Zeitenwende in Irland
Bei dem Referendum in Irland hat am Freitag offenbar eine breite Mehrheit für eine Liberalisierung des strikten Abtreibungsverbots gestimmt. Laut einer Nachwahlbefragung des Instituts IPSOS im Auftrag der Zeitung „Irish Times“ stimmten 68 Prozent der Befragten für eine Liberalisierung und 32 Prozent dagegen.
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Fast 3,5 Millionen Bürgerinnen und Bürger waren am Freitag dazu aufgerufen gewesen, über den achten Zusatzartikel der Verfassung zu entscheiden. Dieser untersagt Schwangerschaftsabbrüche strikt und stellt sie unter Haftstrafen von bis zu 14 Jahren. Die Schwankungsbreite der Nachwahlbefragung beträgt 1,5 Prozent. Die Auszählung soll erst Samstagmittag beginnen, ein offizielles Ergebnis wird für den Nachmittag erwartet.
Fristenlösung geplant
Zuvor war ein knappes Rennen erwartet worden. Die Befürworter der Verfassungsänderung hatten sich aber durch eine hohe Beteiligung ermutigt gezeigt. Die Abschaffung des absoluten Abtreibungsverbotes war von einer Bürgerversammlung empfohlen worden. Keine Parlamentspartei hatte sich gegen den Vorschlag gestellt.

Reuters/Max Rossi
Laut „Irish Times“ stimmten vor allem Junge gegen das Verbot
Ministerpräsident Leo Varadkar will nun eine Fristenlösung nach dem Vorbild anderer europäischer Staaten einführen. Der Entwurf der Regierung sieht vor, Abtreibungen in den ersten zwölf Schwangerschaftswochen straffrei zu stellen. Bei bestimmten Indikationen soll sie bis zur 24. Woche erlaubt sein.
Mit Votum von 1983 in Verfassung
Das Votum galt bereits im Vorfeld als historisch. Abtreibungen waren in der katholisch geprägten Republik Irland schon immer verboten. Die Irinnen und Iren hatten die strengen Abtreibungsgesetze 1983 mit einem Referendum als Zusatzartikel sogar in die Verfassung gebracht. Damals hatten 67 Prozent der Bevölkerung dafür gestimmt. Seit 2013 sind Abtreibungen erlaubt, wenn das Leben der Mutter in Gefahr ist.
Tausende Frauen reisen deswegen jedes Jahr ins Ausland, um einen Abbruch vornehmen zu lassen, oder kaufen Abtreibungspillen im Internet. Laut einer Statistik des britischen Gesundheitsministeriums suchten 2016 mehr als 3.200 irische Frauen eine Abtreibungsklinik in Großbritannien auf. Seit 1980 ließen insgesamt mehr als 170.000 Betroffene eine Abtreibung außerhalb Irlands vornehmen.
„Unsicher, ungeregelt, illegal“
Auch aufgrund dieser Zahlen schlug die irische Bürgerversammlung Premierminister Varadkar Ende des vergangenen Jahres eine Neuregelung der Abtreibungsgesetzgebung vor. Varadkar, Vorsitzender der konservativen Regierungspartei Fine Gael, legte den Vorschlag, eine Zwölfwochenregelung für Schwangerschaftsabbrüche einzuführen, dem Oireachtas, dem irischen Parlament, vor.
Ende Jänner kündigte er über Twitter ein Referendum zum umstrittenen Abtreibungsparagrafen an. Die Politik wisse, dass Tausende irische Frauen aus dem ganzen Land jedes Jahr für Abtreibungen ins Ausland führen und Abtreibungspillen per Post bestellten. „Es gibt also Abtreibung in Irland, aber es ist unsicher, ungeregelt und illegal“, schrieb der Premierminister damals auf Twitter. Das Referendum sei nun eine „Chance“ für eine ganze Generation, sagte er später gegenüber Medien. Im Falle eines Sieges des Nein-Lagers schloss er ein zweites Referendum aus.
Emotionale Kampagne
Nachdem die Irinnen und Iren 2015 in einem Referendum für die Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe gestimmt hatten, ist das Abtreibungsreferendum nun ein weiterer Gradmesser für den großen gesellschaftlichen Wandel in Irland. Während der Kampagne zeigte sich die Bevölkerung aber gespalten, sie wurde sehr emotional geführt. Anders als vor dem Referendum 1983 hielt sich die katholische Kirche aber diesmal zurück.

APA/AFP/Artur Widak
Kunst in den Straßen Dublins, die die Pro-Choice-Kampagne unterstützen soll
Geprägt war die Debatte von Frauen, die besonders unter den Abtreibungsgesetzen zu leiden hatten. Thematisiert wurde unter anderem der Fall Savita Halappanavar, der zur ersten Lockerung im Jahr 2013 geführt hatte. Sie war bei einer Fehlgeburt in der 17. Schwangerschaftswoche gestorben. Eine Abtreibung war ihr untersagt worden.
Die Kampagne erhielt auch Auftrieb durch den Fall von Amanda Mellet, die für die Abtreibung eines tödlich missgebildeten Fötus ins benachbarte Großbritannien ausweichen musste. Mellet brachte den Fall vor die UNO-Menschenrechtskommission, welche die Angelegenheit als Verstoß gegen die Grundrechte einstufte.
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