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Tausende aus dem Ausland angereist

Vor Zehntausenden Anhängern hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan am Sonntag seinen einzigen Wahlkampfauftritt im europäischen Ausland absolviert. In der bosnischen Hauptstadt Sarajevo sparte er dabei nicht mit Kritik an jenen Staaten, die Wahlkampfveranstaltungen vor der Türkei-Wahl am 24. Juni verboten hatten.

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Die europäischen Staaten betrachteten sich als Wiege der Demokratie. Doch sie hätten „die Prüfung nicht bestanden“, sagte Erdogan in der Halle der Olympischen Spiele von 1984. „Wir sind heute in Sarajevo. Bosnien-Herzegowina hat damit gezeigt, dass es ein demokratischer Staat ist“, sagte der türkische Präsident. Länder wie Österreich, Deutschland und die Niederlande hatten Wahlkampfauftritte für die türkischen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen bereits verboten.

Entscheidung „für das nächste Jahrhundert“

„Seid ihr bereit, den Terrororganisationen und ihren lokalen und ausländischen Handlangern eine osmanische Ohrfeige zu verpassen?“, rief Erdogan am Sonntag den jubelnden Zuschauern zu. „Seid ihr bereit, mich mit einer Rekordzahl an Stimmen in der Präsidentenwahl zu unterstützen?“ Bei den Wahlen gehe es um eine Entscheidung „für das nächste Jahrhundert unseres Landes“.

Der türkische Präsident Tayyip Erdogan in Sarajevo

Reuters/Dado Ruvic

Erdogan bemühte bei seiem Auftritt einmal mehr das Pathos

Zu dem Wahlkampfauftritt in Sarajevo waren nach Angaben der bosnischen Behörden rund 20.000 Personen gekommen. Aus Österreich seien etwa 1.300 Auslandstürken - vor allem Männer - angereist, berichtete der „Kurier“ (Onlineausgabe) Sonntagabend. „Das bosnische Volk hat gezeigt, dass unsere jahrhundertealte Freundschaft weiter bestehen wird“, so Erdogan. Die meisten Teilnehmer an der Wahlkampfveranstaltung für Auslandstürken kamen allerdings gar nicht aus Bosnien-Herzewogina. Sie waren aus Deutschland, Österreich und den Niederlanden, aber auch aus den Nachbarstaaten wie Serbien angereist.

„Gebt von Deutschland, Belgien, Österreich, den Niederlanden aus eine Antwort, die überall in Europa gehört werden kann“, forderte Erdogan denn auch sein Publikum auf. „Nehmt unbedingt die Staatsangehörigkeit der Länder an, in denen ihr lebt“, sagte er. „Ich bitte euch, dass ihr eine aktive Rolle in den politischen Parteien in den Ländern übernehmt, in denen ihr lebt. Ihr solltet ein Teil dieser Parlamente sein, nicht diejenigen, die ihr Land verraten.“

Geschenk für Gastgeber

Organisiert hatte die Veranstaltung die Union der Europäisch-Türkischen Demokraten (UETD). Möglich gemacht hatte sie aber Bakir Izetbegovic, das bosniakische Mitglied im bosnischen Staatspräsidium. „Gott hat den Bosniaken Alija Izetbegovic geschickt und den Türken Erdogan“, sagte Izetbegovic vor dem Wahlkampfauftritt seines Gastes. Alija Izetbegovic (1925 bis 2003) war der erste Präsident Bosnien-Herzegowinas nach dem Zerfall Jugoslawiens.

Sein Sohn und Nachfolger an der Spitze der bosniakischen islamisch-konservativen Partei der demokratischen Aktion (SDA) - der stimmenstärksten Partei im bosnischen Parlament - gilt als enger Verbündeter Erdogans. Am Sonntag empfing Izetbegovi den türkischen Präsidenten vor dessen Auftritt in seinen Amtsräumen.

Türkeis Präsident Tayyip Erdogan und Bakir Izetbegovic

APA/AFP/Turkish Presidential Press

Vor seinem Wahlkampfauftritt besuchte Erdogan SDA-Chef Iztbegovic

Mit im Gepäck hatte der türkische Präsident dabei ein nicht unbedeutendes wirtschaftliches Geschenk: Die Türkei wird die schon lange geplante Autobahn zwischen Sarajevo und Belgrad finanzieren. Für diesen zentralen Transitweg zwischen Bosnien-Herzegowina und Serbien sei am Sonntag eine Absichtserklärung unterschrieben worden, sagte Izetbegovic. Damit leistete Erdogan auch Wahlkampfhilfe für die SDA. In Bosnien-Herzegowina wird in diesem Jahr ebenfalls noch gewählt. Und nicht alle Parteien geben sich so türkeifreundlich wie Izetbegovics SDA.

Besuch löst Irritationen aus

So hatte Erdogans Wahlkampfauftritt bereits im Vorfeld zu heftigem Streit im Land geführt. Er habe von der einzigen Wahlveranstaltung Erdogans im europäischen Ausland nur aus den Medien erfahren, sagte das kroatische Mitglied im dreiköpfigen Staatspräsidium, Dragan Covic, dem Zagreber TV-Sender HRT. Der Besuch füge dem in die EU strebenden kleinen Balkan-Land großen strategischen Schaden zu.

Wahlkampf im Ausland

Erdogan befindet sich im Wahlkampf für die vorgezogenen Wahlen in gut einem Monat. Seine Wahlkampfautritte sind in Deutschland und Österreich untersagt worden, deshalb musste er nach Bosnien ausweichen.

Kritik am Wahlkampfauftritt Erdogans kam auch von bosniakischer Seite. Fahrudin Radoncic, Geschäftsmann und Gründer der Partei Bund für eine bessere Zukunft (SBB), sagte, Erdogan gehe es um „eine Demonstration für Westeuropa: Seht mal, hier auf dem Balkan kann ich sein“. Denn „Herr Erdogan hat nicht so viele Wähler in Sarajevo, dass das für ihn interessant wäre“, sagte Radoncic dem TV-Sender N1.

Berichte über Attentatspläne dementiert

Zu Beginn des Wochenendes waren überdies Berichte über einen möglichen Attentatsversuch kursiert. Bosniens Sicherheitsminister Dragan Mektic bestritt diese am Samstagabend jedoch energisch. „Das Sicherheitsministerium hat keine entsprechenden Informationen“, sagte Mektic gegenüber N1. Die Sicherheitslage sei normal.

Medien hatten zuvor gemeldet, türkische Nachrichtendienste hätten über einen möglichen Attentatsversuch berichtet. Diese wären an Informationen gelangt, wonach von Personen türkischer Abstammung ein Attentat auf Präsident Erdogan vorbereitet sei, hieß es heute laut Medien in Sarajevo.

Eine indirekte Bestätigung dieser Information war dem Internetportal Klix.ba zufolge auch vom türkischen Vizepremier Bekir Bozdag gekommen. „Die Attentatsversuche erinnern uns daran, dass unser großer Führer für manche eine Irritation darstellt“, kommentierte Bozdrag auf Twitter mit dem Hinweis, dass Erdogan keine Angst vor Morddrohungen habe.

TV-Sender: Erdogan beendete Besuch vorzeitig

Der Besuch Erdogans in der bosnischen Hauptstadt fiel kürzer als geplant aus. Wie N1 berichtete, sei das Besuchsprogramm drastisch geändert worden. Ein Spaziergang Erdogans durch die Altstadt Sarajevos sei vom Programm gestrichen worden, ebenso ein geplantes Abendgebet.

Erdogan, der nach dem Wahlkampfauftritt in einer Sporthalle mit einem Ehrendoktortitel einer in Sarajevo wirkenden Internationalen Universität geehrt wurde, beendete danach seinen eintägigen Aufenthalt in der bosnischen Hauptstadt, hieß es. Der Ehrendoktortitel wurde Erdogan von Universitätsrektor Ahmet Yildirim überreicht.

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