Themenüberblick

„Alles andere ist Missbrauch“

Im Zuge der „#MeToo“-Debatte verschärft Schweden sein Sexualstrafrecht deutlich. Am Mittwoch soll im Parlament ein Gesetz abgesegnet werden, das Sex ohne ausdrückliche Zustimmung unter Strafe stellt. Trotz breitem Konsens im Parlament wurde das Gesetz im Vorfeld mitunter scharf kritisiert.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

„Sex sollte freiwillig sein. Alles andere ist Missbrauch“, schrieb Schwedens Justizminister Morgan Johansson bereits im März im Kurznachrichtendienst Twitter. Sollte das Gesetz am Mittwoch den schwedischen Riksdag passieren - im Vorfeld kündigte die Mehrheit ihre Zustimmung an -, wird es Anfang Juli in Kraft treten.

Erst vergangene Woche gab das Justizkomitee eine Empfehlung für die Gesetzesreform ab. Darin heißt es erklärend, dass eine Tat künftig nicht mehr „Gewalt oder Bedrohung“ beinhalten müsse, um als Vergewaltigung zu gelten. Gleichzeitig soll auch das Mindeststrafmaß angehoben werden. Johansson sagte, er denke, dass durch die Reform die „Zahl der gelösten Verbrechen“ steigen werde.

Auch eindeutige Taten gelten als Zustimmung

In der Praxis sieht das Gesetz vor, dass Zustimmung entweder in Form von Worten gegeben werden kann - aber auch als „Taten oder auf andere Art und Weise“. Das neue Gesetz habe eine sehr „klare präventive“ Funktion, so Johansson gegenüber der schwedischen Nachrichtenagentur TT. Begleitend soll es eine Kampagne für 13- bis 25-Jährige geben, die über das Thema informiert. Die Kosten dafür betragen rund fünf Millionen Kronen (knapp 500.000 Euro).

Die neue Regelung betrifft laut der Rechtsexpertin des schwedischen Vereins Fatta, der sich gegen sexuelle Gewalt einsetzt, auch langfristige Beziehungen. „Dem Vorschlag nach heißt es, dass Einwilligung durch Worte oder Taten ausgedrückt werden muss. Komplette Passivität ist damit keine Zustimmung, alles bis auf ein Ja ist ein Nein. Es gibt hier keinen Unterschied, ob es sich dabei um eine enge Beziehung handelt oder nicht“, so Olivia Björklund Dahlgren. Vergewaltigung innerhalb der Ehe sei seit 1965 illegal in Schweden.

Kritik kam auch von Justiz selbst

Das Einwilligungsgesetz wurde im Vorfeld teils heftig diskutiert. Die schwedische rot-grüne Regierung plant die Reform bereits seit 2014. Kritik kam dabei auch vonseiten der Justiz: Lagradet, eine Regierungsbehörde, die unter anderem Gesetzesentwürfe überprüft, zweifelte Anfang des Jahres noch, ob die Gesetzesänderung überhaupt nötig sei. Vieles davon sei bereits in bisherigen Gesetzen geregelt, hieß es.

Außerdem sei die Regelung zu sehr von der Position des Richters abhängig, so die Kritik. Dieser müsse entscheiden, was als freiwillig, und damit als legal oder illegal, gelte. Als Reaktion ließ die Regierung einige Stellen im Entwurf umschreiben - der Großteil blieb aber unverändert, wie auch Schwedens Justizminister sagt: „Wir haben das Grundprinzip (des Gesetzes, Anm.) nicht verändert.“

Debatte auch in anderen skandinavischen Ländern

Auch in Norwegen fordern Opposition und Menschenrechtsinitiativen ein ähnliches Gesetz. Ein entsprechender Vorschlag sei aber trotz positiver Anhörungen auf Eis gelegt worden, kritisierte Amnesty Norge. „Die Regierung hat wenig Interesse gezeigt, ernsthaft gegen Vergewaltigung vorzugehen“, zitierte die norwegische Nachrichtenagentur NTB eine Sprecherin. Dabei zeige die „#MeToo“-Kampagne, wie nötig das sei.

Auch in Dänemark fordert die Opposition schärfere Gesetze, die Frauen mehr Macht einräumten. Viele Frauen zeigten Belästigung nicht an, weil sie nicht glaubten, dass diese geahndet werde. Man müsse aber vorsichtig sein, dass ein solcher Vorschlag nicht lächerlich gemacht werde, sagte die justizpolitische Sprecherin der Sozialdemokraten der Nachrichtenagentur Ritzau. „Gegner werden behaupten, dass man jetzt eine Unterschrift von seiner Geliebten braucht, bevor man das Licht ausschaltet.“

In Österreich wird die Willensbekundung in einem gesonderten Paragrafen des Strafgesetzbuches geregelt. In Paragraf 205a zur „Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung“ heißt es seit 2016, dass Sex mit einer Person „gegen deren Willen, unter Ausnützung einer Zwangslage oder nach vorangegangener Einschüchterung“ mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren zu bestrafen ist.

Links: