremierminister, elf amtierende und ehemalige Minister, 50 Abgeordnete und etliche lokale Bürgermeister vor Gericht gebracht. Das berichtete am Mittwoch die deutsche Wochenzeitung „Die Zeit“ (Onlineausgabe).

Im Schnitt brächten DNA-Ermittler jährlich mehr als 1.000 Fälle vor Gericht. Neun von zehn endeten mit einer Verurteilung. Viele davon wiesen eine Verbindung zur sozialdemokratischen PSD auf, aber bei Weitem nicht alle. Mit der Politik liegt Kövesi jedenfalls seit Jahren im Clinch, ihr wird auch nachgesagt, nicht gerade zimperlich vorzugehen. Unter ihrer Verantwortung seien seit 2013 zudem mehr als zwei Milliarden Euro aus Bestechungs- und Geldwäschefällen beschlagnahmt worden. Kövesis Ermittler behandelten derzeit rund 11.000 Akten, schreibt die „Zeit“.

„Gesetze sollen für alle gelten“

Rumänien gilt nach wie vor als eines der korruptesten Länder in Europa - und Kövesi als die Saubermacherin. Auch vor der EU und UNO wird ihre Arbeit immer wieder gelobt. Die Chefermittlerin sagte gegenüber der „Zeit“, sie wolle in „einer Gesellschaft leben, in der die Gesetze für alle gelten“. Kövesi gilt in der Bevölkerung als äußerst beliebt, das zeigen unter anderem 50.000 Fans auf Facebook. In den letzten Jahren sei sie zu einer Symbolfigur für den längst überfälligen gesellschaftlichen Wandel in Rumänien geworden, so die deutsche Wochenzeitung. Durch Kövesi könne das Vertrauen in die rumänische Justiz wiederhergestellt werden.

Rechtsexperten entsetzt

Die Urteilsbegründung des Verfassungsgerichts stand zunächst am Mittwoch noch aus, Dorneanu sagte lediglich, dass man „schon bald“ eine Kurzfassung veröffentlichen und auch „den Weg zur Beilegung dieses Organstreits“ aufzeigen werde. Verfassungsrechtler, Rechtsexperten und Opposition reagierten entsetzt: Mit dem Urteil höhle das Verfassungsgericht die Amtsbefugnisse des Staatsoberhauptes aus. Künftig würden Staatsanwälte offenbar ausschließlich dem Justizminister untergeordnet sein. Staatschef oder Justizrat hätten bei Ernennung und Abberufung kein Wort mehr mitzureden.

Johannis sei fortan gezwungen, sämtliche Entscheidungen des Justizministers „wie ein Notar“ gegenzuzeichnen, sagte der liberale Abgeordnete Daniel Fenechiu der rumänischen Presse. Das Urteil dürfte nicht nur Kövesis Schicksal, sondern auch jenes der Behörde an sich besiegeln. Kritiker befürchten, dass die DNA einen „gefügigeren“ Chefermittler bekommen werde.

Rumäniens Verfassungsgericht gilt als äußerst regierungsfreundlich. Verfassungsgerichtspräsident Dorneanu war langjähriger Spitzenpolitiker der PSD, die ihn im Jahr 2000 sogar in das Amt des Parlamentspräsidenten hievte. Seit ihrer 2016 gewonnenen Parlamentswahl ist die PSD bemüht, durch Gesetzesänderungen und mit Hilfe des Verfassungsgerichts das Präsidialamt und dessen Befugnisse auszuhöhlen.

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