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„Wir haben dich, Harvey Weinstein“

Sieben Monate nach Bekanntwerden der Vorwürfe sexueller Übergriffe hat sich Harvey Weinstein am Freitag den New Yorker Behörden gestellt. Der einstige Hollywood-Mogul wurde festgenommen und angeklagt. Gegen Zahlung einer Millionenkaution bleibt er vorerst auf freiem Fuß.

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Die Polizei teilte knapp mit, Weinstein sei „festgenommen, erkennungsdienstlich behandelt und der Vergewaltigung, krimineller sexueller Handlungen, des sexuellen Missbrauchs und sexuellen Fehlverhaltens in zwei verschiedene Frauen betreffenden Fällen beschuldigt“ worden. US-Medien berichteten, dabei handle es sich um erzwungenen Oralsex. Der Staatsanwaltschaft zufolge geht es um Vorfälle aus den Jahren 2013 und 2004.

Filmproduzent Harvey Weinstein wird von Polizisten aus der Polizeistation geführt

APA/AFP/Getty Images/Spencer Platt

Erst Ende Juli muss Weinstein wieder vor Gericht

Vorwürfe „verfassungsrechtlich fehlerhaft“

Weinsteins Anwalt Ben Brafman kündigte an, sein Mandant werde auf nicht schuldig plädieren. „Wir wollen sehr schnell vorgehen“, um eine Einstellung des Verfahrens zu erreichen, sagte der prominente Strafverteidiger. Die Vorwürfe gegen seinen Mandanten seien „verfassungsrechtlich fehlerhaft“ und nicht ausreichend durch Beweise gedeckt. „Nichts an den heutigen Vorgängen ändert die Position von Herrn Weinstein. Er ist weiterhin davon überzeugt, in den heute vorgebrachten Anklagepunkten unschuldig zu sein, und ist sicher, dass er komplett entlastet werden wird.“

Gegen Zahlung von einer Kaution in Höhe von einer Million Dollar (853.000 Euro) ist Weinstein wieder auf freiem Fuß, allerdings mit GPS-Überwachungsgerät. Zudem hat er seinen Pass abgegeben und muss um Erlaubnis bitten, wenn er die US-Bundesstaaten New York und Connecticut verlassen will. Die nächste Gerichtsanhörung ist für den 30. Juli angesetzt.

Weinsteins Anwalt Benjamin Brafman

APA/AFP/Getty Images/Kevin Hagen

Weinsteins Anwalt Ben Brafman ist einer der erfolgreichsten Strafverteidiger der USA

Staatsanwalt dankt „mutigen Opfern“

„Die heutige Anklage zeigt bedeutenden Fortschritt in dieser andauernden Untersuchung“, sagte Staatsanwalt Cyrus Vance. „Mein Dank gilt den mutigen Opfern, die sich gemeldet haben, und den Ermittlern meiner Behörde, die unermüdlich an dieser Untersuchung gearbeitet haben.“ Vance bat mögliche weitere Opfer von Weinstein, sich zu melden. Auch wenn Weinstein vor Gericht gestellt werde, wäre es bis zu einer Verurteilung noch ein weiter Weg, sagte die Strafverteidigerin und Ex-Staatsanwältin Julie Rendelman. Es sei zu erwarten, dass Weinsteins Anwalt für seinen Mandanten „sehr hart kämpfen“ werde.

Weinstein hatte sich in der Früh in Begleitung von Anwälten in ein Gebäude der New Yorker Polizei im Süden Manhattans begeben, um sich den Behörden zu stellen. Dutzende Journalisten und Schaulustige standen vor dem Gebäude. In der Polizeiwache wurde er festgenommen, und die Anklage wurde verlesen. Danach verließ er das Gebäude in Handschellen und wurde zum Gericht gebracht.

Vorwürfe von über hundert Frauen

Schon am Donnerstag war bekanntgeworden, dass der 66-Jährige sich stellen will. Der Druck der monatelangen Ermittlungen wegen sexueller Übergriffe in New York, Los Angeles und London war wohl einfach zu stark geworden. In den USA waren die Ermittlungen zusätzlich gerade noch auf Bundesebene ausgeweitet worden. Seit Bekanntwerden erster Vorwürfe gegen Weinstein im vergangenen Oktober haben ihm mehr als hundert Frauen - darunter zahlreiche Stars wie Angelina Jolie und Gwyneth Paltrow - vorgeworfen, sie sexuell belästigt oder sogar vergewaltigt zu haben. Viele Fälle sind allerdings bereits verjährt.

Harvey Weinstein mit seiner Ex-Frau Georgina Chapman bei der Oscar-Verleihung 2017

Reuters/Danny Moloshok

Ehefrau Georgina Chapman ließ sich im Zuge der Affäre von Weinstein scheiden

Weinstein hat über seinen Anwalt bisher Fehlverhalten eingestanden, alle Vorwürfe von nicht einvernehmlichem Sex jedoch zurückgewiesen. Die von ihm gegründete Filmfirma hatte den Produzenten nach Bekanntwerden der Vorwürfe im Oktober 2017 entlassen, seine Frau Georgina Chapman hat sich inzwischen von ihm scheiden lassen.

„#MeToo“ eroberte die Welt

Seit Bekanntwerden der Missbrauchsvorwürfe gegen Weinstein wirbeln immer mehr Vorwürfe gegen prominente Filmschaffende die Unterhaltungsbranche auf. Eine unter den Schlagworten „#MeToo“ und „#TimesUp“ bekanntgewordene Bewegung entstand, die sich in weitere Branchen und Länder ausbreitete. Nach Weinstein wurden in den USA unter anderem auch Regisseur James Toback, „House of Cards“-Star Kevin Spacey, Oscar-Preisträger Dustin Hoffman und „Rush Hour“-Regisseur Brett Ratner mit Vorwürfen sexueller Belästigung und des Machtmissbrauchs konfrontiert. Erst am Donnerstag waren auch Vorwürfe gegen Oscar-Preisträger Morgan Freeman bekanntgeworden.

Mehrere Schauspielerinnen, die Weinstein in den letzten Monaten sexuelle Übergriffe vorgeworfen hatten, kommentierten bereits am Donnerstag die Nachricht von der anstehenden Verhaftung mit Erleichterung und Freude. Mit „Boom“ und einem explodierenden Emoji meldete sich die italienische Schauspielerin Asia Argento auf Twitter zu Wort. Sie hatte kürzlich beim Filmfest in Cannes mit einer kämpferischen Rede gegen Weinstein und sexuellen Missbrauch die Gäste bewegt. „1997 wurde ich von Harvey Weinstein vergewaltigt“, sagte die 42-Jährige bei der Abschlussgala.

Schauspielerin Rose McGowan

Reuters/Rebecca Cook

Rose McGowan war eine der ersten Frauen, die das Wort gegen Weinstein erhoben

„Gerechtigkeit“ näher gekommen

„Heute sind wir der Gerechtigkeit einen Schritt nähergekommen“, schrieb Schauspielerin Rose McGowan auf Instagram. Möge Weinsteins Verhaftung allen Opfern, die ihre Erlebnisse schildern, Hoffnung machen, führte sie aus. Sie und andere Weinstein-Opfer hätten schon daran gezweifelt, dass er vor Gericht zur Rechenschaft gezogen werde.

McGowan war im vergangenen Herbst eine der ersten Frauen, die Weinstein Vergewaltigung und sexuelle Übergriffe vorwarfen. Nach der Verhaftung schrieb McGowan schlicht: „Wir haben dich, Harvey Weinstein, wir haben dich.“

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