„Falter“: Justiz nahm bei BVT-Razzia sensible Daten mit

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Bei der von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) angeordneten Razzia im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) vor knapp drei Monaten hat die Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität unter Aufsicht der Staatsanwaltschaft offenbar doch hochsensible Daten mitgenommen.

Das geht aus einem „Falter“-Bericht hervor, der aus internen Korrespondenzen von BVT-Ermittlern zitiert. Ein IT-Experte schrieb laut „Falter“ seinen Vorgesetzten, dass eine ungesicherte Festplatte beschlagnahmt worden sei, an der er gerade gearbeitet habe, als die Razzia stattfand und die Ermittler den besonders überwachten IT-Bereich im BVT betraten.

„Höchst lebensgefährliche Sache“

Dem Mitarbeiter zufolge war auf der Festplatte die „ZQB-Datenbank“, die „Zentrale Quellen Bewirtschaftung“, gespeichert. Über diese Liste könne man herausfinden, woher der Nachrichtendienst seine Informationen bezieht: „Eine höchst lebensgefährliche Sache für die Zuträger des BVT“, sagte ein Insider dem „Falter“.

Ebenfalls auf der Festplatte zu finden war eine Kopie des „Netzwerks Neptun“ von 2013 bis 2017. Darunter wird das Kommunikationsnetzwerk zwischen dem BVT und den europäischen Sicherheitsbehörden verstanden. Mit dieser Datenbank verfügt man laut „Falter“ über die geheimsten Informationen österreichischer Partnerdienste. „Wir sollten nochmals mit Nachdruck darauf hinweisen, wie wichtig die Geheimhaltung der Daten ist“, schrieb der IT-Experte an seine Vorgesetzten, als er den Inhalt der beschlagnahmten Festplatte entdeckte.

Die WKStA sichtet den Inhalt der Daten derzeit, hieß es vonseiten der Behörde gegenüber dem „Falter“: „Sollte sich im Zuge der Sichtung herausstellen, dass die genannten Daten vorhanden, aber für das Verfahren nicht relevant sind, werden diese Datenkopien selbstverständlich unwiderruflich gelöscht.“

Neonazi-Ermittlerin fühlt sich bedroht

Von einer „Hetzjagd“ spricht die Abteilungsleiterin im Referat für Rechtsextremismus im BVT, Sibylle G., in einem Mail, das dem „Falter“ vorliegt. Die wichtige Ermittlerin gegen Neonazis und im rechtsextremen Milieu sieht sich demnach von FPÖ-Funktionären im Innenministerium und ihrem Dienstgeber unter Druck gesetzt, das arte nun in eine „Hetzjagd“ aus, die sie als „bedrohlich“ empfinde. G. war laut Bericht mitverantwortlich, dass der Neonazi Gottfried Küssel im Gefängnis landete. Sie beobachtet auch Gruppen am rechten Rand wie Burschenschafter und die Identitären.

In einem Schreiben an die zuständige Staatsanwältin ersuchte die Ermittlerin laut „Falter“ um einen neuerlichen Termin für die gemeinsame Sichtung der bei der Razzia beschlagnahmten Unterlagen. G. betonte, dass sie gerne weiter ermitteln würde, aber „es ist leider so, dass ich in meinen dienstlichen Verantwortungen auch tatsächlich eingeschränkt werde und darüber hinaus auch von rechtsorientierten Vertretern und verurteilten Straftätern willkürlich angezeigt werde (...)“.

BVT-Systemadministrator ortet „Angriff von innen“

In einem Brief an Christian Pilnacek, Generalsekretär im Justizministerium, wenige Tage nach der Razzia kritisierte Norbert B., Systemadministrator beim BVT, dass die Justiz „mit Scheuklappen“ ermittle, berichtet der „Falter“: „Teilweise werden hier Institutionen missbraucht, um eine Gewaltenverschiebung in Österreich anzustreben.“

Verärgert zeigte er sich auch, dass „ohne Angaben von Gründen“ auch sein Privathaus in Niederösterreich, sein Auto, seine Festplatten von der Justiz durchsucht worden seien. Er galt in der BVT-Affäre nicht als Beschuldigter, sondern nur als Auskunftperson. Es finde ein „ein Angriff von innen“ statt, schrieb der BVT-Ermittler in seinem Brief. Aufgrund haltloser Gerüchte würden Beamte und ihre Familien in ihren Rechten eingeschränkt.