Hochzeit als weitere Öffnung der Royals
Am Samstag heiraten Meghan Markle und Prinz Harry auf Schloss Windsor. Seit Bekanntgabe der Verlobung ist das Interesse an der zukünftigen Adeligen ungebrochen, unter anderem, weil sie nicht den gängigen Vorstellungen einer „Royal“ entspricht. Markle ist nicht nur drei Jahre älter als Harry, sie ist zudem geschieden und Tochter einer Afroamerikanerin. Im Gespräch mit ORF.at meinen Experten des britischen Königshauses, die Hochzeit sei ein Signal des Wandels der Monarchie.
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Bekannt aus der TV-Serie „Suits“, war Markle bis vor Kurzem noch Schauspielerin. Als das Paar Ende November seine Verlobung bekanntgab, löste das die Diskussion aus, ob das einen Modernisierungsschub für die Monarchie bedeute - und ob die Öffentlichkeit dafür bereit sei.
Doch das britische Volk selbst scheint sich wenig an den Attributen „geschieden“, „afroamerikanisch“ und „nicht britisch“ zu stören. Eine YouGov-Umfrage ergab, dass ein Großteil der Briten kein Problem damit hat, wenn Markle Teil der Königsfamilie wird. „Es ist gar keine Frage, dass sich die Monarchie an das 21. Jahrhundert angepasst hat“, sagt auch Adelsexperte Richard Fitzwilliams gegenüber ORF.at.

APA/AFP/Paul Ellis
Britinnen und Briten stehen dem neuen Royals-Mitglied wohlwollend gegenüber
Starke Veränderungen in jüngster Vergangenheit
Die Gesellschaft habe sich in den vergangenen 100 Jahren stark gewandelt und so auch das britische Königshaus an deren Spitze, so Fitzwilliams weiter. So habe etwa Prinz Charles’ künftige Gemahlin im Jahr 1981 noch eine Reihe strenger Voraussetzungen zu erfüllen gehabt. Sie habe beispielsweise jungfräulich und adelig sein müssen. Weder Herzogin Kate, Prinz Williams Ehefrau, noch Markle wären infrage gekommen, weil sie aus bürgerlichen Familien stammen.
„Aber man muss bedenken, dass Harry den sechsten Platz in der Thronfolge belegt, das gibt ihm viel mehr Freiheit und Unabhängigkeit. Meghan und er werden ein sehr dynamisches, wohltätiges Duo sein“, so Fitzwilliams und räumt damit dem jüngeren Prinzen mehr gesellschaftlichen Spielraum ein. Somit sei Harry auch etwas möglich, das seinem Vater Prinz Charles bis zu dessen Hochzeit mit Camilla Parker-Bowles 2005 verwehrt blieb: eine Hochzeit aus Liebe.
„Scheidung war ein schmutziges Wort“
Auch Dickie Arbiter, ein ehemaliger Pressesekretär von Königin Elizabeth II., zeigt sich gegenüber ORF.at überzeugt, dass sich die britische Monarchie in den tausend Jahren ihres Bestehens ständig weiterentwickelt und einen Wertewandel durchlaufen habe. „Die Zeiten haben sich geändert und so auch die Monarchie“, sagt Arbiter. So führten die Hochzeitspläne von Edward VIII. und der zweifach geschiedenen Amerikanerin Wallis Simpson 1936 noch dazu, dass Edward, der zugleich Oberhaupt der anglikanischen Kirche war, nur wenige Monate nach seiner Thronbesteigung wieder abdanken musste. „Scheidung war ein schmutziges Wort, darüber hat man nicht gesprochen, man hat es geflüstert“, so Arbiter.
Church of England wurde liberaler
Auch die Liebe zwischen Prinzessin Margaret, der Schwester der Queen, und Peter Townsend in den 1950er Jahren fand kein glückliches Ende. Denn wie Simpson hatte auch Townsend schon eine Ehe hinter sich. Der Prinzessin wäre es nur möglich gewesen, ihn zu heiraten, wenn sie ihren Anspruch auf den Thron aufgegeben hätte. Doch in nur wenigen Jahrzehnten hat sich die Haltung der Nation und der Church of England stark verändert. Seit Anfang des 21. Jahrhunderts dürfen in Großbritannien nämlich auch geschiedene Paare kirchlich heiraten – und mittlerweile sind bereits drei der vier Kinder von Elizabeth II. geschieden.
Diversität widergespiegelt
Dennoch musste Prinz Harry als Sechster in der Thronfolge für die Verlobung mit Markle die Zustimmung seiner Großmutter einholen – eine reine Formalität. Denn die damalige Schauspielerin versteht sich laut ihrem Verlobungsinterview mit der BBC mit der Queen prächtig. Weder Markles Scheidung noch ihre ethnische Abstammung dürften für den Buckingham Palace eine Rolle gespielt haben.
Ganz im Gegenteil: Zahlreiche Experten sehen Markle als ungemeine ethnische Bereicherung für die Nation. Denn mit ihr werde das Königshaus die Diversität seines Volks besser widerspiegeln. Immerhin soll laut Statistiken des Thinktank Policy Exchange bis 2050 ein Drittel der Briten „black“ (dunkelhäutig) und „minority ethnic“ (einer Minderheit angehörig) sein.
„Positives Signal nach außen“ - oder nicht?
Der Historiker Ted Powell sagte im „Observer“, dass man kaum überbewerten könne, „wie wichtig es ist, ein Mitglied der Königsfamilie zu haben, das ‚mixed raced‘ und stolz auf sein Erbe ist.“ Die Monarchie steht für Kontinuität, Stabilität und Einigkeit. Eine Frau wie Meghan, die sich für die Rechte von Frauen und Minderheiten einsetzt, sei jedoch gerade in Zeiten der turbulenten „Brexit“-Verhandlungen ein positives Signal für die Welt.

Reuters/Kirsty Wigglesworth
Besuch bei Sportlern mit Behinderung
Kehinde Andrews, Soziologe an der Universität Birmingham, widerspricht dem im britischen „Guardian“: Es sei „wahrlich anstößig“, die Ehe zwischen Markle und Prinz Harry als Aufbruch in der britischen Gesellschaft zu sehen. „Die königliche Familie ist eines der Hauptsymbole von ‚Whiteness‘ (Weißheit), Weltreich, Blutlinien und Kolonialzeit“, so Andrews. Fortschritt lasse sich nicht über ethnisch gemischte Ehepaare definieren, meint Andrews und verweist auf Brasilien: Dort gebe es weltweit die meisten solcher Paare und trotzdem extrem viel Rassismus. Zudem sehe Markle aus wie Pippa Middleton und kleide sich wie Diana.
Royals immer wieder ausfällig
Andrews spielte mit seiner Aussage wohl auch auf Harrys Großvater Prinz Philip an, dessen rassistische Fehltritte im Land als öffentliches Geheimnis gelten. Aborigines in Australien fragte er etwa, ob sie immer noch mit Speeren nacheinander werfen würden, und britische Austauschstudenten in Peking warnte er, sie würden alle Schlitzaugen bekommen, so sie noch länger in China blieben. Auch Prinz Charles wurde erst vergangenen Monat eines rassistischen Kommentars bezichtigt. Er sagte über eine Engländerin mit guyanischen Wurzeln, sie sehe nicht so aus, als würde sie aus Manchester kommen.
Mehr rassistische Übergriffe
Dass es in der britischen Gesellschaft in letzter Zeit einen besorgniserregenden Anstieg an rassistischen Übergriffen sowie religiös motivierten Straftaten gegeben hat, ist unumstritten. Die UNO-Sonderbeautragte Tendayi Achiume sprach in einer Rede davon, dass die Stimmung vor, während und nach dem „Brexit“-Votum „ethnische Minderheiten verwundbarer gegenüber ethnischer Diskriminierung sowie Intoleranz“ gemacht habe.
Sogar die künftige Braut selbst wurde bereits Opfer verbaler rassistischer Angriffe, die Harry auf das Schärfste verurteilte. Die britische „Daily Mail“ titelte etwa „Almost Straight Outta Compton“, ein Slang-Ausdruck dafür, dass jemand dunkelhäutiger Abstammung ist.
Spenden statt Hochzeitsgeschenke
Das Paar gab allerdings auch in seinem Verlobungsinterview bekannt, sich weder auf die positive noch auf die negative Berichterstattung zu fokussieren, sondern auf ihre Beziehung und die gemeinsamen, karitativen Pläne. Ganz in diesem Sinne wünschen sie sich Spenden statt Hochzeitsgeschenke.
Sieben unpolitische Organisationen wurden dazu ausgewählt, unter anderem solche, die sich für Obdachlose, Kinder mit HIV und Frauen in Mumbais Slums einsetzen. Markle ist schon jetzt UNO-Sprecherin für Frauenrechte. Es sei damit zu rechnen, dass sie diese und weitere wohltätige Funktionen weiterhin ernst nehmen werde, so Fitzwilliams im ORF.at-Interview.
Links:
Katja Lehner, aus London, für ORF.at