Geliebt, geschmäht, angespuckt
Er hat unvergessliche Komödien geschaffen und war der Liebling der englischen Gesellschaft - bis zu jenem Skandal, der ihn Freiheit und Glück gekostet hat: „The Happy Prince“ ist die schmerzliche Nacherzählung der letzten Lebensjahre des irischen Autors Oscar Wilde und das Regiedebüt des britischen Schauspielers Rupert Everett („Die Hochzeit meines besten Freundes“), der auch die Hauptrolle spielt.
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Eine Verurteilung 1895 wegen „grober Unsittlichkeit“, daraufhin zwei Jahre Zuchthaus, Zwangsarbeit, Wasser und Brot: Es war der maximale Kontrast zum champagnerlaunigen Dasein, das Wilde bis dahin geführt hatte. Nach seiner Freilassung erhielt er Schreib- und Redeverbot und ging ins Exil nach Frankreich. Dabei hatte er eigentlich versucht, sich vor Gericht zu wehren, weil er wegen seiner Liebesgeschichte mit dem jungen Lord Alfred „Bosie“ Douglas von dessen Vater öffentlich geschmäht worden war – und war daraufhin selbst verurteilt worden.
Zehn Jahre Arbeit
Everett hat nun in seinem fulminanten Regiedebüt „The Happy Prince“ die letzten Lebensjahre von Wilde nachempfunden, nach eigenem Drehbuch und mit sich selbst in der Hauptrolle. Es ist jener Teil von Wildes Biografie, der gerne ausgelassen wird, zu bitter ist das Ende des vormals verhätschelten Gesellschaftslöwen und Dandys, geschmäht und angespuckt von britischen Landsleuten, krank und hungernd.
Everett arbeitete zehn Jahre lang an dem Projekt, wollte ursprünglich nicht selbst Regie führen. Wieder und wieder schlugen die Versuche fehl, den Herzensfilm zu verwirklichen - bis es nun doch geglückt ist, mit Unterstützung langjähriger Freunde wie Colin Firth und Emily Watson. „Hätten die nicht zu mir gehalten, hätte ich diesen Film nicht machen können“, sagt Everett im ORF.at-Gespräch.
Hedonist auf dem Totenbett
Die lange Entwicklungszeit hat dem Film gutgetan: „The Happy Prince“ ist ein Wunderwerk, das von Wildes Sterbebett in Paris aus ein Leben Revue passieren lässt, in dem die Versöhnungsversuche, der Wille zum Glück, die unbedingte Begeisterung für das Leben selbst immer wieder scheiterten. Wilde ist in der Verkörperung durch Everett ein verarmter Hedonist und Selbstzerstörer, in dessen Dasein Zärtlichkeit und Härte keine Widersprüche sind.

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Reggie Turner (Colin Firth) bleibt bis zuletzt bei Oscar Wilde
Im französischen Exil versuchen Freunde, sich um den Dichter zu kümmern, allen voran Reggie Turner (Colin Firth) und sein Freund Robbie Ross (Edwin Thomas). Doch was ihm die Freunde nahelegen, kann nicht gelingen: Die fatale Liebesgeschichte mit Lord Alfred „Bosie“ Douglas (Colin Morgan) beginnt erneut, eine Versöhnung mit Wildes Frau Constance (Emily Watson) ist dadurch nicht möglich.
Der unglückliche Prinz
Der Filmtitel „The Happy Prince“ bezieht sich auf das gleichnamige Kunstmärchen, das Wilde 1888 verfasst hatte, gedacht als Gutenachtgeschichte für seine eigenen Kinder. Eine mit Gold und Edelsteinen besetzte Prinzenstatue freundet sich da mit einer kleinen Schwalbe an, die die Schätze der Statue an arme Kinder verteilt. Am Ende erfriert die Schwalbe, die unansehnlich gewordene Statue wird abgerissen, doch Gott im Himmel erkennt die guten Taten der beiden an.

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Bosie (Colin Morgan) und Oscar erleben letzte glückliche Tage in Neapel
Das Märchen wird zum roten Faden durch den Film: Wilde erzählt es einem Pariser Stricher und dessen kleinem Bruder und erinnert sich dabei zurück an seine eigenen Söhne, zu denen ihm der Kontakt verwehrt ist. Wie Wildes Märchen vereint auch der Film Innigkeit, Tragik und leise Ironie zu einem komplexen Gewebe, das katholisches Pathos und die Moralvorstellungen der viktorianischen Gesellschaft in ihrem Reiz und ihrer Schädlichkeit schildert.
Das geht hin bis zum Abspann: Wilde sei im Jahr 2017 postum „begnadigt“ worden, steht da, im Zuge des „Turing’s Law“ (nach dem Mathematiker Alan Turing) genannten Gesetzes, das die Verurteilungen von mehr als 50.000 schwulen Briten aufhob. Eine Wiedergutmachung ist das aber nicht.
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Magdalena Miedl, für ORF.at