Themenüberblick

Scharfe Angriffe der Fraktionschefs

Facebook-Chef Mark Zuckerberg hat am Dienstag im Europaparlament persönlich zur Affäre um den Missbrauch der Daten von Millionen Nutzern Stellung genommen. Zuckerberg kam in Brüssel zunächst mit Parlamentspräsident Antonio Tajani zusammen, danach stellte er sich den Fragen der Fraktionsspitzen. Das Treffen erwies sich härter als seine Anhörung im US-Kongress zum Datenskandal.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Dort hatte Zuckerberg schon im April zu der Affäre rund um Cambridge Analytica Rede und Antwort gestanden. Ins Europaparlament wollte er ursprünglich einen Vertreter schicken. Auf Druck aus Brüssel kam er nun persönlich. Anders als geplant fand die Anhörung durch die Fraktionsspitzen zudem auch nicht hinter verschlossenen Türen statt, sondern wurde live im Netz übertragen.

Facebook verspricht Verbesserungen

Zum Auftakt der Sitzung entschuldigte sich Zuckerberg und versprach eine Verbesserung des Schutzes persönlicher Informationen. Facebook habe „nicht genug getan, um zu verhindern, dass die von uns entwickelten Instrumente auch dafür verwendet werden, zu schaden“, sagte Zuckerberg am Dienstagabend in Brüssel. „Das war ein Fehler, und es tut mir leid.“

Zuckerberg im EU-Parlament

Dem Facebook-Chef wurden in Brüssel scharfe Fragen gestellt. Auch Millionen europäischer Nutzer waren vom Datenskandal betroffen.

Der Konzern hatte eingeräumt, dass Daten von bis zu 87 Millionen Nutzern bei der britischen Firma Cambridge Analytica gelandet sind. In Europa waren laut Facebook bis zu 2,7 Millionen Nutzer betroffen. Die Daten sollen unter anderem unerlaubt für den Wahlkampf des heutigen US-Präsidenten Donald Trump ausgeschlachtet worden sein. Cambridge Analytica stellte Anfang Mai seine Dienste ein und beantragte Insolvenz.

Europas neue Datenregeln

Facebook überprüfte in der Folge des Skandals Apps auf seiner Plattform, um ähnliche Fälle der unzulässigen Weitergabe von Daten zu verhindern. 200 Apps wurden vorläufig gesperrt. Das Unternehmen kündigte zudem an, weltweit seine Datenschutzbedingungen in Anlehnung an die neuen EU-Regeln zu überarbeiten. Am Freitag tritt die entsprechende Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) in Kraft. Diese macht Unternehmen schärfere Vorgaben für die Speicherung und den Schutz von Daten und gibt Nutzern mehr Möglichkeiten, gegen Missbrauch vorzugehen.

Sie gilt auch für außereuropäische Unternehmen, die in Europa vertreten sind. Bei Verstößen drohen hohe Strafen von bis zu vier Prozent des weltweiten Jahresumsatzes. Bei Facebook wären das rechnerisch derzeit bis zu 1,6 Milliarden Euro. Nachträglich kann Facebook wegen der Affäre um Cambridge Analytica aber nicht belangt werden. Zukünftig aber, so gelobte Zuckerberg am Dienstagabend, bekenne sich Facebook zur neuen Grundverordnung.

Sorge vor Wahlmanipulationen

Parlamentspräsident Tajani warnte vor der Manipulation künftiger Wahlen. Das Geschäftsmodell vieler Onlinedienste sei es, kostenlose Dienste gegen persönliche Daten anzubieten. „Demokratie darf aber nie eine Marketingoperation werden, bei der jeder, der Daten kauft, einen politischen Vorteil kauft.“

„Ob es um ‚Fake News‘ geht, ausländische Beeinflussung bei Wahlen oder Entwickler, die Informationen der Menschen missbrauchen - wir haben unsere Verantwortung nicht breit genug gesehen“, so Zuckerberg. Er kündigte an, die Zahl der Mitarbeiter, die sich mit Fragen von Schutz und Sicherheit beschäftigen, auf „mehr als 20.000 bis zum Ende des Jahres“ zu verdoppeln. Die Nutzer sollten künftig zudem mehr Kontrolle über ihre Datenschutzeinstellungen bekommen, sagte Zuckerberg. Dafür führe Facebook auch einen neuen Browser ein, bei dem der Verlauf der Aktivität in dem Onlinenetzwerk gelöscht werden könne.

European Parlamentspräsident Antonio Tajani schüttelt Facebook-Chef Mark Zuckerberg die Hand

APA/AFP/John Thys

Tajani begrüßte Zuckerberg vor der Sitzung

Künstliche Intelligenz soll helfen

Zuckerberg setzt laut eigenen Aussagen bei der Bekämpfung von „Fake News“ vor allem auf künstliche Intelligenz. Schon jetzt „sind wir in der Lage, damit 99 Prozent der ISIS bzw. Al-Kaida-bezogenen Inhalte zu identifizieren und zu entfernen“, sagte er. Außerdem verwies er auf Onlinemobbing und die Erkennung von Selbstmordgefährdeten. „Wir haben 3.000 Menschen eingestellt, die so rasch reagieren, dass wir das in weniger als zehn Minuten entfernen“, sagte er.

Der Schutz von Wahlen sei ihm ein besonderes Anliegen. Wobei er konzedierte, dass „wir nie perfekt sein werden“. Allerdings werde Facebook vom reaktiven Management hin zu einem proaktiveren Ansatz kommen. Wesentlich sei auch mehr Rechenschaftspflicht. Zuckerberg kündigte an, Transparenzmaßnahmen weltweit bis in den Sommer umzusetzen. Regulierungen seien wichtig, doch dürften damit nicht Innovationen im Keim erstickt werden, fügte er hinzu. Er bleibe dabei, dass Facebook eine Plattform für alle Ideen sein wolle. Insofern sei man politisch nicht voreingenommen.

Scharfe Worte von Verhofstadt

Das Gesprächsformat, bei dem alle Fragen zum Schluss auf einmal beantwortet werden sollten, gab Zuckerberg aber die Möglichkeit, unangenehmen Fragen auszuweichen. Das Verfahren ist nach Auskunft des Europaparlaments generell üblich bei der „Conference of Presidents“ mit dem Kreis der Fraktionsvorsitzenden.

Mit besonders scharfen Worten fiel Guy Verhofstadt, Fraktionsvorsitzender der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa (ALDE), auf. Zuckerberg müsse sich entscheiden, ob er in die Geschichte in einer Reihe mit Technologieinnovatoren wie Apple-Gründer Steve Jobs und Microsoft-Gründer Bill Gates eingehen werde - oder als „ein Genie, das ein digitales Monster geschaffen hat, das unsere Demokratien zerstört“.

Empörung bei den Fragestellern

Einige der Fraktionschefs machten ihrer Unzufriedenheit Luft. "Ich habe sechs Fragen eingereicht, die mit „Ja“ oder „Nein" beantwortet werden können - und keine davon ist beantwortet worden“, empörte sich der Grüne Philippe Lamberts.

„Das war zu kurz, das war zu flach, das war nicht substanziell genug“, sagte der Fraktionschef der europäischen Sozialdemokraten, Udo Bullmann, und sprach von einem Formatfehler. „Man hätte Ping-Pong spielen müssen.“

Für Tajani ein „Erfolg“

Auch Manfred Weber, Fraktionschef der konservativen EVP, war mit den Antworten von Zuckerberg unzufrieden. „Er war nicht sehr überzeugend und hat nicht auf all unsere Fragen geantwortet“, schrieb der CSU-Politiker auf Twitter.

„Mir ist bewusst, dass es viele konkrete Fragen gab, auf die ich nicht konkret eingehen konnte“, sagte Zuckerberg am Ende des Treffens. Man werde sie nachträglich beantworten. EU-Parlamentschef Tajani wertete die Anhörung hingegen als „Erfolg“ für die EU-Institution. „Wir sind im Mittelpunkt der politischen Debatte. Wir haben gezeigt, dass wir für die Interessen der Bürger eintreten. Wir haben eine Entschuldigung bekommen“, so Tajani. Dabei verteidigte der EU-Parlamentschef das eingeschränkte Format der Anhörung im Rahmen der Fraktionschefs. Zuckerberg sei nicht EU-Bürger und nicht verpflichtet gewesen, der Einladung Folge zu leisten, sagte er.

Links: